Wende: Drogenbeauftragte Mortler will mehr Methadon ausgeben
15.5.2019, 12:55 UhrMit scharfen Worten hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), zur flächendeckenden Versorgung von Heroinabhängigen mit Ersatzstoffen, der Substitution, aufgerufen. Noch immer gibt es etwa in Bayern weite Landstreiche, in denen keinerlei Substitution angeboten wird. Dazu komme "dringender Handlungsbedarf", weil etliche Substitutionsmediziner kurz vor dem Ruhestandalter stünden.
In einer Rede bei einem Parlamentarischen Abend in Berlin mit Vertretern der Pharma-Industrie nannte die langjährige Bundestagsabgeordnete explizit nicht ihre bayerische Heimat und die dort übliche, repressive Politik gegenüber Heroinabhängigen. Allerdings verwies sie auf den aktuellen Bericht des Bundesinstituts für Arzneimittel, das jährlich ein Substitutionsregister herausgibt. Dort geht aus Karten eindeutig hervor, dass im Freistaat in etlichen Landkreisen keinerlei Substitution angeboten wird. Noch dramatischer ist die Lage allerdings in den ostdeutschen Bundesländern.
235 Tote in Bayern
Überdosierung von Heroin sei weiter die häufigste Todesursache bei illegalem Drogenkonsum. Deutschlandweit starben 2018 wegen des Konsums von Opioiden 629 Menschen, 235 Todesfälle waren es allein Bayern. Mortler rief auch dazu auf, Drogenkonsumenten in Haft verstärkt Hilfen zu gewähren. Gefangene seien besonders gefährdet. Offiziell gibt es in den Haftanstalten keine Drogen, also regiert dort ein Schwarzmarkt, auf den Abhängige angewiesen sind. Substitution, etwa mit Methadon, ist für die Politikerin ein wirksamer Schutz gegen Beschaffungskriminalität und gegen Infektionen. Ganz offiziell wirbt Mortler auch für die Ausgabe von Spritzen: "Ich wünsche mir auch, dass gebrauchte Konsumutensilien in Haftanstalten gegen sterile neue ausgetauscht werden können."
Einen Schwachpunkt erkennt die Politikerin bei der Haftentlassung von substituierten Patienten. Hier müsse ein "nahtloser Übergang von einem Kostenträger zum anderen" erfolgen, damit es nicht unmittelbar nach der Entlassung zu Todesfällen kommt. Während der Haft ruht nämlich die Mitgliedschaft in den gesetzlichen Kassen, sie muss mit der Entlassung reaktiviert werden.
Mit Vertretern der Landesjustizministerien und der Krankenkassen will sie in den kommenden Wochen die Probleme rund um Drogen und Haft besprechen und sie für das Thema sensibilisieren. Selber, so betont Mortler, könne sie als Drogenbeauftragte der Bundesregierung "an keiner Stelle den Hebel umlegen".
"Unmenschliche Behandlung"
Allerdings ist nicht neu, dass in Bayern die Versorgung mit Methadon besonders in den Gefängnissen nur unzureichend ist. Eine "unmenschliche Behandlung" attestierte der Europäische Gerichtshof in Straßburg im Jahr 2016 der Justizvollzugsanstalt im schwäbischen Kaisheim. Ein Gericht hatte einem dort einsitzenden, heroinabhängigen Insassen jahrelang den Zugang zum Ersatzstoff Methadon verweigert.
Im Arbeitsstab der Drogenbeauftragten heißt es dazu, beim Thema Substitution hätten die unionsgeführten Bundesländer zuletzt stark aufgeholt.
Marlene Mortler, seit 2002 im Bundestag, ist seit fünf Jahren Drogenbeauftragte. Aktuell bewirbt sie sich um ein Mandat im Europaparlament.
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