TSV Roth: 99 Siege in sieben Landesliga-Jahren
2.4.2020, 09:27 UhrEin Auswärtssieg beim Tabellenfünften Amberg würde Spitzenreiter ASV Herzogenaurach, der tags darauf in Schwandorf antreten musste, unter Druck setzen. Rund 700 Rother Fußballanhänger stärkten dem TSV in der Oberpfalz den Rücken. Was auch dringend notwendig war. Zweimal nämlich gerieten die Rother vor insgesamt 5000 Zuschauern in Rückstand. Wolfgang Maderholz und Gerhard Manlik sorgten jeweils für den Gleichstand. Als in der 76. Minute nach einem weiten Abschlag von Torwart Herbert Reincke eine Co-Produktion der beiden Georgensgmünder Maderholz und Volkert zum Rother Siegtor führte, brachen alle Dämme.
Torschütze Fritz Volkert wurde nach dem Spiel von begeisterten Fans auf die Schultern genommen und vom Platz getragen. Tags darauf verlor der ASV Herzogenaurach in Schwandorf, was bedeutete, dass die Rother mit einem Punkt Vorsprung in die letzte Runde gingen. Heimgegner war die Kellerelf FC Maxhütte-Haidhof. In der Woche vor dem Saisonfinale stieg bei den TSV-Kickern neben der Anspannung auch die Nervosität. Die heimischen Fußballfreunde sprachen nur noch von der Bayernliga. Die Favoritenrolle im Fernduell mit dem ASV Herzogenaurach aber wurde für die Mannschaft mehr und mehr zur Bürde. Als der große Tag gekommen war, lagerten vor dem Spiel in der Umkleidekabine der TSVler bereits die Sektflaschen und Blumensträuße.
Maderholz und Co. legten los wie die Feuerwehr, ließen aber selbst dickste Chancen ungenutzt. Haidhof dagegen reichten zwei Konter (16., 18.), um mit zwei Toren den Spielverlauf auf den Kopf zu stellen. Als dann auch noch Torwart Herbert Reincke, in der Regel ein traumhaft sicherer Elfmeterschütze, das Leder vom Punkt aus gegen das Lattenkreuz hämmerte, wurde der haushohe Favorit zusehends nervöser. Selbst das Anschlusstor von Wolfgang Maderholz nach 51 Minuten reichte nicht, um die Verkrampfung zu lösen. Es blieb beim 1:2 und damit bei der wohl bittersten Niederlage in einer ansonsten glanzvollen TSV-Ära.
Roths damaliger Bürgermeister Friedrich Wambsganz, der sich wie rund 3000 Zuschauer auf eine zünftige Meisterfeier gefreut hatte, musste Blumenstrauß und den gravierten Zinnteller ("Herzlichen Glückwunsch zur Landesliga-Meisterschaft") wieder mit nach Hause nehmen. Aufstieg gefeiert wurde beim ASV Herzogenaurach.
Im "Goldenen Schwan", dem Vereinslokal des TSV Roth, versuchten am Abend die Spieler das schier Unbegreifliche zu begreifen. Von bislang 34 Landesliga-Heimspielen hatten die Rother gerade einmal drei verloren. Das 1:2 gegen Haidhof tat natürlich besonders weh. Kapitän Manlik und Torjäger Maderholz schlossen bei aller Trübsal einen Pakt: "In der neuen Saison steigen wir 100-prozentig auf." Gesagt, getan. Mit zehn Siegen in Folge stellte die Manlik-Truppe in der Landesliga Mitte einen Startrekord auf. "Wer will dieser Mannschaft den Titel streitig machen?", fragte sich zu diesem Zeitpunkt die Sport-Redaktion der Nürnberger Nachrichten. Die Antwort gab Neuling ASV Zirndorf, der dem Gast aus Roth am 11. Spieltag mit einem 3:1-Sieg die ersten Punkte abknöpfte. Diesen Ausrutscher steckten die Rother locker weg und blieben in der Landesliga Mitte eine ganze Saison lang das Maß aller Dinge.
Neben dem Startrekord von 20:0 Punkten schrieb die TSV-Elf ein zweites Mal Landesliga-Geschichte, als im Spitzenspiel gegen den Rangzweiten aus Schwandorf ein 7:1-Heimerfolg gelang. So eindeutig war in der vierthöchsten Klasse noch kein Spiel "Erster gegen Zweiter" ausgegangen. Torjäger Wolfgang Maderholz allein schlug fünf Mal zu.
Damals wurden noch Zuschauerzahlen verzeichnet, von denen heute selbst im gehobenen Amateurfußball nur geträumt werden kann. In Zwiesel beispielsweise lockte der TSV in der Saison 1971/72 nicht weniger als 4 120 Zuschauer an. Das Rückspiel in Roth, das mit einem 4:3-Sieg von Manlik und Co. endete, sahen immerhin 2500 Besucher.
Die Stehränge der legendären Anlage am Schleifweg waren nicht nur bei Spitzenspielen, sondern bei jedem Heimspiel gut gefüllt. Die Atmosphäre hätte nicht besser sein können. Schließlich dominierte Roth die Landesliga Mitte in beeindruckender Weise. Dass am letzten Spieltag der dritten Rother Saison in der Landesliga der Heimgegner wiederum Maxhütte Haidhof hieß, war diesmal ohne jeden Belang. Einen Spieltag zuvor hatte der TSV Roth mit einem 5:0 in Stein die Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Bayernliga als größten Erfolg seiner Vereinsgeschichte perfekt gemacht und Amberg (2.) sowie Straubing (3.) das Nachsehen gegeben.
Ein unglückliches 1:3
Als sich Spieler und Funktionäre des TSV im Steiner Waldstadion zum Meisterschaftsfoto aufstellten, wurden sie von einigen hundert Rother Schlachtenbummlern gebührend gefeiert. Spielleiter Karl Wechsler galt als "Architekt" der besten Rother Fußballmannschaft bis zum heutigen Tag. Trainer Kurt Kirschbaum und Co-Trainer Christian Schmidt war es gelungen, eine enorm spiel- und kampfstarke Einheit zu formen.
Angeführt von Kapitän Gerhard Manlik reihten sich die beiden Keeper Herbert Reincke und Manfred Barthel sowie die Feldspieler Bernhard Johanterwage, Gerhard Regnet, Benno Wenzl, Manfred Reincke, Fritz Volkert, Gerhard Wieland, Kurt Weitzel, Klaus Pfister, Ernst Kühnlein, Helmut Pellessier, Kurt Löffert, Wolfgang Maderholz und Siegfried Kummerer zum Meisterschaftsfoto.
In der Bayernliga, der damals dritthöchsten Spielklasse, zeigte Fortuna dem Aufsteiger aus Mittelfranken relativ oft die kalte Schulter. Schon das mit großer Spannung erwartete Auftaktspiel gegen die SpVgg Erlangen-Büchenbach ging relativ unglücklich mit 1:3 verloren. Danach verzeichnete der TSV zwar einige schöne Heimerfolge, wie das spektakuläre 7:2 gegen den FC Bayreuth und die hart erkämpften Siege gegen Fürstenfeldbruck, Coburg, Kickers Würzburg und Vohenstrauß, musste aber auch reichlich Lehrgeld bezahlen. In 17 Auswärtsspielen gelangen nur zwei Doppelpunktgewinne (Büchenbach-Erlangen und Vohenstrauß). Ein Trainerwechsel (Peter Jendrosch nach der Winterpause für Kurt Kirschbaum) sorgte mit 7:3 Punkten aus fünf Spielen zwischendurch zwar für neue Euphorie, doch reichliches Verletzungspech warf den TSV, der bei einem vergleichsweise kleinen Kader Ausfälle nur unzureichend kompensieren konnte, wieder aus der Bahn. Vor allem der Ausfall von Torwart-Routinier Herbert Reincke wog schwer. Am Ende der Saison zählte Neuling TSV Roth zu den vier Absteigern. Den Meistertitel hatte sich der in Roth durch ein höchst umstrittenes Elfmetertor glücklich mit 1:0 siegreiche ASV Herzogenaurach gesichert.
Der erste Abstieg in der jüngeren Vereinsgeschichte brachte für den TSV Roth, der damals schon eine vorbildliche Nachwuchsarbeit betrieb, einen gewissen personellen Umbruch. Den aber verkraftete der Vorzeigeverein im neu geschaffenen Landkreis Roth dank talentierter Eigengewächse relativ gut. Zudem wechselte mit Dieter Lieberwirth ein torgefährlicher Mittelfeldspieler vom ESV Rangierbahnhof zum TSV, der sich am Schleifweg schnell zu einem der Leistungsträger entwickelte. Die Zuschauer liebten das trickreiche Spiel des damals 21-Jährigen. Allerdings konnte auch Dieter "Jogi" Lieberwirth nicht verhindern, dass der TSV im ersten Jahr nach seinem Ausflug in die Bayernliga meist mit dem Rücken zur Wand stand.
Als Spielertrainer hatten die Rother den Nürnberger 61er-Meisterspieler Gustav "Gustl" Flachenecker verpflichtet. Der damals 44-Jährige bestritt freilich nur fünf Pflichtspiele. Als Übergangstrainer sprang Gerhard Manlik, der gleichzeitig die A-Jugend coachte, in die Bresche. Mit Trainer Ahles als drittem Coach in dieser bewegten Saison erwischten die Rother doch noch die Kurve.
Sprungbrett für Lieberwirth
Für "Jogi" Lieberwirth bedeutete das Jahr in Roth das Sprungbrett in den bezahlten Fußball beziehungsweise zum 1. FC Nürnberg. In 13 Jahren als Fußball-Profi trug Lieberwirth 300 Mal das Trikot des Clubs und erzielte dabei 42 Tore.
Der TSV Roth musste im Jahr nach Gustl Flachenecker und Dieter Lieberwirth in der Landesliga trotz einer starken Startphase erneut um den Klassenverbleib bangen. Die Entscheidung fiel am letzten Spieltag. Mit einem in der Nachspielzeit errungenen 2:1-Sieg in Forchheim zogen die Rother im letzten Augenblick den Kopf aus der Schlinge. Eine Saison später (1977/1978) mussten die Rother erneut bis zum letzten Spieltag um den Ligaverbleib zittern. Diesmal verhinderte ein 5:1-Heimsieg gegen Vohenstrauß den Sturz in die Bezirksliga.
Ein Jahr später war es aber dann doch soweit. Am 3. Juni 1978 bestritt der TSV Roth sein vorläufig letztes von insgesamt 238 Spielen in der Landesliga Mitte. Sieben Jahre hatte er in der damals vierthöchsten Spielklasse seine Kreise gezogen. Als Neuling belegte der TSV in der Saison 1970/1971 einen hervorragenden dritten Platz (punktgleich mit Schwandorf), um eine Runde später im letzten Saisonspiel den greifbar nahen Meistertitel an den ASV Herzogenaurach zu verschenken. In der Saison 1972/1973 holten die Mannen um Kapitän Gerhard Manlik, wie eingangs geschildert, Versäumtes nach. Und zwar höchst eindrucksvoll: Bester Angriff (79 Tore), stärkste Abwehr (nur 32 Gegentore in 34 Spielen) und Meister mit drei Punkten Vorsprung vor dem FC Amberg sowie neun Zähler vor dem Rangdritten TSV Straubing. Auf Rang vier folgte Jahn Forchheim, jener Bezirks-Rivale, bei dem die Rother in sechs gemeinsamen Landesliga-Jahren auch sechsmal die Punkte entführten. Im Herbst 1976 sogar nach einem 0:3-Rückstand bis zur 78. Minute. Die ansonsten so heimstarken Forchheimer verstanden nach vier Gegentoren in den letzten zwölf Minuten die Fußball-Welt nicht mehr. Die Rother Spieler und Trainer Jürgen Wellert aber lagen sich in den Armen.
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Dass der TSV Roth nach dem Bayernliga-Abstieg auch in der Landesliga wiederholt mit dem Rücken zur Wand stand, hatte kaum Auswirkungen auf die Treue seines Publikums. Spannend nämlich waren die Spiele allemal. Als 1977/1978 gleich sechs Vereine den Weg nach unten antreten mussten, erwischte es auch den TSV. Zusammen mit Zwiesel, Landshut (der "Nummer eins" der ewigen Tabelle der Landesliga Mitte), Dingolfing, der SpVgg Jahn Forchheim (auf Rang drei der ewigen Tabelle) und dem ESV Regensburg.
Unter dem Strich von sieben Landesliga-Jahren des TSV Roth aber steht mit 99 Siegen (bei 58 Unentschieden und 81 Niederlagen) eine positive Bilanz. Auch was das Torverhältnis betrifft: In 238 Landesligaspielen hatten die Kicker vom Schleifweg 383 mal ins Schwarze getroffen, aber nur 368 Gegentreffer kassiert.
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