Comeback: Wie Sport-Amateure nach Corona-Infektion trainieren

Kevin Gudd

Neumarkter Nachrichten

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9.3.2021, 14:29 Uhr
Der 19 Jahre alte Wahl-Nürnberger Philip Bußler trat nach seiner Corona-Infektion zum Belastungs-EKG bei Sportmediziner Bernd Langenstein an.  

© Michael Matejka, NNZ Der 19 Jahre alte Wahl-Nürnberger Philip Bußler trat nach seiner Corona-Infektion zum Belastungs-EKG bei Sportmediziner Bernd Langenstein an.  

Das ambitionierte Talent

Sich für nahezu unverwundbar zu halten, ist eine gängige Phase in der Pubertät. Dass ihn sein Körper auch tatsächlich kaum im Stich ließ und er von größeren Verletzungen verschont blieb, durfte David Persin als zusätzliche Bestätigung für seinen sportlichen Weg empfinden. Am Stützpunkt der Nürnberger Bertolt-Brecht-Schule erhielt das in Niederndorf entdeckte Badminton-Talent aus Herzogenaurach den Feinschiff seiner Ausbildung mit bis zu drei Trainingseinheiten pro Tag und schlug für den ambitionierten ESV Flügelrad in der Regionalliga auf.

Nach dem Abitur 2020 war der inzwischen 20-Jährige gerade dabei, die Weichen für ein duales Studium der Wirtsschaftsinformatik in Stuttgart zu stellen und trat mit dem Leistungssport vorübergehend zurück, da zerbrach die einstige jugendliche Unbekümmertheit an einer Corona-Infektion.

Badminton-Spieler David  Persin.  

Badminton-Spieler David  Persin.   © Stefan Hippel, NN

Kurz vor Weihnachten erwischte es Mutter und Schwester. David Persin wurde vorsorglich getestet und bekam ebenfalls ein positives Ergebnis. „Erstmal habe ich mich aber noch gut gefühlt und wollte unbedingt mein Fitness-Programm zu Hause weiter durchziehen. Ich brauche die tägliche Bewegung einfach. Dann ging es plötzlich mit Fieber los, ich lag eine Woche komplett im Bett. Das war eine ungewohnte Situation.“

Nach der zweiten Woche setzte sich Persin wieder auf den Home-Trainer und versuchte im Verlauf des Januars die Belastung hochzufahren, stieß jedoch überraschend früh an seine Grenzen. „Konditionell lief es extrem zäh. Ich war platt, als ob ich ein komplettes Turnier gespielt hätte. Im Nachhinein bin ich froh über dieses Signal.“ Unsicher, wie er sich nun verhalten soll, ging der sonst vor Kraft strotzende junge Mann auf Vermittlung seines ehemaligen Landestrainers auf die angebotene Hilfe am sportmedizinischen Institut des Nürnberger Südklinikums ein.

Der wachsame Arzt

Im vergangenen Jahr zeichnete Dr. Bernd Langenstein für die Behandlung einiger prominenter Profis verantwortlich, während auf den Freizeit- und Amateursport zunächst ein geringer Anteil entfiel. „In der ersten Welle waren die Corona-Patienten im Durchschnitt älter und nicht mehr so fit. Das ändert sich jetzt. Es kann selbst den austrainiertesten Mittdreißiger schwer treffen. Ich rechne mit einem steigenden Aufkommen“, sagt Langenstein.

Sportmediziner Dr. Bernd Langenstein

Sportmediziner Dr. Bernd Langenstein © Giulia Iannicelli

Wie lange seine Schützlinge hingegen brauchen, um zurück zu alter Form zu finden, lasse sich aus den bisherigen Erfahrungen bedingt ableiten. „Das hängt von der Dauer der Quarantäne und der Art der Beschwerden ab. Ähnlich wie beim Drüsenfieber merkt man mitunter gar nicht, dass etwas fehlt. Daher ist die Kontrolle selbst bei einem milden Krankheitsverlauf sinnvoll. Freilich ist der Zeitdruck bei Profis ein anderer.“ Dennoch gilt für alle zur Vorbeugung von Gesundheitsrisiken ein Standard-Protokoll, dem sich individuelle Rehamaßnahmen oder eine verlängerte Sportpause anschließen können. Im Zentrum der Untersuchung stehen Herz und Lunge, die von jeglichen Grippeviren am auffälligsten in Mitleidenschaft gezogen werden. Der erste durch EKG, Ultraschall, Spirometrie und Blutanalyse erfasste Eindruck wird je nach Resultat in einer zweiten Runde durch ein reguläres Belastungs-EKG oder Laktat-Test einer genaueren Betrachtung unterzogen.


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David Persin hat Glück gehabt und seinen jüngsten Check im Februar bestanden. Er bekam die Freigabe, sich bis zu einem freiwilligen Nachsorge-Termin in etwa acht Monaten wieder voll zu verausgaben, möchte die Intensität trotzdem bewusst geringer halten. Es sei eine Herausforderung, den über Jahre gepflegten Leistungsmotor herunterzuschalten und besser in sich hineinzuhören, bestätigt Persins früherer Mitschüler Philip Bußler. Beim Versuch, bereits einen Monat nach den ersten Corona-Anzeichen in Form eines trockenen Hustens in den Trainingsbetrieb zurückzukehren, kämpfte der 19-jährige Perspektivspieler des Badminton-Bundesligisten TSV Neuhausen-Nymphenburg arg mit Ermüdungserscheinungen.

Der gebürtige Oberbayer aus Geretsried verordnete sich in Absprache mit Bernd Langenstein ein reduziertes Pensum. „Ich habe mich schlau gemacht und in einer Studie von Depressionen als mögliche Nachwirkung gelesen. Seitdem geistert irgendwo im Hinterkopf herum, dass da eventuell noch etwas auf mich zukommen könnte.“ Im Alltag ringt sich Bußler indes eine optimistischere Sichtweise ab. Wie bei Persin standen die Aussichten auf eine Profi-Karriere als Aktiver ohnehin gering. „Ich kann mich also ohne Druck auskurieren.“

Der geläuterte Routinier

Allein vor falschem Ehrgeiz ist eben niemand gefeit, weiß ein älterer Sport-Routinier aus Nürnberg zu berichten. „Bis die Rückenprobleme unerträglich wurden, habe ich beim Fußball noch mit über 35 die Knochen hingehalten und mich von einem kleinen Schnupfen nie lang bremsen lassen“, erzählt Thomas, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Der 57-Jährige arbeitet in einer sensiblen Branche und zählt sich in der Pandemie zum vorsichtigen Typ. Sportlich ist er vom Fußball über gelenkschonende Taekwando-Matten beim Joggen und ausgedehnten Hundespaziergängen gelandet, achtet konsequent auf tägliche Aktivität. Dabei gestaltet er den Ausgleich zur sitzenden Bürotätigkeit meistens recht flott.

Doch auch er ahnte nicht, wie brutal ihn Corona aus der Bahn werfen sollte. Was sich Anfang November mit Kopfschmerzen und Geruchsverlust ankündigte, entwickelte sich zur andauernden Geduldsprobe. „Nachdem ich zwischenzeitlich nicht mehr als ein paar Liegestütze hinbekommen habe, dachte ich schon an ein Leben mit Gehwägelchen. Vor allem psychisch tat mir die Beratung am Klinikum unheimlich gut. Es war beruhigend zu erfahren, dass die Untersuchung keine gravierenden Schäden ergab.“

Acht weitere Wochen zwang sich der Nürnberger zur Ruhe. Wiewohl jüngste Ergebnisse zur Sauerstoff-Sättigung unter der Bewegung einen eindeutigen Aufwärtstrend belegen, spürt der 57-Jährige beim Treppensteigen leichte Atembeschwerden. „Das hält mir vor Augen, was an mir vorbeigegangen ist. Daran habe ich mental noch zu knabbern.“ Beim Laufen übt sich Thomas neuerdings in Mäßigung, trägt widerwillig eine Puls-Uhr. „Aus der heutigen Sicht war ich früher oft unvernünftig. Ich kann nur jedem raten, eine Grippe nie auf die leichte Schulter zu nehmen.“ Eine Vorlage, die der privat ambitionierte Marathoni Bernd Langenstein gerne aufnimmt. Nachdrücklich wirbt der 59 Jahre alte Sportmediziner dafür, sich gerade als Breitensportler in regelmäßigen Abständen einem Gesundheitscheck zu unterziehen.

Die unbeugsame Kämpferin

Eine krasse Leidensgeschichte hat Mirjam Schall zu erzählen. Noch weit vor der Pandemie wähnte sich die gebürtige Rotherin in der Triathlon-Szene auf dem aufsteigenden Ast, ehe die ihr bekannte Bewegungswelt zusammenbrach. Die damals frischgebackene 24-jährige Mutter litt unter häufigen Rücken- und Gelenkschmerzen, die sich als seltener Gen-Defekt namens Ehlers-Danlos Syndrom (im Volksmund: Überbeweglichkeit) entpuppten.

Langstrecken-Schwimmerin Mirjam Schall.  

Langstrecken-Schwimmerin Mirjam Schall.   © privat, NN

„Mir wurde gesagt, ich könne nie wieder Sport machen.“ Dem Rollstuhl aber entkam die gelernte Arztfachhelferin aus Wolkersdorf mit einem eisernen Willen und familiärer Unterstützung, vermag ihrem schwachen Bindegewebe als Langstrecken-Schwimmerin seit Jahren beeindruckende Leistungen abzutrotzen.

Mit dem beliebten Abhärtungsritual zu Jahresbeginn im Eisbad von Veitsbronn wäre es für Mirjam Schall jedoch nichts geworden, selbst wenn die Veranstaltung stattfinden hätte können. Die heute 43-Jährige steckte sich, wohl bei der Arbeit in einer Arztpraxis, im Dezember mit Covid-19 an. „Von Muskel- und Gelenkschmerzen über Atembeschwerden bis Fieber war alles dabei. Schon der Gang ins Badezimmer war die Hölle.“ Nach drei Wochen schien der Spuk überstanden.

Die lizenzierte Triathlon- und Schwimm-Trainerin erlaubte sich auf eigene Faust auf der Rad-Rolle einen ersten Schritt zurück in die Normalität, musste sich allerdings bald eines Besseren belehren lassen. Kopfweh und Gedächtnisstörungen trieben sie ins Wartezimmer ihres ehemaligen Chefs Bernd Langenstein. Als der noch einen Monat später endlich die ersehnte Entwarnung gab, stürzte sich Schall vor Erleichterung direkt mit Neoprenanzug in den Rothsee. „Natürlich muss ich mich dosiert an meine alten Umfänge herantasten, das ist bei niedrigen Wasser-Temperaturen noch wichtiger“, sagt Schall, für die der Pulsmesser ein ebenso ständiger Begleiter ist wie die jährliche kardiologische Untersuchung.

Eine längere Pause kommt für die unbeugsame Kämpferin indes nicht in Frage. „Durch den Sport überwinde ich meine Krankheit. Auf keinen Fall lasse ich mir das von Corona kaputt machen. Bis zum Sommer will ich wieder in Schwung kommen.“

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