BLSV: Hoffnung auf Wettkampfbetrieb nach 18. September
4.9.2020, 16:30 UhrHerr Ammon, studieren Sie eigentlich jeden Morgen zum Frühstück die neuesten Infektionszahlen?
Jörg Ammon: Tatsächlich mache ich das seit Mitte März jeden Tag.
Nun werden steigende Infektionszahlen als Argument dafür angeführt, dass die meisten Mannschaftssportarten lediglich Freundschaftsspiele austragen dürfen. Warum sollte ein Virus da Unterschiede machen?
Ammon: Nach meinem Kenntnisstand geht es da um die Intensität und Regelmäßigkeit von Fremdkontakten. Schon die im Juli erreichte Trainingsfreigabe war für uns ein zähes Ringen mit der Politik, die nach eigener Aussage über ihre Schmerzgrenze gehen musste. Wir sind ja immerhin doch in den vergangenen Monaten einige Schritte vorangekommen.
Wie viel Prozent fehlen noch bis zum Ziel?
Ammon: In Prozent lässt sich das kaum ausdrücken, allein schon weil wir von 56 Fachverbänden und über 300 Disziplinen reden. Formal aber stehen wir im vierstufigen Plan, auf den wir uns im Mai in Zusammenarbeit mit dem Innenministerium verständigt haben, auf der letzten Schwelle. Angefangen bei der Genehmigung eines kontaktfreien Trainingsbetriebs, fehlen jetzt nur noch drei Punkte. Die Wiederaufnahme von Wettkämpfen im Kontaktsport, eine Regelung für Zuschauer sowie den Umgang mit länderübergreifenden Ligen.
Stichwort Zuschauer: Warum sollen die im Amateurbereich ein Problem darstellen, wenn anderswo in der Bundesliga wohl bald wieder tausende in ein Stadion dürfen?
Ammon: Ganz kurz gesprochen herrschen bei den Profis ganz andere Rahmenbedingungen. Zum einen in wirtschaftlicher Dimension, zum anderen natürlich in den entsprechenden organisatorischen Möglichkeiten, um Abstands- und Hygienekonzepte durchzusetzen. Die Haftungsfrage ist eindeutig geklärt.
An der Amateurfußball-Basis verweisen sie auf Baden-Württemberg. Dort scheint es weniger Bedenken wegen einer Handvoll Beobachter auf einem Dorfsportplatz zu geben.
Ammon: In Baden-Württemberg, das mit Bayern und Nordrhein-Westfalen von mehr Corona-Fällen betroffen ist als alle anderen Bundesländer zusammen, wurde der Spielbetrieb im Gegensatz zu Bayern vorzeitig abgebrochen und im Juli bereits wieder zugelassen, als sich die Reiserückkehrer-Welle noch nicht so stark bemerkbar gemacht hat. Nachdem die Schule in Baden-Württemberg eine Woche später losgeht, wird man in den kommenden Wochen erst noch seine Erfahrungen machen. Auf das Risiko, die Öffnung unter Umständen wieder zurückzunehmen zu müssen, wollte sich die bayerische Politik nicht einlassen. Bei der Erlaubnis zum Trainingsbetrieb hat Bayern wiederum die Gruppengrößen um Nuancen früher angehoben als manches Nachbar-Bundesland.
Gibt es noch eine realistische Chance auf die Rückkehr in den Wettkampfbetrieb in diesem Jahr?
Ammon: Die jüngst vom Kabinett beschlossene Verlängerung der Beschränkungen bis zum 18. September war mit der eindeutigen Zusage verbunden, sich beim nächsten Treffen am 14. September mit dem Breitensport zu befassen. Bei rückläufigen Infektionszahlen innerhalb dieser knapp zwei Wochen sehe ich gute Chancen, dass der Spielbetrieb auch in der Halle samt begrenzter Zuschauerzahl freigegeben wird. Ob es in einem anderen Szenario zu einer Teilöffnung kommt, ist nicht vorherzusehen. Jede Spekulation ist müßig bei dem Tempo an Veränderungen in den vergangenen Monaten. Wir brauchen alle noch ein wenig Geduld.
Sie klingen verständnisvoll und wenig überrascht bezüglich der jüngsten Entscheidungen der Staatsregierung, während der Fußballverband poltert. Wie läuft denn da die Kommunikation zwischen den Akteuren?
Ammon: Den Plan, zuerst den Schulstart abzuwarten, kannten wir mit einer Woche Vorlauf zur öffentlichen Verkündung und haben jetzt einen Tag nach der Kabinettssitzung in einem Webinar unsere Bezirke, Kreise und Sportfachverbände informiert. Dazu äußerte sich Innen- und Sportminister Joachim Hermann in der Video-Botschaft. Was das Handeln des Fußballverbands angeht, gab es zwischen mir und Herrn Koch noch am Dienstag direkt nach der Kabinettssitzung einen telefonischen Austausch unserer Positionen. Für mich ist im generellen Umgang mit den verschiedensten Beteiligten wichtig, dass wir auch in Zukunft noch zusammenarbeiten können sollten.
Situation der Klubs im Kreis Neumarkt zu Pandemie-Beginn
In der Gegenwart kursieren aus Vereinskreisen mitunter düstere Zukunftsprognosen. Teilen Sie diese coronabedingten Existenzängste?
Ammon: Keine Frage, gerade finanziell sind die Vereine spürbaren Belastungen ausgesetzt. Es fehlen Einnahmen aus Veranstaltungen und dem Wettkampfbetrieb. Aus den wöchentlichen Meldungen der Mitgliederzahlen ergibt sich bis Anfang 2021 ein geschätzter Rückgang zwischen drei und fünf Prozent, entgangene Eintritte eingerechnet. Um den Schaden abzufedern, hat der Freistaat bereits mit der Verdoppelung der Vereinspauschale von 20 auf 40 Millionen Euro reagiert. Das gab es in keinem anderen Bundesland. Über weitere Impulse befinden wir uns bereits in Verhandlungen.
Gießkannenpolitik schön und gut, schimpfen ehrenamtliche Übungsleiter. Doch werde damit kein abgewanderter Jugendlicher zurückgewonnen.
Ammon: Wir gehen die Herausforderung optimistischer an und glauben, dass bei manchem die Lust auf Vereinssport nach der Durststrecke neu erweckt. Im Hintergrund arbeiten wir deshalb längst an frischen Kampagnen zur Mitgliedergewinnung und versuchen den Klubs mit Aktionen wie der Auszeichnung „Sportliche Helden in der Krise“ Mut für Innovationen zu machen. Wenn wir Corona als temporären Gegner betrachten, gibt es für den Breitensport doch eine langfristig viel größere Konkurrenz etwa durch zunehmende Abhängigkeit der Jugend von Online-Spielen.
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