Nach 24 Jahren
Ende einer Ära: FCN trennt sich von Vermarkter Sportfive
17.6.2021, 11:18 UhrEs ging finanziell, mal wieder, nur noch ums nackte Überleben. Und das kurz vor einem Bundesliga-Aufstieg. Der 1. FC Nürnberg und das liebe Geld – eine unendliche Geschichte. Eines der schlimmsten Kapitel spielte im Frühjahr 1998. Im Lizenzierungsverfahren fehlte schon länger ein erkleckliches Sümmchen. Nur fand sich trotz wirklich intensiver Suche niemand mehr, der mit dem heruntergewirtschafteten Club ernsthaft Geschäfte machen oder gar in Vorleistung treten wollte. Weil selbst Unerschrockene tatsächlich befürchten mussten, ihr Investment nicht mehr wiederzusehen.
Die Vermarktungsfirma Ufa Sports hatte sich unter anderem auf Hilfeschreie und Wackelkandidaten wie den neunmaligen deutschen Meister spezialisiert. Bei der Vertragsunterzeichnung gab’s gleich mal fünf Millionen Mark "Handgeld" fürs nächste Lizenzspielerbudget, wie es Vereinsfunktionäre seinerzeit nannten. Für die Laufzeit von vier Jahren (plus vier Jahre Option) garantierte die Ufa drei Millionen Mark Werbeeinnahmen, allerdings nur in der ersten Liga, in der zweiten 2,2 Millionen weniger. Und mit entsprechenden Klauseln. Die Rettung kam den Club richtig teuer zu stehen; 25 Prozent der Werbeeinnahmen standen in den nächsten 13 Jahren der Ufa zu, die bereits im November 1999 mit einer plötzlich nötig gewordenen Zwischenfinanzierung in Höhe von 2,5 Millionen Mark aushalf. Und so weiter.
"Einher mit den sportlichen Problemen gingen auch finanzielle, denn der Etat konnte nur mit Hilfe einer Vertragsverlängerung mit dem Vermarkter Ufa ausgeglichen werden", schrieb diese Zeitung im Mai 2000, "was sie noch vor wenigen Monaten unbedingt verhindern wollten." Vorzeitig bis 2011 hatten die Partner ihre Kooperation ausgedehnt; "ungünstiger" für den 1. FC Nürnberg seien die Konditionen wegen der nun längeren Laufzeit gewesen, wie Präsident Michael A. Roth damals fand, "aber insgesamt nicht schlechter als vorher."
Gut klingt anders, aber letztlich hatte der hoch verschuldete Club keine andere Wahl. Erst der neue Sportdirektor Martin Bader, ein studierter Sportökonom und zuvor angestellt bei Ufa Sports in Berlin, nahm sich vor, ab Herbst 2003 die ständigen Geldabflüsse auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Letzte Sonderkündigungsklausel
In der Öffentlichkeit indes lobten die Funktionäre stets die Top-Zusammenarbeit mit Sportfive, wie sich die 1987 in Hamburg gegründete Sportbusiness-Agentur zu Beginn des Jahrtausends nannte – "mit einem Netzwerk aus über 1200 lokalen Experten in 15 Ländern auf der ganzen Welt, die Fußball, Golf, Esports, Motorsport, Handball, Tennis, American Football und viele andere Sportarten zu ihren Tätigkeitsbereichen zählt", wie auf fcn.de nachzulesen ist. Acht Mitarbeiter sind für den Club in unmittelbarer Geschäftsstellennähe zuständig. Aber nicht mehr lange. Nach einer weiteren Vertragsverlängerung bis 2018 nahm der Sportrechtevermarkter bei jedem Abschluss "nur" noch 20 Prozent, aber aus Sicht der 1. FC Nürnberg natürlich immer noch viel zu viel; deshalb macht es der Verein nach dann 24 Jahren künftig selbst, so wie immer mehr Mitkonkurrenten im professionellen Fußball; Mitte Mai haben sich die Nürnberger dank der offenbar letzten Sonderkündigungsklausel mit einem niedrigen einstelligen Millionenbetrag freigekauft.
"Sehr vernünftig" nennt Niels Rossow die Finanzierung. "Für unser großes Ziel, ein fester Bestandteil der Bundesliga zu werden, brauchen wir zwingend die Eigenvermarktung", sagt der Kaufmännische Vorstand, nennt die Trennung "extrem wichtig für unsere Zukunft" und "eine Art Emanzipation des 1. FC Nürnberg."
Bis 30. Juni 2029 wäre Sportfive, zwischen 2015 und 2020 in Lagardere Sports umbenannt, noch zuständig gewesen für die Akquise, die letzte Vertragsverlängerung passierte noch vor Rossows Amtseinführung im Oktober 2018. Der jetzt bis Ende des Jahres eine eigene Marketing-Abteilung aufbauen muss. Die Zusammenarbeit mit Sportfive endet offiziell am 1. Juli 2022; bis dahin würde der Vermarkter also noch an jedem weiteren Abschluss partizipieren. "Der Club gehörte seit 1998 zu unseren Partnern, die wir gesamtheitlich vermarkten durften und in dieser Zeit sind wir mit dem Verein und der Region eng zusammengewachsen", sagt Hendrik Schiphorst, Geschäftsführer bei Sportfive Germany, "wir bedanken uns also für die tollen, gemeinsamen Jahre."
Rückkehr perfekt: FCN spielt künftig in Adidas-Trikots
Und sehr gute Geschäfte. Schon mittelfristig soll sich die neue Selbständigkeit und Freiheit rentieren für den 1. FC Nürnberg. Auf seinem Weg in eine finanziell etwas entspanntere Zukunft, die eigentlich schon etwas früher hätte beginnen sollen. "Wenn der Club seine Hausaufgaben ordentlich macht, müssten wir das selber hinkriegen", sagte Martin Bader bereits vor rund acht Jahren, "dann hätten wir den direkten Zugriff auf unsere Sponsoren." Und würden sie sich bei jeder Einigung mit Gönnern einen Haufen Geld sparen. So ist jedenfalls der Plan.
Ziel: Sponsoring-Erlöse erhöhen
"Wir sehen es für eine erfolgreiche Zukunft des 1. FC Nürnberg als wichtigen nächsten Schritt, alle Geschäftsbereiche in die eigenen Hände zu nehmen", sagt Rossow, neben dem klassischen Sportsponsoring wollen sie künftig verstärkt innovative Wege in der Vermarktung gehen, "aus denen sich ein neues Spektrum an Partnerschaften gestalten lässt". Denn: "Es ist unser klares Ziel, die Sponsoring-Erlöse zu erhöhen, um das zu erreichen, werden wir künftig mit unserem Team für jeden Partner individuelle Lösungen aus dem FCN-Kosmos entwickeln."
Über ein Jahr hat der Club den Wechsel hin zur Eigenvermarktung bereits vorbereitet, mit einem neuen Konzept. "Unser Ziel ist es, noch mehr Club-Herz in die Vermarktung zu bringen. Das bedeutet auch einzigartiger, authentischer und persönlicher zu werden", ergänzt Rossow, der mit seinem Team eigene, kreative Ideen entwickeln und einen engen Dialog fördern möchte. Stets Nähe zeigend, "um in der Zukunft vom ersten Moment der Kontaktaufnahme in direktem Austausch zur Region, zu unseren Fans und potentiellen Sponsoren, Förderern und Gönnern zu stehen." Was in den vergangenen gut 23 Jahren offenbar nicht immer der Fall war.
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