Söder im Interview: "Wir spüren alle den Klimawandel"

6.8.2019, 08:45 Uhr

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder überrascht: Unter dem Eindruck des Artenschutz-Volksbegehrens und der Freitagsproteste für Klimaschutz vertritt der CSU-Vorsitzende teils recht grüne Positionen. Im Interview mit den Nürnberger Nachrichten erklärt der 52-Jährige, der 2007 schon einmal den Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor gefordert hatte, diesen Wandel.

Herr Söder, geht Ihre Rechnung auf: mehr Grün, mehr Beliebtheit?

Markus Söder: Es kommt nicht auf Beliebtheit an, sondern auf die Frage, was wir leisten können, um die internationale Herausforderung Klimaschutz zu bewältigen. Deswegen ist die Frage von Ökologie keine parteipolitische, sondern eine ethische und gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wollen Sie die Bewegung der "fridays for future" freundlich übernehmen? Sie haben sich mit deren Vertretern getroffen.

Söder: Für mich gehört zu einer dialogorientierten Politik, dass man Argumente anhört und es ernst nimmt, wenn sich Menschen engagieren. Es waren spannende Gespräche mit jungen Leuten, die ein großes Wissen haben. Das haben wir schon beim Artenschutz so gemacht. Hier haben wir den Impuls von zwei Millionen Menschen nicht einfach ignoriert, sondern haben diesen aufgenommen und das wahrscheinlich deutschlandweit modernste Konzept für Agrarökologie auf den Weg gebracht. Andere überlegen nun, uns zu folgen.

Ähnlich ist das in der Klimadebatte. Wir müssen die Sorgen der Menschen aufnehmen und versuchen, daraus ein politisches Konzept zu machen. Die Schwierigkeit ist, die goldene Mitte zu finden – zwischen Klima-Ignoranten wie der AfD und denen, die so tun, in zehn Jahren geht die Welt unter. Beides ist falsch. Die entscheidende Aufgabe ist es Klimaschutz und wirtschaftliche Konjunktur so zusammenzubringen, dass sich die Gesellschaft nicht spaltet, sondern wir einen breiten Konsens erzielen. Klimaschutz soll auch funktionieren, wenn es wirtschaftlich schwieriger wird.


Kommentar: Markus Söder, der Klimaretter


Nicht nur für die städtischen Eliten

Aber für manche in Ihrer Partei ist Greta Thunberg so eine Art "Gott sei bei uns". Wie kommt da ein Treffen des Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden mit Aktivisten von "fridays for future" an?

Söder: Es geht ja nicht um Anbiederung oder Kumpanei, sondern um Dialog und Respekt. Ich treffe mich mit unterschiedlichen Gruppen und höre zu. Es kommen bei jedem Gespräch neue Argumente. Wir spüren doch alle den Klimawandel und müssen allein um unsere Heimat zu Bewahren mehr tun. Wichtig ist, dass Klimaschutz nicht nur für die städtischen Eliten da ist. Wir müssen an sozial Schwächere und den ländlichen Raum mit seinen Pendlern denken.

 

Die Glaubwürdigkeit Ihrer grünen Wandlung wird Ihnen von vielen Bürgern in aktuellen Umfragen abgesprochen.

Söder: Umfragen sind immer nur Momentaufnahmen. Aber ich war schon Umweltminister in Bayern. Gerade in dieser Zeit habe ich für die Umwelt einiges vorangebracht: Gentechnikfreies Bayern, den sanften Donauausbau oder den Wöhrder See in Nürnberg. Sind wir doch mal ehrlich: Vor einem halben Jahr haben die Grünen die Aufnahme des Klimaschutzes in die Bayerische Verfassung sogar noch abgelehnt. Ich glaube an die Idee eines Jahrhundertvertrages beim Klimaschutz. Der Klimawandel wird diese Erde noch betreffen, da gibt es die Grünen vielleicht gar nicht mehr. Das ist keine parteipolitische Aufgabe, sondern eine staatspolitische Herausforderung.

Wir kam es zu dem Wandel, das Thema derart stark zu besetzen?

Söder: Ich lese seit längerem wissenschaftliche Berichte zum Klimawandel - vor allem internationale. Wenn man Schlagzeilen liest wie "Sibirien speit Methan", dann wird einem die Dramatik klar. Ich habe für mich in meinem Amt als Ministerpräsident eine Grundphilosophie definiert: Wenn man objektiv weiß, dass sich etwas verändern wird, und nur aus Ängstlichkeit oder Mutlosigkeit untätig bleibt, begeht man eine politische Sünde. Ich denke da nicht an politische Opportunitäten, sondern an die Pflicht für die Zukunft und die nächste Generation die Weichen richtig zu stellen.

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