Nach dem EM-Aus

Die erschöpfte Republik: Was Jogi Löw mit Angela Merkel verbindet

Alexander Jungkunz

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30.6.2021, 15:40 Uhr
Dieses Foto entstand vor elf Jahren: Angela Merkel und Joachim Löw im Februar 2010. 

© imago images/Christian Thiel, NNZ Dieses Foto entstand vor elf Jahren: Angela Merkel und Joachim Löw im Februar 2010. 

Sie verstehen sich gut, sie schätzen sich: Angela Merkel und Joachim Löw. Die Bundeskanzlerin und der Bundestrainer. Der Ex-Bundestrainer. Und bald auch die Ex-Bundeskanzlerin.

Fast gleiche Amtszeiten

2005 kam Merkel auf den Chefposten, 2006 Löw. Nun endet ihre Amtszeit - die man bei beiden sicherlich als Ära bezeichnen kann - fast zeitgleich. Ein Zufall? Sicherlich. Trotzdem ist es erstaunlich, wie viele Ähnlichkeiten es zwischen beiden gibt. Und zwischen den Ergebnissen ihrer Arbeit.

Deutschland hat einen guten Ruf. Als Nation - und als Fußball-Nation. Aber ist dieser Ruf noch berechtigt? Das "Aus" für die Nationalmannschaft belegt das Gegenteil. Das Team spielte nicht gut, auch wenn der TV-Reporter die Leistung aufhübschte.

Ruhe, gewiss. Aber vielleicht zu viel Ruhe

Dieses Aufhübschen geschieht oft auch mit Blick aufs Land. Und auf die Leistung der Kanzlerin. Gewiss: Angela Merkel war schon wegen ihrer Erfahrung eine weltweit angesehene Repräsentantin Deutschlands. Sie brachte Gelassenheit und Ruhe in die Politik.

Aber diese Ruhe muss man auch negativ sehen: Die Bundesrepublik veränderte sich zu wenig in der Ära Merkel, es war eine Zeit mit zu viel Stillstand.

Corona machte Schwächen sichtbar

Die Pandemie hat das sichtbar gemacht: Sah es am Anfang von Corona so aus, als sei der deutsche Staat bestens gerüstet für diese gewaltige Herausforderung. Doch rasch zeigte sich: Nein, da gibt es viele Schwächen.

Schlechte und veraltete Ausrüstung, viel zu wenig Digitalisierung, eine teils marode Infrastruktur - weil Sparen statt Investieren angesagt war. Und weil viele das ziemlich gut fanden.

Wir sind nicht so toll, wie wir uns gern finden

In der Beliebtheitsskala der Nationen stand und steht Deutschland weit vorn. Aber in den Rankings, die Leistungs- und Zukunftsfähigkeit messen, rutschte es ab. Salopp gesagt: Wir sind nett und freundlich, aber wir schwächeln. Wir klopfen uns gern selbst auf die Schultern - aber die werden schwächer. Wir sind nicht so toll, wie wir uns gern finden.

Auch da gibt es Parallelen zur DFB-Elf. Beginnen wir bei diesem DFB: eine Organisation im selbst verschuldeten Chaos, mit verkrusteten Strukturen. So desaströs steht die CDU als klassische Regierungspartei nicht da - aber auch der Union fehlt eine Erneuerung, eine Auffrischung. Sie wird geprägt von Armin Laschet, mehr noch aber vom verdienstvollen, aber nicht mehr jungen Wolfgang Schäuble.

Zu wenig Platz für Talente

Junge Talente zu fördern und sie auch machen zu lassen: Das hat Jogi Löw oft versäumt. In der Politik sind diese Talente kaum sichtbar - auch wegen der Zähigkeit, mit der zu viele an ihren Posten kleben.

Das deutsche Spiel war vorsichtig, berechenbar, statisch. Es fehlten Mut, Gier, Leidenschaft, Risikobereitschaft, Ehrgeiz. Ist es völlig daneben, zu sagen, dass dies in ganz Deutschland ähnlich ist?

Es fehlen Ziele, Ideen, Visionen für eine bessere Zukunft. Die Lust darauf, vorne zu stehen. In den Wahlprogrammen findet sich dazu Wolkiges.

Amtszeiten müssen begrenzt werden

Löws Elf ist am Ende, der Trainer auch. 15 Jahre war er im Amt. Zu lang. Merkels Team ist, das zeigen die Fehler und Schwächen nicht nur während der Pandemie, auch weitgehend am Ende, die Kanzlerin auch. 16 Jahre war sie im Amt. Zu lang.

Nichts belegt die Notwendigkeit einer Begrenzung von Amtszeiten besser als der Zustand der Nationalmannschaft. Und der Nation.

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