Wieso er unverzichtbar ist

Abgang schon im Winter? Wie ein Wechsel dieses Leistungsträgers den Club schwächen würde

Erik Thieme

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7.1.2025, 19:59 Uhr
Ohne Jens Castrop lässt Klose nur spielen, wenn er keine andere Wahl hat.

© IMAGO/Sportfoto Zink Ohne Jens Castrop lässt Klose nur spielen, wenn er keine andere Wahl hat.

Als Jens Castrop im Januar 2022 nach Nürnberg wechselte, stand das Datum des Abschieds eigentlich schon fest. Nach Leihende im Sommer sollte das junge Mittelfeldtalent nach Köln zurückkehren. Doch entgegen der Erwartungen und trotz seiner Transfersperre entschied sich der "Effezeh" dazu, Castrop nicht zurückzuholen.

Für den FCN haben sich die investierten 450.000 Euro Ablöse seitdem mehr als bezahlt gemacht. In der vergangenen Saison entwickelte Castrop sich zum Stammspieler, in der aktuellen Spielzeit zum Leistungsträger. Die Doppelsechs aus Jens Castrop und Caspar Jander ist gesetzt, doch das Traumduo hat ein Ablaufdatum.

Seit seiner Ankunft ist Castrops Marktwert deutlich nach oben korrigiert worden, aus den anfänglichen 200.000 Euro sind "transfermarkt.de" zufolge mittlerweile drei Millionen Euro geworden. Das liegt zum einen an den überzeugenden Leistungen des immer noch nur 21-Jährigen, hat aber auch mit dem Interesse anderer Clubs zu tun. Seit Wochen ranken sich Gerüchte um einen Abgang des Mittelfeldspielers, der nach eigener Aussage gerne einmal in der Premier League oder sogar in der Champions League auflaufen würde. Auf "transfermarkt.de" werden aktuell Werder Bremen und Union Berlin als Interessenten genannt.

Gegenüber dem "Kicker" erklärte Sportvorstand Joti Chatzialexiou kürzlich, Castrop bleibe "definitiv" bis zum Sommer in Nürnberg. Der Spieler selbst verzichtete auf ein Treuebekenntnis, deutete jedoch an, dass gerade kein konkretes Angebot vorliege. Dass der Club mit Castrop in die Rückrunde geht, steht also noch nicht fest. Sollte ein finanzstarker und sportlich attraktiver Bundesliga- oder gar Premier League-Club bereits im Winter anklopfen, wird sich der Deutsch-Südkoreaner wohl mit einem Abgang auseinandersetzen. Und damit zwangsläufig auch der 1. FC Nürnberg. Doch wie sehr würde ein winterlicher Abgang den FCN überhaupt schwächen?

Aggressivität und Offensivdrang

In dieser Saison bestritt Jens Castrop 15 Ligaspiele für Nürnberg, allesamt in der Startelf. Er fehlte lediglich verletzt gegen Kaiserslautern und gelbgesperrt gegen Preußen Münster. Dass der Sechser schon in den ersten sieben Spielen fünf gelbe Karten sammelte, kann man ihm durchaus ankreiden. In zwei vollen Saisons kam Castrop auf insgesamt 14 gelbe Karten, zwei gelb-rote Karten und zwei glatte Platzverweise. Das liegt an der aggressiven Spielweise des 21-jährigen, der sich für keinen Zweikampf zu schade ist. Der einzige Club-Spieler, der mehr foulte und mehr Zweikämpfe für sich gewinnen konnte, ist Caspar Jander, sein Partner auf der Sechs.

Doch seit seiner Gelbsperre hat Castrop nur zwei weitere gelbe Karten gesammelt. Für einen defensiven Mittelfeldspieler ist das völlig in Ordnung, obendrein machen ihn weniger Karten und dementsprechend weniger Sperren auch attraktiver für andere Vereine. Castrop steht in Nürnberg aber für deutlich mehr als nur Aggressivität gegen den Ball.

Kein anderer FCN-Profi sprintete in dieser Saison häufiger als Castrop (316 Sprints), trotz der zwei verpassten Spiele. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 34,6 km/h zählt er zwar nicht zu den Schnellsten der Liga, muss sich auf seiner Position aber auch vor niemandem verstecken. Generell ist sein Spiel sehr körperlich, auch bei den intensiven Läufen ist er einer der besten Nürnberger - hinter Caspar Jander, versteht sich.

Für einen Sechser hat er außerdem ein gutes Stellungsspiel, ist auch auf anderen Positionen einsetzbar und hat einen nicht zu übersehenden Offensivdrang. Kaum ein Mittelfeldspieler aus der zweiten Bundesliga hat mehr Ballberührungen im gegnerischen Strafraum, auch bei den Offensivzweikämpfen ist er besser als 90 Prozent der Liga.

Auch Castrop ist nicht perfekt

Natürlich hat der 21-Jährige auch Schwächen - die Kopfballschwäche lässt sich mit einer Körpergröße von 1,78 Metern nur bedingt verbessern. Hier zählt Castrop zu den unteren 15 Prozent der Liga. Gerade im Spielaufbau ist noch deutlich Luft nach oben. Das Kurzpassspiel beherrscht er zwar durchaus, werden die Distanzen aber länger, steigt auch die Fehlerquote.

Das größte Manko dürfte für aufmerksame Beobachter wohl mangelnde Disziplin sein. Castrop scheut sich nicht, auch mal etwas gröber in Duelle zu gehen und im Zweifel eine Verwarnung zu kassieren. Auch wenn er von sich selbst sagt, dass er die Karten alle bewusst in Kauf nimmt - zuletzt scheint er doch daran gearbeitet zu haben. In den vergangenen acht Spielen wurde der U21-Nationalspieler nur noch zweimal verwarnt, eine deutliche Verbesserung.

Bis auf die Kopfbälle kann Castrop an den restlichen Schwächen noch feilen. Auch aufgrund seines Alters, in dem man ihm noch den ein oder anderen Entwicklungsschritt zutrauen kann, ist Castrop für viele Vereine ein interessanter Kandidat. Beim Club würde er im Winter ein Loch in den Kader reißen, das nur schwer zu stopfen wäre. Mit Florian Flick und Rafael Lubach stünden zwei nominelle Alternativen bereit, die den Abgang voraussichtlich aber nicht auffangen könnten.

Flick, Lubach oder ein Neuzugang?

Mit Flick wäre das Mittelfeld bei Luftzweikämpfen sogar besser aufgestellt als mit Castrop. Blickt man auf die Vergangenheit, dürfte allerdings Lubach den Vorzug erhalten. Zwar konnte sich Flick vor Weihnachten nach langer Zeit über etwas mehr Einsatzminuten freuen. Doch in den beiden Spielen, die Castrop in dieser Saison verpasste, rückte jeweils der 19-jährige Rafael Lubach in die Startformation. Der machte seine Sache auch ordentlich, für eine realistische Einschätzung fehlt es dem im Sommer aus Dortmund gekommenen Talent jedoch noch an Spielzeit. Eine weitere Option ist der ebenfalls im Sommer verpflichtete Michal Sevcik, der bisher gerade einmal auf fünf Prozent der möglichen Einsatzminuten kommt.

Dass Chatzialexiou und Co. im Winter einen direkten Ersatz verpflichten würden, ist unwahrscheinlich. Der Transfermarkt ist deutlich weniger ergiebig als im Sommer, was die Spieler teurer werden lässt. Außerdem ist der Kader selbst nach den Abgängen von Tim Handwerker, Joseph Hungbo und Kanji Okunuki mit 30 Spielern immer noch (zu) groß.

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