Ministerium genehmigt Schulstreiks durch die Hintertür

10.02.2021, 10:03 Uhr
Ministerium genehmigt Schulstreiks durch die Hintertür

© SMV FOSBOS Weißenburg

Im Zuge des Weißenburger Schulstreiks an der FOSBOS (wir berichteten) bestätigte das Kultusministerium die neue Regelung auf Anfrage unserer Zeitung. Nun könnten sich Schüler aus ganz Bayern auf die neue Regel berufen und den Präsenzunterricht verweigern.
Der eigentliche Aufreger findet sich im vorletzten Satz der Stellungnahme des Kultusministeriums.

Schüler können auch wegen einer „aufgrund der Pandemie individuell empfundenen Gefährdungslage“ einen Antrag auf Beurlaubung von Präsenzphasen stellen, teilte ein Sprecher des Kultusministeriums auf Anfrage unserer Zeitung mit. Das heißt: im Grunde darf jeder Schüler selbst entscheiden, wie er die Lage einschätzt und ob er persönlich Präsenzunterricht für angemessen hält. Einen Antrag auf Befreiung wird man schwer ablehnen können. Wie will man jemandem absprechen, wie er sich „individuell fühlt“?

Große Erleichterung

Für die Schüler der Abschlussklassen der FOSBOS, die am Montag in großen Teilen den Präsenzunterricht verweigert und sich ins Homeschooling zurückgezogen hatten, bedeutet das eine große Erleichterung. Der Schulstreik drohte aufgrund der speziellen Prüfungsordnung der FOSBOS schnell existenziell zu werden.

Im Raum stand die Frage, ob die Schüler mit ihrem Rückzug ins Homeschooling unentschuldigt im Unterricht fehlen. Schulleiter Klaus Drotziger hatte diese Möglichkeit angedeutet und darauf hingewiesen, dass mit fünf unentschuldigten Fehltagen die Zulassung für die Abiturprüfung nicht erteilt werden könne. Damit stand enormes Drohpotenzial im Raum. Die neue Regelung nimmt Druck aus dem Kessel, dürfte aber bayernweit bei Schülern mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden.

Die Schulleiter entscheiden

Denn die Frage ist, für wen und unter welchen Voraussetzungen sie eigentlich gilt. „In Abstimmung mit dem Staatsministerium wurde für diese Schülerinnen und Schüler eine Regelung getroffen, mit der die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus als Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben vom Präsenzunterricht anerkannt wurde“, hieß es konkret zu dem Weißenburger Fall. Allerdings ist die Möglichkeit einer solchen „individuellen Entschuldigung“ bereits am Donnerstag vergangener Woche per kultusminsteriellem Schreiben den Schulen mitgeteilt worden. Auch streikenden Schülern in Nürnberg soll sie eingeräumt worden sein. Die Entscheidung über die Anträge müssten die Schulleiter vor Ort treffen, hieß es vom Kultusministerium.


Die Nürnberger Schüler begannen mit dem Streik


Die Weißenburger SMV wollte gestern Vormittag auf Anfrage unserer Zeitung zunächst keine Stellung zu dem Kompromiss nehmen und verwies auf eine spätere Pressemitteilung. Aus Schülerkreisen war allerdings zu hören, dass man mit dem Kompromiss sehr zufrieden ist.
Die SMV hatte zum Streik aufgerufen, weil man zum einen Bedenken hat, mit dem Präsenzunterricht die eigene Gesundheit und die der Familienmitglieder zu Hause zu gefährden. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum in ganz Bayern strenge Kontakteinschränkungen gelten, man sich in der Schule aber treffen müsse, so die SMV.

Online-Unterricht funktioniert besser

Zum anderen kritisierte man auch den in Bayern derzeit gültigen Wechselunterricht in den Abschlussklassen. Dabei wird an der FOSBOS in Weißenburg eine Hälfte der Klasse vor Ort unterrichtet, während die andere Hälfte der Klasse zu Hause vor einen Livestream des Unterrichts sitzt. Möglichkeiten, am Unterricht aktiv teilzunehmen, gibt es für den Teil der Klasse im Homeschooling nicht. Die Schüler empfanden das als Verschlechterung gegenüber dem bisherigen reinen Online-Unterricht, der in virtuellen Klassenzimmern abgehalten wurde und an dem alle aktiv teilnehmen konnten.

Unklar ist einstweilen, wie viele der rund 280 Abschlussschüler der FOSBOS die neue Möglichkeit zur Befreiung von der Präsenz nun nutzen werden. Die SMV hatte am Montag darauf hingewiesen, dass man den Streik in der nächsten Woche aussetzen wolle, weil dann Prüfungen anstehen, die nur in Präsenz absolviert werden können. Danach aber will man offensichtlich wieder ins „Homeoffice“ zurückkehren.

 JAN STEPHAN