Doppeldeutiger Punkteschnitt

„Da kann es schon vorbei sein“: FCN-Trainer Klose äußert sich zu Diskussionen um seine Person

Sara Denndorf

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25.9.2024, 13:21 Uhr
Miroslav Klose steht beim 1. FC Nürnberg in der Kritik.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Miroslav Klose steht beim 1. FC Nürnberg in der Kritik.

Miroslav Klose ist fast der beste Club-Trainer des Jahrzehnts: Mit 1,43 Punkten pro Partie ist der Weltmeister erfolgreicher als zahlreiche Vorgänger, darunter Cristian Fiél oder auch Aufstiegscoach Michael Köllner. Der letzte Trainer, der überhaupt einen besseren Punkteschnitt beim 1. FC Nürnberg vorlegen konnte, war René Weiler – und dessen Amtszeit am Valznerweiher endete vor über acht Jahren. Seither versuchten sich insgesamt elf Fußballlehrer als (Interims-) Trainer des chronisch ambitionierten Altmeisters – und nun eben Miroslav Klose.

Die Anfangseuphorie, welche das Engagement des deutschen Rekordtorjägers in der Noris auslöste, ist inzwischen verpufft. Nach nur sieben Pflichtspielen ist der Club und seine Fans, die vor wenigen Wochen noch von einer endlich erfolgreichen Saison mit dem prominenten Übungsleiter und einer jungen Mannschaft träumten, in der gewohnten Tristesse der 2. Bundesliga angekommen. Im traditionell unruhigen Vereinsumfeld macht sich zunehmend Nervosität und Unmut breit, auch die Forderungen nach einer Trainerentlassung werden lauter.

Eine Entlassung nach wenigen Spieltagen wäre in Nürnberg nicht verwunderlich, schließlich sorgte der ruhmreiche Altmeister in der jüngeren Vergangenheit doch insbesondere durch seinen "heißen Trainerstuhl" für Aufsehen. Aber warum sollte ein Trainer entlassen werden, der deutlich besser ist als sehr viele seiner Vorgänger? Die Antwort, so zumindest das Argument vieler Fans, die ihrem Frust in den sozialen Medien kundtun, liegt nicht in den Ergebnissen, sondern der Art und Weise, wie ebendiese zustande kommen, und an der Zusammensetzung des Punkteschnitts.

Ergebnisse als Leistungskosmetik

Denn: Der Saisonstart verlief für den Club mit sieben Zählern aus sechs Partien zwar nicht berauschend, auch nicht gut, aber zumindest ordentlich. Somit steht die Mannschaft derzeit im gesicherten Mittelfeld, nicht in unmittelbarer Abstiegsgefahr, aber auch nicht in den Sphären, die dem Traditionsverein nach Ansicht seiner Anhänger würdig wären. Und: Selbst diese tendenziell zu dünne Punktausbeute muss insgesamt als schmeichelhaft angesehen werden, profitierte der Club doch mitunter von glücklichen Schiedsrichterentscheidungen oder vereinzelten individuellen Geniestreichen, die die überwiegend biederen Auftritte kaschieren.

In der Defensive agiert die Nürnberger Truppe mitunter anfällig und wacklig, ließ angesichts der erwarteten Gegentore den vierthöchsten Wert aller Zweitligisten zu. Zudem gelingt es der Offensive nicht, diese defensiven Defizite zu kompensieren: Nur drei Vereine erspielten sich noch quantitativ und qualitativ schlechtere Tormöglichkeiten als der Club. Das Spiel der Klose-Elf wirkt unzusammenhängend und ideenlos, es fehlt an Abläufen, an Mut und auch an Sauberkeit im Spiel mit Ball.

Julian Justvan, der aus der Bundesliga nach Nürnberg gewechselt war, um gerade jenes Offensivspiel zu beleben, bemängelte nach der 0:2-Niederlage gegen Hertha BSC: "Wir müssen vorne variabler werden. Aktuell sind wir für den Gegner zu leicht zu greifen. Da müssen wir einfach unberechenbarer werden." Unter anderem gehe es darum, eine Balance zu finden, wann ein riskanter, tiefer Ball sinnvoll ist und wann man lieber den Ballbesitz sichert und das Spiel kontrolliert aufzieht.

Entlassung nach sechs Spieltagen? Klose bezieht Stellung

Bislang jedenfalls gelang es Miroslav Klose nicht, eine fußballerische Idee zu implementieren. Die Schonfrist, die er sich dafür auferlegt hatte, ist abgelaufen – die "fünf bis sechs Spiele, die meine Mannschaft braucht", sind spätestens nach der Heimniederlage gegen den Hauptstadtklub absolviert. Der erhoffte Fortschritt blieb aber weitestgehend aus, entsprechend wächst der Druck auf den Trainer, der naturgemäß als Hauptverantwortlicher für sportliche Miseren angesehen wird.

"Als Spieler ist es ein bisschen leichter. Da musst du nur wissen, dass du im nächsten Spiel treffen musst. Und wenn du nicht triffst, dann musst du schauen, dass du eben im nächsten Spiel triffst. Irgendwann werden dann die Minuten gesammelt. Aber als Trainer kannst du nicht sagen, dass nächste Spiel. Da kann es dann schon vorbei sein", äußerte sich Klose gegenüber der "Bild" über die Situation, gab sich aber im gleichen Atemzug kämpferisch: "Dieses Gefühl habe ich hier gar nicht. Wir haben hier lange und intensiv miteinander gesprochen und die ersten sieben Spiele analysiert. Wir müssen einfach die Positivität wieder zurückbringen."

Zumindest die Stimmung in der Mannschaft spreche für eine Trendwende: Nach der Niederlage gegen Hertha BSC um Vorgänger Cristian Fiél sah Klose keine hängenden Köpfe in der Truppe, sondern attestierte der Mannschaft: "Die Jungs glauben daran." Das (Selbst-) Vertrauen scheint also gegeben, außerdem besitze der Club-Coach nach eigenen Angaben das Rüstzeug, diese gegenwärtige Situation zu meistern – und profitiert dabei von seinen Erfahrungen: "Ich habe als Spieler ganz viele Drucksituationen erlebt. Da war ich mit am stärksten. Deswegen kann ich die Jungs auch entsprechend vorbereiten, worauf kommt es an, welche Spieler und welche Charaktere brauchst du jetzt in dieser Situation."

Punkteschnitt eines Abstiegskandidaten

Wenngleich also der Unmut im Umfeld laut wird, scheint eine Trainerdiskussion beim 1. FC Nürnberg derzeit nicht akut aufzuflammen. Sportvorstand Joti Chatzialexiou schob etwaigen Gedankenspielen jüngst einen Riegel vor, dafür sei es "einfach zu früh". Zwar erkennt der Club-Boss die Defizite der Truppe, will ebendiese aber nicht alleine dem Trainer anlasten. Zudem betont "Chatzi" die bisherige Zählerbilanz: "Die bisherige Punktausbeute ist, gemessen an unseren Zielen, soweit in Ordnung. Wenn wir konsequent weiter an den anderen Themen arbeiten, dann wird es auch Spiele geben, wo wir punkten und zudem ansehnlicheren Fußball spielen." Eine Aussage, die bei Club-Fans für mittelschwere Sorgen hervorrufen könnten – aus zweierlei Gründen.

Zum Einen, das beweisen sämtliche Beispiele aus dem nationalen und internationalen Fußball, sind ordentliche Ergebnisse in Folge stabiler Leistungen deutlich nachhaltiger als kurzfristig solide Ergebnisse, die aber auf Einzelleistungen und glückliche Spielverläufe zurückzuführen sind. Andererseits könnte man die gegenwärtige Nürnberger Herangehensweise aber auch wohlwollend als "pragmatisch" und "effizient" bezeichnen – sofern der Club denn auch weiterhin "irgendwie" seine Punkte einfährt.

Zum Anderen kann ein Blick auf die Punktausbeute auch einen desolaten Eindruck vermitteln – und die Tatsache, dass der Sportvorstand diese Punktausbeute "gemessen an unseren Zielen" vertretbar findet, noch mehr. Denn: Zwar weist Miroslav Klose nach sieben Spielen einen Punkteschnitt auf, der nicht nur über dem seiner Vorgänger liegt, sondern auch – hochgerechnet auf 34 Spieltage einer Zweitliga-Saison – in den vergangenen Jahren stets zu einer stabilen Platzierung im oberen Mittelfeld genügt hätte. In diese Punktebilanz von 1,43 Zählern pro Partie ist allerdings auch der Pokalsieg gegen den Drittligisten Saarbrücken eingerechnet. Blickt man indes nur auf die Punkteausbeute in der 2. Bundesliga, landet man bei 1,17 Punkten pro Partie, also 39,7 Zählern pro Saison. In den vergangenen Spielzeiten hätte man damit teils bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt gekämpft – ist das "gemessen an unseren Zielen" dann wirklich vertretbar?

Nun, zur Wahrheit gehört auch, dass sieben Spiele keine ausreichend große Stichprobe darstellen, um die Punktausbeute verlässlich hochzurechnen. Oder um die Qualität eines Trainers zu bewerten. Oder um den Stab über den Coach und seine Mannschaft zu brechen. Aber diese ersten Spiele geben eine Richtung vor.

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