Vielfältige Gründe

Derbysieg, Spektakel und Mutmacher-Leistungen: Die Gründe für die FCN-Erfolgswelle

Sara Denndorf

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3.11.2024, 20:13 Uhr
Der 1. FC Nürnberg durfte zuletzt häufig jubeln. Gegen den Hamburger SV glückte zwar nur ein Treffer, der Auftritt per se dürfte den Anhängern aber Mut machen.

© Marcus Brandt/Marcus Brandt/dpa Der 1. FC Nürnberg durfte zuletzt häufig jubeln. Gegen den Hamburger SV glückte zwar nur ein Treffer, der Auftritt per se dürfte den Anhängern aber Mut machen.

Es ist das Wesen von Traditionsvereinen und zugleich das Schicksal ehemaliger Riesen: Der Weg zu grenzenloser Euphorie ist ebenso kurz wie zu maßloser Schwarzmalerei. Beschreibt man die Gemütslage von Fußballfans ist man seltener zwischen "himmelhoch jauchzend" und "zu Tode betrübt" als auf den Extrempolen dieses Spektrums. Insbesondere beim Nürnberger Herz- und Schmerzverein genügt mitunter ein Sieg, um die Fans vom Aufstieg träumen zu lassen, und eine Niederlage, um Trainerentlassungs- und Abstiegsszenarien zu durchdenken.

Nun lässt der 1. FC Nürnberg seine leiderprobten Anhänger derzeit ein kurzes Zwischenhoch erleben, das sich anfühlt, als könnte es auch mehr als nur eine kurzfristige Erfolgswelle sein.

Anders als bei seinen bisherigen Siegen, beispielsweise dem 2:1-Erfolg gegen den SSV Ulm, macht inzwischen nicht mehr nur das Ergebnis, sondern die Art und Weise, das vielzitierte "Wie" Hoffnung auf eine konstante Leistungsverbesserung. Seit dem achten Spieltag holte kein Zweitligist mehr Punkte als der Club, der zudem in vier Spielen durchschnittlich vier Treffer erzielte. Doch welche Faktoren begründen den derzeitigen Nürnberger Aufwind?

Umstellung bringt die Wende - mit einem Spiel Verzögerung

Es beginnt mit der Startelf – und zwar sowohl im personellen als auch im strukturellen Sinne. Am siebten Spieltag, bei der 0:2-Niederlage in Hannover, setzte Cheftrainer Miroslav Klose erstmals nicht auf eine Viererketten-Formation, sondern auf ein 3-4-1-2, das sich seither in Nürnberg etabliert hat. Rein strukturell bleibt das Dreiermittelfeld bestehen, neu ist verglichen mit den zuvor gewählten 4-3-3, 4-2-3-1 oder 4-1-4-1 einerseits die Dreierkette mit zwei Schienenspielern und andererseits der Doppelsturm. Nun sind das alles "Telefonnummern", wie Pep Guardiola derartige Zahlenspiele einst etwas entwertend bezeichnete – zumal die realtaktische Aufstellung zumeist ohnehin abweicht, es verschiedene Ansätze mit und gegen den Ball gibt und es stets auch auf die Interpretation ankommt. Dennoch aber scheint die Umstellung gefruchtet zu haben, abgesehen vom Hannover-Spiel blieb der Klose-Club in dieser Formation ungeschlagen.

Konstanz in der Startelf

Mit dieser Formationsänderung verbunden sind auch einige personelle Änderungen. Seit dem 4:0-Derbyerfolg in Fürth schickte Miroslav Klose dreimal in Folge die exakt gleiche Startelf ins Rennen. Eine Startelf, die sich offenbar gefunden hat, die sich eingespielt hat. Dafür brauchte es allerdings auch einige Zeit: Nur der Hamburger SV setzte noch mehr Spieler ein als der 1. FC Nürnberg. Inzwischen aber scheint sich eine Stammelf gefunden haben, die sich personell auch von jenen Aufstellungslisten unterscheidet, die man zum Saisonbeginn lesen konnte.

Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der derzeitige Leistungsaufschwung mit den geringeren Einsatzzeiten von Florian Flick oder Lukas Schleimer korreliert, viel eher spricht die Tendenz für eine konstante Startelf, in der sich Abläufe etablieren konnten.

Effizienz und Torgefahr

So scheint die neue Formation mit einem Doppelsturm in Verbindung mit der personellen Besetzung von Mahir Emreli und Stefanos Tzimas beispielsweise das Offensivspiel begünstigt zu haben. In den vergangenen drei Spielen kreierte der Club Chancen, die zu je mindestens zwei erwarteten Toren pro Spiel kamen. Dies gelang dem Club – abgesehen vom Ulm-Spiel, in dessen xG-Wert auch der Elfmeter einfließt – in der laufenden Zweitliga-Saison zuvor kein einziges Mal. Mitunter, beispielsweise in Darmstadt, lag die Chancenqualität sogar bei mickrigen 0,3 xG – ein Armutszeugnis für das Nürnberger Offensivspiel. Aber: Zumeist dank Glück und individueller Qualität konnte der Club aus seiner in dieser Saison phasenweise bedenklich ungefährlichen Angriffsabteilung dennoch viel Ertrag generieren, etwa weil Michal Sevcik bei den Lilien per Traumtor traf und damit den desolaten Offensivvortrag an diesem Tag zumindest geringfügig kaschierte.

Entsprechend eindrucksvoll ist die Bilanz: Kein anderer Zweitligist übertrifft seine erwarteten Tore laut dem Portal "fbref.com" annähernd so stark wie der 1. FC Nürnberg. Anders formuliert: Der Club macht extrem viel aus seinen Chancen – zeitweise durch die angesprochene individuelle Klasse gepaart mit schwachen Tormöglichkeiten, zweitweise aber auch durch hohe Effizienz. Die hohe Effizienz mag an dieser Stelle fehl am Platz scheinen, erzielte der Club doch jüngst in Hamburg trotz Chancenwucher, zwischenzeitlicher Belagerung und zahlreicher Top-Möglichkeiten nur einen Treffer.

Aber: Beispielsweise Stefanos Tzimas kam bis einschließlich des zehnten Spieltags zu Torchancen, die im Durchschnitt 2,4 Tore nach sich ziehen. Der griechische Sturm-Youngster traf aber fünfmal – und übertrifft seinen Wert auch noch, wenn man die 1,11 xG aus dem Hamburg-Spiel einberechnet. Und: Auch dank der Treffer des 18-Jährigen stellt der 1. FC Nürnberg mit 23 Treffern nach elf Spieltagen die zweitbeste Offensive der Liga.

Selbstverständnis

Wechselwirkend mit den gegenwärtigen Leistungen steigert sich offensichtlich auch das Selbstvertrauen der Nürnberger Akteure. So traut sich die Hintermannschaft auch unter starkem Pressingdruck oftmals, den spielerischen Ansatz zu wählen, und lässt sich nicht mehr allzu oft wie noch zu Saisonbeginn zu langen, schier planlosen Bällen zwingen. Angesichts der erfolgreichen Resultate der vergangenen Wochen tritt der Club auch bei den hochdekorierten Hamburgern selbstbewusst und dominant auf, schaffte es die nordischen Aufstiegsanwärter phasenweise regelrecht einzuschnüren.

FCN bietet Grund zur (gemäßigten) Euphorie

Letztendlich reichte es in Hamburg dennoch nur zu einem Tor und einem Punkt, den man aber vor dem Spiel gegen den vermeintlichen Angstgegner wohl unterschrieben hätte. In Summe verhält es sich ähnlich wie nach der 1:2-Niederlage in Sinsheim: Von dem Pokal-Aus und dem Remis trotz Chancenwucher kann sich zwar niemand etwas kaufen, dennoch nähren nicht die Ergebnisse, aber die gebotenen Leistungen die Hoffnung auf erfolgreicheren Fußball im Frankenland. Jedenfalls versprühen derartige Auftritte mehr Euphorie, als schmeichelhafte, die ernüchternden Leistungen kaschierende Ergebnisse zu Saisonbeginn.

Angesichts der jüngsten Performances darf man in Nürnberg – wenngleich zu diesem noch frühen Zeitpunkt in der Saison – auch mal einen kurzen, verwegen-verträumten Blick auf die Tabelle werfen, nur um dann wieder der jungen Club-Truppe beim Spielen, Lernen und Entwickeln zuzuschauen. Zugleich ist der derzeitige Höhenflug freilich mit Vorsicht zu genießen: Noch vor wenigen Wochen enttäuschte der ruhmreiche Altmeister seine Anhänger mit Woche für Woche enttäuschenden Leistungen, brachten sie zum Verzweifeln und den Cheftrainer – zumindest in Fankreisen - an den Rande der Entlassung. Beim 1. FC Nürnberg weiß man wohl besser als an den meisten deutschen Fußball-Standorten, wie hoch man fliegen und wie tief man fallen kann – und wie nah die Euphorie und Schwarzmalerei beieinander liegen können.

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