Wissenschaftlerin kritisiert Söders FFP2-Masken-Regelung
25.1.2021, 13:08 Uhr"Das müssen Sie Herrn Söder fragen", antwortete Protzer kurz und knapp. Frage und Antwort waren nicht ohne politische Brisanz. Gestellt wurde die Frage von der Gynäkologin Marion Kiechle, die 2018 für kurze sieben Monate Wissenschaftsministerin im Kabinett des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) war.
Beantwortet wurde sie von der Lehrstuhlinhaberin für Virologie an der Technischen Universität München. Ulrike Protzer ist aber auch eines von zwei Mitgliedern im Expertenrat der bayerischen Staatsregierung zur Corona-Krise. Im April vergangenen Jahres wurde dieser Rat in einer Pressekonferenz von Söder aus der Taufe gehoben. Mit Protzer soll auch der Leiter des Tropeninstituts an der Ludwig-Maximilians-Universität München Michael Hölscher die Söder-Regierung in wissenschaftlichen Fragen zur Corona-Pandemie beraten.
Zur Einführung der FFP2-Maskenpflicht in Bayern hat Protzer mit Sicherheit nicht geraten. Der bisher schon überwiegend verwendete medizinische Mund-Nasen-Schutz tue es "genauso", sagte Protzer in der "Covid-19 Lecture". Diese seien darüber hinaus nach dem Medizinproduktegesetz kontrolliert, FFP2-Masken hingegen nicht. Tatsächlich hatte unter anderem das ZDF-Magazin "Wiso" herausgefunden, dass Ende vergangenen Jahres in Deutschland noch etwa vier Milliarden minderwertige FFP2-Masken chinesischer Herkunft in Deutschland in Umlauf seien, die auch noch völlig legal verkauft werden dürften.
"Da kann man für viel Geld ziemlichen Schrott kaufen", sagte Virologin Protzer und meinte damit den FFP2-Masken-Markt. "Schrott" sind zum Beispiel Masken, die schlicht und einfach so große Löcher aufweisen, dass Tröpfchen und Aerosole mehr oder weniger freie Bahn haben.
Wissenschaftler aus den USA, Frankreich, Italien und Österreich haben die verschiedenen Mund-Nasen-Bedeckungen unter die Lupe genommen und festgestellt, dass richtig angelegte und qualitativ einwandfreie FFP2-Masken zwar kaum Tröpfchen und Aerosole in der Größenordnung von 0,1 bis zehn Mikrometer (ein Mikrometer ist ein tausendstel Millimeter) durchlassen, "Surgical" und "Procedure Masks" aber nicht viel schlechter sind.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine frühere Laborstudie an Dummies, über die das "Ärzteblatt" berichtete. In einer Testserie wurden Viren von einer chirurgischen oder medizinischen Gesichtsmaske zu 94,5 Prozent zurück gehalten. "Der Unterschied zur N95-Atemschutzmaske, die 99,8 Prozent der Viren zurück hielt, war nicht sehr groß", so das Blatt. Beide Maskenarten hielten weniger als 70 Prozent der Viren zurück, wenn sie nur "locker" angelegt wurden.
Voll berechtigt ist es hingegen, Stoffmasken, Schals oder selbstgebastelten Mundschutz zu verbannen, wie die jüngere Untersuchung zeigt. Gerade im wichtigen Größenbereich zwischen 0,1 und einem Mikrometer hindert ein solcher Schutz so gut wie kein Virus an seinem Fortkommen. Das gilt übrigens auch für FFP2-Masken mit einem Ventil.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Kommentar der Expertenrätin Protzer werfen ein schiefes Licht auf die vor zwei Wochen überraschend angekündigte FFP2-Maskenpflicht in Bayern.
Der kurze Zeitraum zwischen Ankündigung und Vollzug hatte die Preise für eine FFP2-Maske auf bis zu acht Euro je Stück hochschnellen lassen. Immer noch sind diese Masken in Apotheken kaum unter einem Euro zu haben während man für das gleiche Geld mehrere medizinische Masken erhalten kann.
Zudem lässt der Tragekomfort der FFP2-Masken, wenn vorschriftsmäßig angelegt, zu wünschen übrig. Viele Träger klagen über Atemschwierigkeiten hinter der FFP2-Maske. In anderen Bundesländern hat man die Maskenpflicht zwar auch verschärft, aber medizinische Masken als ausreichend erachtet.
In einer früheren Version des Artikels lautete die Überschrift "Wissenschaftler widerlegen Mehrwert von FFP2-Masken". Diese Überschrift war sachlich nicht richtig, wir bitten dies zu entschuldigen.
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