Jugend Forscht: Die Landessiegerin aus Hilpoltstein ist auf dem Weg an die Uni

29.3.2021, 16:32 Uhr
Jugend Forscht: Die Landessiegerin aus Hilpoltstein ist auf dem Weg an die Uni

© Foto: Dräxlmaier Group

Vor Kurzem war es endlich soweit: Nach knapp zwei Jahren Arbeit findet endlich der Landesentscheid von "Jugend forscht" statt – online natürlich, wegen Corona. Am vergangenen Mittwoch stehen die Jury-Gespräche auf dem Programm. Gut zehn Minuten lang kann Tamara Pröbster den Prüfern ihre Arbeit vorstellen. Anschließend fühlen ihr die Juroren weitere 20 Minute auf den Zahn. Obwohl es sich weniger wie eine Prüfung anfühlt, ist sie aufgeregt und hat am Ende kein allzu gutes Gefühl.

Dann heißt es warten, bis zum nächsten Tag. Am Donnerstag werden die Landessieger des Wettbewerbs "Jugend forscht" online zunächst im Rahmen einer internen Preisverleihung bekanntgegeben.


Jugend forscht: Das sind die Gewinner aus der Region


Tamara Pröbster ist alles andere als siegessicher: "Wenn man im Wettbewerb dabei ist, dann kann man gar nicht mehr ein-schätzen, ob man Chancen hat. Es gibt da einfach so viele coole Sachen." Als die Juroren den Namen einer anderen jungen Forscherin als Siegerin in Physik vorlesen, scheint sie tatsächlich leer auszugehen. Ein kurzer Moment der Enttäuschung. Doch dann fällt ihr Name; es gibt einen geteilten ersten Platz.

"Die Freude war da natürlich umso größer", erzählt die 18-jährige Hilpoltsteinerin. Bei Pröbsters Projekt lobt die Jury insbesondere, dass es ein sehr komplexes Thema aufgreift, es einen großen Anteil theoretischer Physik beinhaltet, auch mathematisch sehr komplizierte Berechnungen enthält und nicht zuletzt in einem professionellen Umfeld, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, geforscht wurde. Wobei: "Von der Begründung habe ich nicht wirklich viel mitbekommen", gibt sie lachend zu. Dazu sei sie in dem Moment viel zu aufgeregt gewesen.

Mit Klebeband, Ofen und langem "e"

"Ultraschnelle Emissionsprozesse in Graphen", so lautet der Titel ihrer Arbeit. Graphen – das weckt bei vielen vermutlich zunächst einmal Erinnerungen an den Mathematikunterricht. Aber weit gefehlt. "Graphen", erklärt Pröbster geduldig, "ist eine zweidimensionale Schicht aus Kohlenstoffatomen. Es ist sehr dünn, eine nur wenige Nanometer dicke Schicht von Graphit, die man von einem Block etwa mit Hilfe eines Klebebands abziehen kann." Oder man backt sich das Ganze in einem speziellen Ofen.

Aha! Erste Erkenntnis: Das Wort Graphen wird auf der zweiten Silbe betont (nicht wie der Graph einer Funktion auf der ersten) und es geht weniger um Mathe als vielmehr um Physik. Bei ihrer Arbeit will Tamara Pröbster unter anderem herausfinden, wie viele Elektronen aus einer bestimmten Menge Graphen ausfliegen, also emittiert werden, wenn man das Ganze mit einem Laser bestrahlt. Außerdem erforscht sie, ob dies thermionisch oder photoelektrisch passiert. "Ich wollte die beiden Effekte entkoppeln und herausfinden, welche Elektronen wie emittiert werden, um die Eigenschaften der beiden Effekte besser zu verstehen."

Darüber hinaus untersucht sie aber auch andere Dinge, etwa die zeitlichen Abläufe und die Streuungswahrscheinlichkeiten. Zweite Erkenntnis: So routiniert wie Tamara Pröbster über ihre Forschung spricht, muss sie ihre Arbeit offensichtlich des Öfteren naturwissenschaftlichen Analphabeten erklären.


Graphen: Mit Klebeband zum Nobelpreis


Und was sind nun die Ergebnisse ihrer Arbeit? "Ich konnte zum Beispiel herausfinden, dass je länger die Laserimpulse sind, mit denen Graphen bestrahlt wird, desto mehr Elektronen werden thermisch emittiert." Damit konnte sie eine ihrer Hypothesen, die sie auch mittels einer aufwändigen Computersimulation berechnet hatte, empirisch bestätigen. Obwohl ihre Arbeit zwar primär Grundlagenforschung ist, könnten die Ergebnisse etwa für den Bau von Elektronenmikroskopen interessant sein, erklärt sie.

Für Naturwissenschaften und Zahlen hat die Hilpoltsteinerin, die derzeit die zwölfte Klasse des Gymnasiums besucht (Lieblingsfächer sind wenig überraschend Mathe und Physik, weniger beliebt sind Geschichte und Sozialkunde), schon lange ein Faible.

"In der dritten Klasse habe ich mein erstes Teleskop bekommen und mich sehr für Astronomie interessiert." Über die Mathematik sei sie dann zur Physik gekommen "An der Physik begeistert mich vor allem, dass wir die Welt elegant mit Mathematik beschreiben und genauer verstehen können. Wir können Vorhersagen treffen, wie sich Prozesse verhalten, und diese dann mathematisch formulieren und so direkt auf die Realität anwenden", erläutert sie ihre Faszination. "Ich fände eine Megatheorie, also eine, die die gesamte Welt in eine Formel packt, so wahnsinnig elegant, das will ich unbedingt noch erleben."

Begeisterter Professor

Diese Neugierde bringt sie auch auf ihr Graphen-Projekt. 2019 nimmt sie an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen am sogenannten Frühstudium für besonders begabte Schülerinnen und Schüler teil. In der Vorlesung von Professor Peter Hommelhoff hört sie das erste Mal von Graphen.

Weil sie es noch nicht kennt, wird sie neugierig, informiert sich weiter und fragt den Professor eines Tages kurzer Hand, ob sie an seinem Lehrstuhl dazu forschen dürfe. Zu ihrer Überraschung rennt sie bei ihm damit offene Türen ein und so kann sie die Labore des Lehrstuhls nutzen und einige Doktoranden stehen ihr mit Rat und Tat bei Fragen zur Seite.


Junge Forscher so erfolgreich wie noch nie


Beinahe zwei Jahre lang forscht sie an ihrem Projekt, fährt – außer im ersten Lockdown – fast jede Woche einmal nach Erlangen und erledigt den Rest von daheim aus. Alles neben der Schule und in ihrer Freizeit, wohlgemerkt. Trotzdem, darauf legt sie Wert, führe sie ein relativ normales Leben. "Forschen macht Spaß, aber ich verbringe nicht jede Minute damit." Zeit für Freunde und nicht zuletzt ihren Freund muss ja auch noch sein.

Nichtsdestotrotz weiß sie schon genau, wie es nach dem Abitur weitergehen soll. Sie will Physik studieren, wahrscheinlich in Erlangen. Dorthin habe sie schon Kontakte, die Uni einen guten Ruf und "es ist nah, aber nicht zu nah." Danach zu promovieren, in der Forschung zu arbeiten und irgendwann einmal eine eigene Professur zu bekommen – "das wäre cool, aber es muss sich mit meinen Lebensplanungen vereinbaren lassen."

Zwischen Abi und Studium wartet aber erstmal der Bundesentscheid von Jugend forscht, für den sie mit ihrem Sieg auf Landesebene qualifiziert ist.

Bliebe noch das "ultraschnell" aus dem Titel ihrer Projektarbeit zu klären. Wie schnell ist das denn? "Femtosekunden", sagt Pröbster, "Zehn hoch minus 15 Sekunden also." Dritte Erkenntnis: Eine Femtosekunde ist richtig richtig schnell, nämlich der millionste Teil einer milliardstel Sekunde.

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