Top-Werte der Rückrunde
Die Null steht: Über die erstaunliche Entwicklung der Club-Defensive - und von Keeper Jan Reichert
18.03.2025, 05:00 Uhr
Zugegeben: Das Fürther Kleeblatt stellte Torhüter Jan Reichert am vergangenen Sonntag im 274. Frankenderby vor keine allzu großen Aufgaben. Dennoch gab es vor nicht allzu langer Zeit, kurz nach dem Rückrundenauftakt nämlich, nicht wenige im Fanlager des 1. FC Nürnberg, die offen forderten, der junge Schlussmann müsse "doch endlich auch mal einen Unhaltbaren halten!" Ohne an dieser Stelle über die Sinnhaftigkeit eines solchen Oxymorons diskutieren zu wollen: Kein Spieler aus der wackeligen Abwehr des Vereins war seinerzeit öffentlich so angezählt worden wie der erst 23-jährige Reichert.
Der hielt dem aufkommenden öffentlichen Druck stand - und zeigt seitdem gute Leistungen. Das sei aber kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit, sagte der Torhüter nach dem Spiel gegen das Kleeblatt selbst: "Ich habe immer gesagt, dass es einfach Zeit braucht. Gott sei Dank hatte ich diese Zeit."
Diesen positiven Eindruck vom vermeintlichen neuerlichen Nürnberger Abwehrbollwerk bestätigt auch ein Blick in die Statistik. Ein Auszug aus der Datenlage: Während Reichert und die Club-Abwehr in der Hinrunde mit 1,76 Gegentoren pro 90 Minuten Gegentore pro Spiel kassierten und damit lediglich auf Platz 13 der besten Abwehrreihen rangierten, liegt der 1. FC Nürnberg in der bisherigen Rückrunde auf dem geteilten dritten Platz (1,00 Gegentore/90 Minuten).
Auch weitere Statistiken sprechen für die Entwicklung des jungen Torhüters: In 55 Prozent der Spiele der Rückrunde blieb der Club-Keeper ohne Gegentor (Platz 1 in der 2. Liga, 5 Spiele) - in der gesamten Hinrunde gelang das nur drei Mal - das reichte nur für Platz 14 (17,65 Prozent der Spiele ohne Gegentor).
Die Statistik zeigt aber auch, dass der Aufwärtstrend nicht allein Reichert zu verdanken ist. So musste die Mannschaft von Trainer Klose in der Rückrunde nur noch 3,0 Torschüsse pro Spiel hinnehmen - die drittwenigsten in Liga 2. In der Hinrunde waren es mit 4,88 noch die achtmeisten. Auch Reichert selbst musste in den letzten Spielen weniger eingreifen: 2,33 Paraden pro Spiel - die drittwenigsten - reichten dem Schweinfurter in der Rückrunde - in der Hinrunde waren es mit 3,18 noch die drittmeisten.
Jeltsch schon Vergessen gemacht
Groß war die Sorge, dass der Abgang von Nachwuchstalent Finn Jeltsch weitere Lücken in die ohnehin löchrige Abwehr reißen könnte. Am 2. Februar wurde dessen Wechsel nach Stuttgart bekannt. Knapp sechs Wochen später steht fest: Die Befürchtungen waren unbegründet. So gefestigt wie zuletzt hat sich der 1. FC Nürnberg in der gesamten Hinrunde nicht präsentiert. Das ist nicht zuletzt ein Verdienst des von Hoffenheim ausgeliehenen Tim Drexler, der mit seiner Torvorlage im Derby einmal mehr unterstrich, dass er das Eigengewächs Jeltsch auch spielerisch adäquat ersetzt hat.
Auch Abwehrchef Robin Knoche ist voll in Nürnberg angekommen, wie Trainer Klose zuletzt zufrieden feststellte - und den auch Reichert nach dem Fürth-Spiel lobte: "Er spielt eine sehr wichtige Rolle, sowohl defensiv als auch offensiv. Robin findet immer wirklich gute Lösungen mit dem Fuß und ist auch in der Luft eine Macht". Und dass sich der dritte Stamm-Innenverteidiger, Ondřej Karafiát, zu einem solchen entwickeln würde - noch dazu zu einem richtig soliden -, das hätten sich bei seinem Probetraining im Sommer wohl nur wenige von dem damals 30-jährigen, aussortierten Tschechen erträumt.
Hinten kollektiv, vorne individuell
Im Winter hat beim 1. FC Nürnberg ohnehin ein Umdenken stattgefunden - sowohl bei der Mannschaft - "Wir haben nach der Hinrunde klar angesprochen, dass wir weniger Gegentore bekommen müssen, dass wir defensiv besser stehen müssen", sagt etwa Torwart Reichert - als auch beim Trainerteam. Beim 1. FC Nürnberg gilt in diesen Tagen das alte Fußball-Bonmot: "Hinten erst mal dicht machen und vorne hilft der liebe Gott!" - oder eben Stefanos Tzimas. "Wir sind effektiv, wir können aus wenigen Chancen Tore machen. Das hat Preußen Münster gezeigt und das haben wir heute wieder gezeigt", sagte etwa Trainer Klose nach dem Sonntagsspiel gegen Fürth.
Und auch Reichert nennt "Münster als bestes Beispiel: Auch wenn wir kein gutes Spiel machen, schaffen wir es, hinten alles wegzuverteidigen und uns in jeden Ball reinzuwerfen". Man habe viel Trainingszeit in die Abwehr investiert, so der Trainer. Dass dies nun Früchte trage, freue ihn sehr.
Auch spielerisch bringt sich Reichert immer mehr ein. Und auch das ist kein Zufall: "Ich versuche natürlich, der Mannschaft als elfter Spieler zu helfen. Weil wir mit dieser Überzahl dann einfach auch mehr Situationen lösen können." Diese Fähigkeiten, sagt Reichert, habe er sich auch zuletzt auch im Training angeeignet.
Das Glück erzwungen
Selbst wenn die Gesamtleistung der Mannschaft also nicht stimmt, wie zuletzt beim offensiv einfallslosen Auftritt bei der Hertha in Berlin oder beim durchaus glücklichen 1:0-Last-Minute-Sieg in Münster, kann sich Klose auf seine Hintermannschaft verlassen. Auch das wird der zweimalige Derby-Sieger-Trainer zuletzt nicht müde zu betonen: Wenn der Club hinten ohne Gegentor bleibt, ist ein Punkt aus jedem Spiel sicher. Derartige Töne waren vor der Winterpause nicht zu vernehmen - jetzt betont Klose diese Herangehensweise in fast jeder Spieltags-PK. Aber auch das räumt Klose immer wieder ein: Es braucht auch Spielglück. Das bestätigt auch Reichert, "aber das haben wir uns auch hart erarbeitet!"
Die positive Entwicklung der Club-Defensive ist nicht nur, aber auch ein Ergebnis der Entwicklung von Jan Reichert, der seiner Mannschaft inzwischen mehr Ruhe ausstrahlt. Ob Reichert dieser Tage auch mal "einen Unhaltbaren gehalten" hat, darüber lässt sich streiten. Ist aber auch egal, solange die 0 steht. Und die steht wieder beim 1. FC Nürnberg.
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