Nach der Entlassung
Coups, Flops und viel Geld: Eine Analyse zur Arbeit von Olaf Rebbe beim Club
12.02.2025, 13:47 Uhr![Olaf Rebbe ist nach fast vier Jahren nicht mehr Sportdirektor beim 1. FC Nürnberg. Olaf Rebbe ist nach fast vier Jahren nicht mehr Sportdirektor beim 1. FC Nürnberg.](https://images.nordbayern.de/image/contentid/policy:1.14577898:1739365128/31012025__Fussball__Saison_2024_2025__2.jpg?f=16%3A9&h=816&m=FIT&w=1680&$p$f$h$m$w=a4c6f86)
Die aktuelle Nummer 1 in Franken, wie sich der 1. FC Nürnberg seit dem 4:0-Derbysieg gegen das Kleeblatt rühmen darf, ist zugleich die aktuelle Nummer 2 in ganz Deutschland – zumindest in Sachen Transfers: Rund 40 Millionen Euro kassierte der Club in der jüngsten Wintertransferperiode. Nie verzeichnete ein Zweitligist derart rekordverdächtige Umsätze. Im deutschlandweiten Vergleich steht der 1. FC Nürnberg damit auf dem zweiten Platz hinter Eintracht Frankfurt, die durch den Verkauf von Omar Marmoush zu Manchester City 75 Millionen Euro Ablöse einnahmen. Im weltweiten Vergleich steht der Club laut Transfermarkt auf dem zwölften Rang.
Starke Zahlen für einen Verein, der seit Jahren nicht über das Tabellenmittelfeld der 2. Bundesliga hinauskommt und mitunter gar um den Klassenerhalt bangen musste. Dieser rekordverdächtige Umsatz sowie die insgesamt aufstrebende, vielversprechende Entwicklung des 1. FC Nürnberg wird insbesondere Olaf Rebbe zugesprochen: Der 46-Jährige verantwortete als Sportdirektor federführend den Lizenzbereich und das Scouting, stellte den Verein auf ein gutes sportliches wie finanzielles Fundament – und wurde nun dennoch entlassen. Im offiziellen Statement zur Trennung werden "unterschiedliche Auffassungen über die zukünftige Ausrichtung des 1. FC Nürnberg" als Grund angeführt. Die "Nürnberger Nachrichten" und die "Bild" nennen andere Faktoren, die mutmaßlich zu dieser überraschenden Entlassung geführt haben sollen: Demnach habe Rebbe, der sich ohnehin in seiner Arbeit seit Längerem nicht ausreichend gewürdigt gefühlt haben soll, in einem Wortgefecht mit einem Reporter die Berichterstattung über die abgelaufene Transferperiode kritisiert. Zudem sei der 46-Jährige zuletzt zunehmend selbstsicher, beinahe selbstherrlich aufgetreten. Nach dem 4:3-Auswärtserfolg beim 1. FC Magdeburg soll es zudem zu einer lautstarken Auseinandersetzung gekommen sein.
Wenngleich es sich dabei um keine bestätigten Vorkommnisse handelt, legt die Stoßrichtung dieser Gerüchte nahe, dass nicht fachliche, sondern zwischenmenschliche Gründe zur Entlassung geführt haben. Tatsächlich würden wohl ohnehin viele Beobachter die These vertreten, dass es an weichen Faktoren gelegen haben muss, nachdem Rebbe zuletzt sowohl in sportlicher als auch in finanzieller Hinsicht gute, in den Augen mancher Fans vielleicht sogar herausragende Arbeit geleistet hat.
Fehleinschätzungen und Stagnation: Rebbe übernahm einen katastrophalen Kader
Olaf Rebbe wurde Ende März 2021 als neuer Sportdirektor beim Club vorgestellt. Damals herrschte akute Abstiegsgefahr in Nürnberg, das Team von Cheftrainer Robert Klauß trennte nur wenige Zähler vom Relegationsplatz. Der damalige Kader galt als konzeptlos zusammengestellt, war auf manchen Positionen mit sehr ähnlichen Spielertypen überbesetzt und auf anderen Positionen fehlte Quantität und oftmals auch schlichtweg Qualität. Zudem befanden sich im Kader zahlreiche Spieler, die sich im deutschen Profifußball zwar bereits einen Namen gemacht hatten, ein entsprechend üppiges Gehalt einstrichen, aber den Erwartungen nicht ansatzweise gerecht wurden. Diesen aufgeblähten, teuren und unausgewogenen Kader, den seinerzeit noch Robert Palikuca zusammengestellt hatte, mistete Olaf Rebbe nach und nach aus, baute ihn Stück für Stück um. Zur Einordnung: Aus dem Kader der Saison 2020/21, an deren Ende Olaf Rebbe sein Amt am Valznerweiher antrat, gehören heutzutage nur noch zwei Spieler der Nürnberger Mannschaft an: Christian Mathenia und Enrico Valentini.
Danach folgte jährlich ein umfangreicher Umbruch, was aber (wenngleich von Jahr zu Jahr abnehmend) in erster Linie der Vorarbeit von Rebbes Vorgängern anzulasten war. Aber: Rebbe selbst machte es zunächst auch nicht wirklich besser – zumindest nicht in sportlicher Hinsicht. Der 46-Jährige setzte weiterhin auf die etablierte Strategie, die letztendlich beim chronisch ambitionierten 1. FC Nürnberg verankert schien, insbesondere namhafte Spieler zu verpflichten, die ihren Zenit bereits überschritten hatten oder ihre Leistungen in Franken nicht konstant abrufen konnten. So verpflichtete der Club um Sportdirektor Olaf Rebbe in der Saison 2021/22 etwa Konstantin Rausch oder Florian Hübner, in der Spielzeit 2022/23 unter anderem Christoph Daferner, Manuel Wintzheimer oder Danny Blum und im Folgejahr 2023/24 beispielsweise Sebastian Andersson. Alle waren keine Unbekannten im deutschen Spitzenfußball, alle enttäuschten.
Ein Indiz für die vielen schwachen, auch uninspiriert scheinende Transfers des 1. FC Nürnberg, dessen Geschicke zu dieser Zeit Olaf Rebbe und Mentor Dieter Hecking leiteten: Von all den Neuzugängen, die in der Ära Rebbe bis zur vergangenen Saison verpflichtet wurden, spielen heute nur noch zwei für den Club – nämlich Florian Flick und Jens Castrop. Manche, etwa Erik Wekesser oder Jan Gyamerah, blühen inzwischen bei anderen Vereinen auf. Manche versinken im sportlichen Niemandsland und konnten ihre Qualitäten auch bei diversen anderen Teams nicht nachweisen. Und manche, darunter Kwadwo Duah, der zum Schweizer Nationalspieler reifte, erlebten eine gute bis solide Zeit in Nürnberg oder bescherten dem Club zumindest gute Ablösen.
Hecking-Zeit: Kaum kreative Transfers, aber finanzielle Gewinne
Die verschiedenen Post-Nürnberg-Geschichten der von Rebbe verpflichteten Spielern zeigen, wo die Stärken und Probleme lagen: In finanzieller Hinsicht leistete Rebbe gute Arbeit, verhandelte für einige Spieler noch eine Ablöse, die trotz teils enttäuschender Zeit in Nürnberg über dem Einkaufswert lagen. Bereits vor dem spektakulären Wintertransferfenster erzielte der Rebbe-Club seit dem Amtsantritt des nun entlassenen Sportdirektors einen Transferüberschuss von satten 27,8 Millionen Euro. Das geht aus Zahlen des Portals "transfermarkt.de" hervor.
In sportlicher Hinsicht indes setzte der Club zu oft auf Spieler, die sich bereits auf dem absteigenden Ast befanden, aber aufgrund der Höhen ihrer Karriere teure Gehälter beanspruchten. Entsprechend stiegen die Personalkosten im Lizenz- und Verwaltungsbereich unter der Leitung von Olaf Rebbe sogar von 14,3 Millionen Euro in der Saison 2020/21 auf 16,6 Millionen Euro in der Saison 2022/23 an. Zudem heißt es in den Wirtschaftsberichten des Vereins, dass in der vergangenen Saison diese Kaderkosten "konstant gehalten" wurden. Der Club bezahlt noch immer einen überdurchschnittlich teuren Kader, dessen sportlicher Ertrag – aktuell der neunte Tabellenplatz – diesem Gehaltsgefüge nicht gerecht wird. Dennoch: Dank der zahlreichen Transfererlöse, die insbesondere auf die Arbeit mit jungen externen Talenten sowie Spielern aus den eigenen Reihen zurückzuführen ist, stellte Rebbe den schwer verschuldeten Club auf ein finanziell solides Fundament. In sportlicher Hinsicht allerdings blieben aus den Saisons, in denen Olaf Rebbe gemeinsam mit Dieter Hecking arbeitete, wenige Neuzugänge als tatsächliche Lichtblicke hängen.
Andere Transferstrategie unter Chatzialexiou
Anders verhält es sich in der laufenden Spielzeit, in welcher erstmals Sportvorstand Joti Chatzialexiou die Strategieentwicklung am Valznerweiher verantwortet. Der 1. FC Nürnberg verpflichtete nun zahlreiche Youngster, die ihr Potenzial bereits angedeutet, aber bei Weitem noch nicht ausgeschöpft haben. Beispielhaft sind Rafael Lubach, Caspar Jander und Tim Drexler zu nennen. Insgesamt verpflichtete der Club in der Saison 2024/25 deutlich jüngere Spieler als noch in Vorjahren – mit den Vorteilen, dass diese tendenziell weniger Gehalt kosten, durch Leihmodelle keine Ablösen und mitunter sogar Einnahmen für Spielzeit generieren und die Chance auf eine veritable Marktwertsteigerung mit sich bringen. Stabilisiert wird der Nürnberger Jugendwahn von vereinzelten, sinnvollen Routiniers wie Danilo Soares, Robin Knoche oder Ondrej Karafiat.
In der Saison 2024/25 gelangen dem Club also einige Transfer-Coups sowohl auf der Zugangs- als auch der Abgangsseite, zudem tätigte der Verein mehrere gute, schlichtweg vernünftige Transfers. Unter anderem Michal Sevcik oder Florian Pick, der noch für das ursprünglich geplante 4-3-3 verpflichtet wurde, zählen indes zu den schwächeren Transfers, von denen es aber bei jedem Verein, in jeder Liga, in jeder Transferphase welche gibt: Es gehört zum Fußball, dass nicht jeder Neuzugang perfekt einschlägt. In Summe meisterte der Club also das vergangene, durchaus komplizierte Transferfenster gut – das kann man sicherlich Olaf Rebbe zuschreiben, ebenso wie die Tatsache, dass das vergangene Transferfenster aber auch so kompliziert war.
Tatsächlicher Einfluss von Sportdirektor Rebbe unklar
Denn: Dass der 1. FC Nürnberg einen abermals gigantischen Kaderumbruch zu bewerkstelligen hatte, hängt sicherlich auch mit der Arbeit des scheidenden Sportdirektors zusammen. Dessen neuer Sportvorstand Joti Chatzialexiou kritisierte vor der Saison mehrfach den Kader, sortierte zahlreiche Spieler aus und hatte somit nicht unbedingt die qualitative, aber die quantitative Lücke von 18 Abgängen zu kompensieren. Obwohl Chatzialexiou sich also ganz und gar nicht mit dem Kader und damit der Arbeit des Kaderplaners Rebbe zufrieden zeigte, durfte der damals enorm umstrittene Sportdirektor im Amt bleiben.
Mit Erfolg: Dem Duo Chatzialexiou und Rebbe gelang es, eine junge, mitunter begeisternde Truppe zusammenzustellen und zugleich umfangreiche Einnahmen zu erwirtschaften. Dennoch bleibt die Frage offen, welcher Anteil Olaf Rebbe an dieser positiven Entwicklung zukommt. Hinsichtlich der finanziell lohnenden Spielerverkäufe wurde der Club zwar in ruhigere Gewässer manövriert, letztendlich beeinflusst aber die Nachfrage nach einem Spieler letzten Endes dessen Verkaufspreis mehr als das Verhandlungsgeschick der Verantwortlichen, welches freilich nicht unerheblich ist. Demnach darf sich Olaf Rebbe die Rekordeinnahmen zwar mit auf seinen Arbeitsnachweis schreiben, allein zu verantworten hat er sie aber nicht. Allein schon, da die Geschichte solcher Verkäufe bereits Jahre früher, nämlich bei der Verpflichtung solcher talentierter Spieler beginnt: Derartige Transfers von Jungspielern, die ihren Marktwert am Valznerweiher steigern, tätigte Rebbe allerdings abgesehen von vereinzelten Ausnahmen erst unter der Führung von Joti Chatzialexiou. Bei seinen Transferaktivitäten im Vorfeld prägten etablierte Spieler die Strategie.
Zwar konnte er bereits damals einen finanziellen Transferüberschuss erzielen und auch mit sportlichen Flops mitunter Gewinne erwirtschaften, dennoch häuften sich sportliche Transfer-Coups insbesondere seit dem Amtsantritt von Joti Chatzialexiou. Und dem Amtsantritt von Miroslav Klose.
Die Arbeit eines Sportdirektors lässt sich freilich nicht isoliert vom sportlichen Erfolg, den bekanntlich zahlreiche Faktoren beeinflussen, sowie der Strategie des übergeordneten Sportvorstandes betrachten. Letztendlich lässt sich trotz dieser Unwägbarkeiten folgendes Fazit ziehen: Olaf Rebbe konnte dank einer günstigen Kombination aus seinem Verhandlungsgeschick und der verbesserten Nürnberger Nachwuchsarbeit den Verein finanziell gesunden. Auch der Rekordtransfer von Stefanos Tzimas, der dem Club nach halbjähriger Leihe bereits mehrere Millionen einbringt, ist mutmaßlich dem Sportdirektor zuzuschreiben, der zuvor für PAOK Saloniki arbeitete und offenbar seine Kontakte zu Tzimas‘ griechischen Ex-Klub spielen ließ. Besondere Transfer-Coups bei Neuverpflichtungen glückten Rebbe besonders in jener Zeit, in der er mit Joti Chatzialexiou zusammenarbeitete.
Betont wird dabei, dass unter anderem in der Pressemitteilung zur Entlassung, dass Rebbe selbst sämtliche Transfers verantwortete. Demnach darf sich Rebbe diese erfolgreichen Transfers der laufenden Spielzeit auf die Fahne schreiben, auf der allerdings auch Namen wie Ivan Marquez, Ahmet Gürleyen oder Manuel Wintzheimer stehen. Wenngleich er also zuletzt in ganz Fußball-Deutschland als Diamanten-Auge gefeiert wurde, der den 1. FC Nürnberg als Talentschmiede und attraktiven Ausbildungsklub etablierte, hat er einen Anteil an der ernüchternden Stagnation und der Kaderstrukturen der Vorjahre. Anders gesagt: Es gab Zeiten, in denen Spieler beim 1. FC Nürnberg tendenziell schlechter performten als zuvor. Und es gibt aktuell Zeiten, in denen Spieler beim 1. FC Nürnberg den nächsten Schritt gehen und aufblühen. In beiden Zeiten leitete Olaf Rebbe als Sportdirektor mitverantwortlich die Geschicke.
In Summe hinterlässt Olaf Rebbe Spekulationen um mögliche zwischenmenschliche Differenzen, aber insgesamt einen sportlich und finanziell gesunden 1. FC Nürnberg. Wie wichtig Olaf Rebbe für diese Entwicklung tatsächlich war, wird sich wohl erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.
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