Kopflose Skelette in Weißenburg: Waren es Bauarbeiter?
6.11.2016, 15:56 UhrDer Fund der beiden Skelette bei Bauarbeiten zwischen Holzgasse und Augsburger Straße im April dieses Jahres war aufsehenerregend. Schon deswegen, weil zunächst die Kriminalpolizei anrückte, um die Skelette zur Untersuchung nach Nürnberg zu bringen. Ein Mord schien nicht ausgeschlossen. Und das ist er im Grunde immer noch nicht, aber die Kripo will von dem Fall trotzdem nichts mehr wissen. Das hat allerdings gute Gründe, denn – auch wenn Mord niemals verjährt – Straftaten aus Mittelalter oder Antike verfolgt die moderne Polizei dann doch nicht mehr.
Und es stellte sich bei der Untersuchung des Skeletts bald heraus, dass es sich hier eher um einen archäologischen denn um einen kriminalistischen Fall handelte. Die Stadt Weißenburg beauftragte folgerichtig das vor Ort ansässige Grabungsbüro ADA, das bei der Untersuchung der Baustelle gleich noch ein zweites Skelett fand. Beide Körper waren ursprünglich zusammen in einer Grabgrube bestattet worden, beiden Skeletten fehlte der Schädel.
"Die sind vermutlich bei früheren Bauarbeiten verschwunden"
Eigenwillig war aber auch der Fundort am sogenannten Grünen Kranz. Es gab keine Hypothese, warum hier jemand hätte begraben werden sollen. An der Stelle gab es laut den historischen Quellen bis zur Neuzeit keine Bebauung. Die nahe Kirche ist zu jung für die Skelette und hat außerdem keinen Friedhof. Das frühere Siechenhaus in der Augsburger Straße ist zu weit entfernt, und für in Notzeiten achtlos entsorgte Opfer von Krankheit, Krieg oder Überfall ist man zu nah an den Stadtmauern.
Inzwischen ist sich Archäologin Andrea Wettinger zumindest relativ sicher, was die Schädel der beiden Skelette betrifft. "Die sind vermutlich bei früheren Bauarbeiten verschwunden", stellt sie im Gespräch mit unserer Zeitung fest. Zunächst ging man davon aus, dass es sich bei beiden Leichen um Geköpfte handeln könnte, was die Geschichte noch mysteriöser machte. Inzwischen konnten die Archäologen nachweisen, dass die Skelette bereits mehrfach entdeckt worden sein müssen. Etwa bei der Verlegung eines älteren Kabelstrangs, der die Unterschenkel der Skelette gekappt hatte und wohl auch bei der letzten Umgestaltung der Grünanlage 1968.
Viele Fragen sind noch offen
Bei dieser Gelegenheit entschied man sich offenbar für eine unbürokratische Lösung und machte kein großes Aufheben um die Sache. Möglicherweise sackte damals aber auch ein historisch interessierter oder okkultisch veranlagter Bauarbeiter die beiden Schädel ein, die vielleicht bis heute in irgendeinem Keller liegen.
Am spannendsten bleibt die Frage, aus welcher Zeit die Skelette stammen. Eine sichere Datierung ist unmöglich, weil die zahlreichen Baustellen das Erdreich durcheinandergewirbelt haben und keine direkten Grabbeigaben gefunden wurden. Zwar fanden sich bei den Grabungen in unmittelbarer Nähe zu den Knochen etwa eine Spindel aus dem Spätmittelalter, allerdings könnten die wie auch andere Funde mit einer späteren Verfüllung in die Baugrube gekommen sein.
Waren es Römer?
Andrea Wettinger hält jedoch den Zusammenhang mit einer römischen Villa Rustica auf der anderen Seite der heutigen Augsburger Straße für die wahrscheinlichste Lösung des Rätsels. Das wäre bemerkenswert, weil in Weißenburg bisher zwar allerlei Steine und Objekte aus römischer Zeit auftauchten, aber kaum Hinweise auf die Römer selbst.
Endgültig klären könnte wohl nur eine anthropologische Untersuchung das Rätsel um die Skelette. "Da könnte man dann feststellen, welches Geschlecht sie hatten, welche Krankheiten, wie alt sie waren und natürlich auch wann sie gelebt haben", erzählt Wettinger. Entscheiden muss darüber das Landesamt für Denkmalpflege, in dessen Außenstelle die Skelette derzeit lagern.
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