Strukturelles Defizit frisst Löcher

Trotz Transfermillionen: Club schreibt erneut rote Zahlen

Jonas Volkert

Redakteur

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23.11.2024, 12:40 Uhr
Drei Spieler weg, ein neuer Finanzvorstand da: Gelingt die finanzielle Wende bei Nürnbergs Herzensverein?

© IMAGO/Zink (Montage: nordbayern.de) Drei Spieler weg, ein neuer Finanzvorstand da: Gelingt die finanzielle Wende bei Nürnbergs Herzensverein?

"Ich bin hoch motiviert! Das ist eher eine Herausforderung für einen Schwaben, kein Desaster" - der neue Finanzvorstand des 1. FC Nürnberg, Stefan Heim, kennt sich qua Geburtsort (Reutlingen) mit dem Rotstift aus. Und den kann er beim Club dieser Tage gut gebrauchen, wie der Finanzbericht des Vereins einmal mehr zeigt: Erneut schrieb der Club in der abgelaufenen Spielzeit rote Zahlen. Aber, so gibt sich der seit Sommer für die Finanzen zuständige Vorstand zuversichtlich, Besserung sei in Sicht: "Mir ist da gar nicht Angst und Bange, so wie die Abteilungsleitenden und Mitarbeitenden hier mitmachen, um das Defizit zu beseitigen."

Die Finanzkennzahlen, die der 53-Jährige in diesen Tagen vorlegen muss, sie haben schon etwas Staub angesetzt: Der Finanzbericht des Vorstands gilt schließlich für Spielzeiten, nicht für Kalenderjahre - das Defizit, das Heim den Vereinsmitgliedern präsentiert, hat also schon ganze fünf Monate auf dem Buckel und gilt für die Zweitliga-Saison 2023/2024, die bereits im Sommer endete.

1,4 Millionen Euro Verlust

Die Rechnung ist eigentlich recht einfach: Die Einnahmenseite - Spielerträge, TV-Gelder, Transfererlöse als größte Einnahmequellen - war beim 1. FC Nürnberg in der abgelaufenen Saison deutlich kleiner als die Ausgabenseite - größte Posten: Personal, Spielbetrieb und Logistik sowie Verwaltungs- und Sachkosten.

55,4 Millionen Euro stehen dabei 56,8 Millionen gegenüber: Macht unterm Strich ein Minus von 1,4 Millionen Euro.

Damit nicht genug, sind hier bereits sogenannte "Sondereffekte" eingepreist - Mehreinnahmen, mit denen nicht immer gerechnet werden kann. Ein Beispiel: Im DFB-Pokal, so kalkuliert man am Valznerweiher, kann man davon ausgehen, dass man in die 2. Runde einzieht. Kommt man weiter - wie im vergangenen Jahr, als erst eine Runde später im Achtelfinale gegen den 1. FC Kaiserslautern Schluss war -, verdient der Verein mehr als erwartet. Ein schöner Effekt, findet auch Stefan Heim: "Aber besser wäre es eigentlich, solche Einnahmen in die Zukunft investieren zu können" - und eben nicht darauf angewiesen zu sein.

Erfolge auf dem Transfermarkt

Zu den so genannten außerordentlichen Erträgen zählen übrigens auch hohe Transfererlöse - und davon gab es zuletzt einige: Mats Møller Dæhli wechselte in seine norwegische Heimat zu Molde FK, Kwadwo Duah zu Ludogorez Rasgrad und Nathaniel Brown - manch einer wird es nicht mehr auf dem Schirm haben - wechselte bereits im vergangenen Winter zur Frankfurter Eintracht und war in der Rückrunde nur noch an Nürnberg ausgeliehen.

Zusammen mit den anderen Verkäufen des Vereins ergibt das Transfererträge von 8,6 Millionen Euro - von denen dem Verein nach Abzug von Transfernebenkosten und Abschreibungen noch circa 4 Millionen bleiben. Dennoch eine stolze Summe, lag der Wert im Vorjahr doch noch bei 2,1 Millionen Euro. Ein Name fehlt allerdings in der illustren Liste: Königstransfer Can Uzun, der dem klammen Verein rund 10 Millionen Euro eingebracht haben soll - wegen seines späten Wechsels im Juli aber erst in die Finanzen der laufenden Saison einfließt.

Bereinigt man die Finanzen um diese Sondereffekte, die es übrigens auch auf der Ausgabenseite gibt, sieht das Gesamtbild nochmal etwas düsterer aus: Das so genannte "strukturelle Defizit" des Vereins beträgt laut Heim derzeit rund 5 Millionen Euro. In einer Saison, die ganz nach (Finanz-)Plan verläuft, fährt der Verein also ein Defizit dieser Höhe ein.

"Ein neues Millionenloch? Nein!"

Der seit dieser Saison verantwortliche Finanzvorstand gab sich unter der Woche dennoch kämpferisch: "Haben wir eine hohe Verschuldung? Nein! Haben wir ein neues Millionenloch? Nein!" - Und tatsächlich zeigt ein Blick auf die Bilanzen der Ligakonkurrenten, dass sich der Club in guter - oder schlechter - Gesellschaft befindet: Etwa bei der Hertha in Berlin, wo ein Minus von 33,3 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2024 und 56,7 Millionen Euro Verbindlichkeiten - sprich: Schulden - zu Buche stehen.

Oder beim HSV, wo einem Gesamtumsatz von 123 Millionen Euro Verbindlichkeiten von 77 Millionen Euro gegenüberstehen. Noch dramatischer ist die Situation bei Schalke 04: 162,7 Millionen Euro Verbindlichkeiten haben die Knappen angehäuft, die zuletzt aber wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaften konnten. Demgegenüber stehen beim 1. FC Nürnberg aktuell "nur" 13,6 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass etwa Hannover 96 im Mai Verbindlichkeiten in Höhe von rund 6,2 Millionen Euro bekanntgab - und der Karlsruher SC sich dieser Tage - entgegen dem Trend der Liga - über einen Umsatzrekord freut. Die Verbindlichkeiten der Badener liegen dennoch in etwa in der Höhe des 1. FCN, nämlich bei rund 17,7 Millionen Euro.

Das große Problem in Nürnberg ist also (noch) nicht die Verschuldung, sondern das strukturelle Defizit. Deshalb, so Heim, sei man kürzlich in Klausur gegangen und habe nun ein Maßnahmenpaket geschnürt, mit dem man das strukturelle Problem angehen wolle. Dass das Wintertrainingslager im benachbarten Herzogenaurach statt in Südeuropa stattfindet, gehört ebenso zu den Sparmaßnahmen wie die spätere Öffnung des Stadions an Spieltagen oder Einsparungen bei der Beauftragung externer Berater.

Ehrgeizige Ziele

Damit, so rechnet der Finanzvorstand vor, will der Verein sein strukturelles Defizit bis zum Ende der kommenden Saison halbieren. Ein ehrgeiziges Ziel, wie der 53-Jährige selbst einräumt. Eine seit Jahren immer wieder diskutierte Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung sei hingegen "kein Thema" - man wolle die Struktur des Vereins nicht verändern.

Was finanziell noch mehr helfen würde als jede Sparmaßnahme mit dem Rotstift, wäre freilich erneuter sportlicher Erfolg. Ein Aufstieg zum Beispiel. Auch hier gibt sich der neue Vorstand selbstbewusst: "Wir alle freuen uns derzeit über eine junge, kämpfende Mannschaft, die uns daheim wie auswärts Spaß macht" - das strukturelle Defizit, es wäre auf einmal wie von Zauberhand ausgeglichen. Aber man hat gelernt beim FCN: "Man hätte ja trotzdem nur ein Jahr gesicherte Mehreinnahmen" - und das strukturelle Defizit, es wäre ohne weitere Sparmaßnahmen wie von Zauberhand nach einem Abstieg ebenso schnell wieder da.

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