Nach 3:3-Remis gegen Düsseldorf

Spielidee und Spektakel: Der Klose-Club kann viel - aber (noch) nicht genug für den Aufstieg

Sara Denndorf

Werkstudentin

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27.04.2025, 08:10 Uhr
Julian Justvan sagte nach dem Spiel in Düsseldorf: „Man hat heute gesehen, dass wir noch nicht so weit sind.“

© Sportfoto Zink / Daniel Marr Julian Justvan sagte nach dem Spiel in Düsseldorf: „Man hat heute gesehen, dass wir noch nicht so weit sind.“

Gäbe es ein Spiel, das die Saison 2024/25 des 1. FC Nürnberg zusammenfasst, dann wäre es dieses: das 3:3-Remis am 31. Spieltag in Düsseldorf. Weil es die positive Entwicklung, aber die Grenzen der Club-Mannschaft gleichermaßen aufzeigte. Weil es eines der Spiele war, in denen die Truppe von Cheftrainer Miroslav Klose phasenweise berauschenden Fußball zeigte, und weil sie zugleich daraus zu wenig Ertrag schöpften. Und weil sie Defizite offenbarten, die erklären, warum es im ersten Klose-Jahr noch nicht für den ganz großen Coup reicht. Aber von vorne.

So mancher Zuschauer neigte vielleicht dazu, nach gut einer Stunde den Fernseher auszuschalten oder das Programm zu wechseln, um etwa den neuerdings blondierten Lamine Yamal im spanischen Clasico spielen zu sehen. In Düsseldorf jedenfalls, so schien es, gab es wohl nichts mehr zu sehen: Der 1. FC Nürnberg führte verdient mit 3:0, ließ nahezu nichts zu und kam selbst insbesondere durch Konter zu einigen hochkarätigen Chancen. Zudem präsentierten die Franken stellenweise starke Spielzüge, kombinierten sich mitunter mühelos aus dem Düsseldorfer Druck. Ja, bis zur 68. Minute sah es ganz danach aus, als würde der Klose-Club sich mit einer euphorisierenden Machtdemonstration in Düsseldorf doch nochmal im Kampf um den Aufstieg anmelden. Aber eben nur bis zur 68. Minute.

Zuschauer, die trotz des vermeintlich eindeutigen Spielstandes und Spielverlaufes am Samstagabend-Topspiel der 2. Bundesliga hängen blieben, sahen indes, wie die bis dato ungefährlichen Rheinländer plötzlich mit Danny Schmidt, Pingpong, Standards und Shinta Appelkamp eine furiose Aufholjagd starteten. In der 68. Minute verkürzten die Hausherren auf 1:3 – so weit, so gut. Es war schließlich nur ein Tor, das zudem auch recht glücklich entstanden war, und den Gastgebern fehlten noch immer zwei Tore, um auszugleichen. Angesichts der zuvor gebotenen Leistungen beider Teams erforderte es schon einiges an Fantasie, dass dieser Treffer tatsächlich noch etwas an der Statik des Spiels ändern sollte. Angesichts der Tatsache, dass der Club, der bekanntlich ein Depp und faktisch für seine verspielten Führungen berüchtigt ist, begann wohl bei allen, die es mit dem ruhmreichen Altmeister halten, ab diesem Moment das Zittern. 20 Punkte hatte der 1. FC Nürnberg in der laufenden Saison bereits nach Führungen verspielt, zwei weitere Zähler reihten sich in diese traurige Bilanz am Samstagabend ein. Düsseldorf nutzte eine weitere Standardsituation zum Anschluss und einen Ballverlust von Caspar Jander mit anschließendem Traumtor zum Ausgleich. 3:3. Abpfiff. Beendet ist ein spektakuläres Duell in Düsseldorf, beendet sind auch die letzten zarten Aufstiegshoffnungen in Nürnberg. Zumindest für diese Saison.

Warum man beim Club träumen darf...

Denn in Düsseldorf, aber auch allgemein in der Spielzeit 2024/25 zeigte der Club viele gute Ansätze, die Hoffnung und Freude auf mehr machen.

Da wären zum Einen die überfallartigen Konter, die Miroslav Klose zu den „Stärken“ seiner Mannschaft zählt. Immer wieder gelingt es den Nürnbergern insbesondere gegen sehr hoch stehende Düsseldorfer, in Überzahlsituationen auf das gegnerische Tor zu laufen. Förderlich war dafür auch, dass an diesem Tag Mahir Emreli und Janis Antiste einen Doppelsturm bildeten. Auch Julian Justvan zog zum Angriffsduo eine positive Bilanz nach dem Spiel: „Man sieht, dass es uns gut tut, mit zwei Stürmern zu spielen, die die Tiefe belaufen, die Spielfreude haben. Die beiden tun uns gut.“ Hinzu kommen etwa mit Jander und auch Justvan Spieler, die Steckpässe perfekt temperieren, die Situation schnell erfassen und damit gefährliche Konter einleiten können.

Aber: Wenngleich das Gros der Nürnberger Chancen aus Umschaltmomenten resultierte, bewies die junge Truppe auch im geordneten Angriffsspiel ihre Qualitäten. Von Beginn an wählte die Mannschaft stets die spielerische Lösung, schaffte es immer wieder sich durch Dreiecke, Klatschpässe oder erfolgreiche Eins-gegen-Eins-Duelle aus dem Düsseldorfer Druck zu lösen und Gegner zu überspielen. Dabei spielte sich die junge Mannschaft in das, was man einen „Flow“ nennt. Der Glücksforscher Mihály Csíkszentmihályi prägte den Begriff, der für einen mentalen Zustand völliger Vertiefung steht. Einen Zustand, in dem ein Sportler oder eine Mannschaft aufgeht. Ein Zustand, der dadurch entsteht, dass man weder unter- noch überfordert ist. Dieser Zustand äußert sich im Fußball mit Selbstvertrauen, Spielfreude und Spielwitz. Erkennen ließ sich dies etwa, als sich Jander und Danilo Soares mit einem doppelten Doppelpass inklusive Absatzkick auf engstem Raum aus dem Pressing befreiten oder als Justvan den Ball mit der Sohle verlängerte. All das, was Kampffanatiker als „Hacke, Spitze, eins zwei drei“ abtun, was aber sinnvoll eingesetzt für Überraschungsmomente und Chancen sorgen kann, ist das Ergebnis von Selbstvertrauen, Leichtigkeit und Spielfreude, aber auch von einem fußballerischen Ansatz, den man in Nürnberg lange vermisste. Unter Klose lässt die Mannschaft eine Handschrift des Trainers erkennen, ein Konzept, wie sie zu Chancen kommen möchte - in den Vorjahren basierten Tore oftmals aus Einzelaktionen oder glücklichen Fügungen, selten gingen attraktive Angriffe zuvor.

Unter Klose indes spielte der Club in manchen Spielen höchst gefälligen Angriffsfußball, brachte sich aber wegen mangelnder Chancenverwertung etwa im Hinspiel gegen Kaiserslautern oder Hamburg selbst um den Lohn. Trotzdem, das setzt sich im Fußball immer durch, bringen gute Leistungen mit stellenweise ausbleibenden Ergebnissen auf lange Sicht mehr Erfolg als pragmatische, aber überwiegend unverdiente oder glückliche Siege. Und: Auf lange Sicht kann dadurch auch deutlich mehr entstehen, als sich nur durch die Liga zu gaunern. Die Fähigkeit, „aus wenig viel zu machen“, welche Klose nach dem Spiel beschrieb, zählt zu den Dingen, die die Mannschaft in den vergangenen Monaten lernen musste - und das tat. Gegen Düsseldorf nutzte sie ihre Möglichkeiten weitestgehend konsequent.

... jedoch noch nicht in der laufenden Saison.

Aber nur weitestgehend, nicht gänzlich. Shinta Appelkamp, der Düsseldorfer Unterschiedsspieler, sagte nach dem Spiel über die Nürnberger Offensivbemühungen: „Wenn sie etwas sauberer gespielt hätten, hätten sie uns killen können.“ Selbiges Wort nutzt später auch Jan Reichert, allerdings in anderem Kontext: „Uns killen im Endeffekt zwei Standards, die wir ungenügend verteidigen und bei denen Düsseldorf auch ein wenig Glück hat.“ In der zweiten Hälfte tat sich der Club auch aufgrund der besseren Konterabsicherung der Rheinländer schwerer, vielversprechende Chancen zu kreieren, ließ aber lange Zeit auch selbst nichts zu, sodass der Sieg ungefährdet schien. Mit zwei Pingpong-Toren nach Standards startete Düsseldorf dann aber eine Aufholjagd, die durchaus überraschend kam. Überraschender als die Tatsache, dass der Club zwei Standardtore kassierte, erkannte doch sowohl Justvan als auch sein Kapitän darin ein grundsätzliches Problem. Robin Knoche fand klare Worte: „Es kotzt mich auf gut Deutsch einfach an, dass wir zum wiederholten Male Standardgegentore bekommen.“ Teil der Wahrheit ist auch, dass bei den ersten beiden Treffern reichlich Glück im Spiel war und es sich beim dem Ausgleichstor schlichtweg um einen Sonntagsschuss handelte.

Teil der Wahrheit ist aber genauso, dass der zuvor so souveräne und selbstbewusste Club mit nur einem Gegentor komplett sein Konzept verlor und ins Wanken geriet. Das ist zwar einerseits insbesondere bei einer jungen Mannschaft verständlich. Andererseits ist es genau das, was besser postierte Teams dem 1. FC Nürnberg voraus haben und was es zum Aufstieg braucht: Resilienz. Und das ist okay.

„Haben gute Arbeit gemacht“

Denn: Vor der Saison hatten viele Beobachter den Club mit Trainer Klose als potenzielle Enttäuschung erwartet und damit in jedem Fall falsch gelegen. Das Nürnberger Ziel war eine solide Saison und Entwicklung, nicht der Aufstieg. Und dieses Ziel wurde erreicht. Man sieht eine spielerische Entwicklung, nach der man am Valznerweiher lange lechzte. Man sieht junge Talente, die aufblühen. Man sieht einen Verein, der sich als attraktives Pflaster für aufstrebende Spieler etabliert. Man sieht oft Fußball, den man gerne sieht. Man sieht auch Mängel, natürlich, aber man sieht einen Fortschritt - auch innerhalb der Saison.

Demzufolge bilanzierte Klose: „Wir können uns nicht beschweren bei dem Weg, den wir eingeschlagen haben. Ich weiß, dass wir gute Arbeit gemacht haben, auch was den Jungs noch fehlt. Daran wollen wir arbeiten.“ Justvan indes konstatierte am Mikrofon bei Sky etwas resigniert: „Man hat heute gesehen, dass wir noch nicht so weit sind.“ Das stimmt. Aber man hat gesehen, dass diese Mannschaft, sofern sie ansatzweise zusammen bleibt und die abgehenden Spieler adäquat ersetzen kann, irgendwann so weit sein kann.

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