Neue Ausstellung über Fankultur in Nürnberg
"Fan.Tastic Females" zeigt: Fußball ist keine Männersache
15.7.2021, 14:25 UhrGrace Mc Kenzie ist Fan des FC Clyde, eines schottischen Drittligisten, dessen größte Zeiten lange vorbei sind. Dennoch besucht sie sämtliche Spiele ihres Vereins. "Wenn du beim Fußball bist, dann gibt es keine schlechten Tage, finde ich." Warum sich Frauen wie Grace McKenzie in diesen Sport verliebt haben, das erzählt die Ausstellung "Fan.Tastic Females", die vom 16. bis 28. Juli im Foyer der Kulturwerkstatt Auf AEG zu sehen ist. Die im städtischen Kulturamt angesiedelte Deutsche Akademie für Fußball-Kultur hat die Schau nach Nürnberg geholt.
70 Frauen, 21 Länder
Es sei ein Projekt von weiblichen Fans für alle Fans, sagt Akademie-Chefin Birgitt Glöckl. Ein Team des europäischen Fan-Netzwerkes Football Supporters Europe um Daniela Wurbs hat für die Wanderausstellung, die 2018 erstmals in Hamburg zu sehen war, mehr als 70 Frauen aus 21 Ländern gefragt, warum sie sich für Fußball begeistern. In rund fünfminütigen Videos erzählen sie ihre Geschichten rund um den Ball. "Die Ausstellung soll nicht belehren. Es geht einfach darum zu sehen, wer sind die Frauen, die ins Stadion gehen?", sagt Glöckl.
Spaß mit unbekannten Leuten
Da ist zum Beispiel Uhde, eine 1996 geborene Anhängerin des türkischen Spitzenvereins Fenerbahce Istanbul. Der türkische Verband hat im Jahr 2011 als Strafe wegen Ausschreitungen alle Männer aus dem Stadion verbannt und nur Frauen und Kinder zugelassen. Das war Uhdes erstes Spiel – und die Begeisterung hat sie nicht mehr losgelassen: "Ich habe gelernt, dass ich dort Spaß mit Menschen habe, die ich überhaupt nicht kenne", erzählt sie. Im Nachhinein wisse sie nicht, ob es richtig war, die Männer für dieses Spiel auszusperren.
Aber viele ihrer Freundinnen hätten an jenem Tag zum Fußball gefunden.
Siestas Fan-Sozialisation verlief ganz anders, denn schon ihr Urgroßvater sei ein Fußballer gewesen, erzählt sie. Nun engagiert sich die 1991 geborene Anhängerin des AS Trencin, eines slowakischen Erstligisten, in dem Fanklub "Trenchcoat Gangsters", der sich dezidiert gegen Faschismus, Homophobie, Rassismus und "diesen verdammten Scheiß" wendet.
Diskriminierung und Polizeigewalt
Sie erzählt, wie viel ihr der Fußball bedeutet, aber auch dass männliche Arbeitskollegen kein Verständnis dafür hätten, dass sie ins Stadion geht. Und dass es manchmal auch gefährlich werden könne: In Ljubljana haben einheimische Fans die "Trenchcoat Gangsters" angegriffen. Andere Anhängerinnen berichten von Diskriminierung oder Sexismus, Polizeigewalt ist auch ein Thema.
Fehlende Toiletten
Clyde-Anhängerin McKenzie, die seit 1972 zum Fußball geht, hatte mit diesen Dingen nicht zu kämpfen, wohl aber mit einem ebenfalls nicht unerheblichen Problem: "Es gab keine Frauentoiletten." McKenzies Geschichte ist auch die einer ungewöhnlichen Freundschaft, denn die 1924 geborene Grace Donald nahm ihre jüngere Namensvetterin unter die Fittiche, als diese mit zwölf Jahren zum ersten Mal im Stadion auftauchte. "In den Stadien waren wir bekannt als die alte und die junge Grace", erinnert sich McKenzie.
Vier Jahrzehnte tingelten sie mit dem FC Clyde durch das Land, bis die damals 94-jährige Donald im Jahr 2018 zu gebrechlich geworden war und sich per Videobotschaft von ihrem Verein verabschiedete.
Auch Ramona Steding (Jg. 1978), die als Anhängerin von Borussia Dortmund in vielen Kampagnen gegen die Schattenseiten des Geschäfts kämpft, hat erlebt, wie viel einem das Miteinander in der Kurve geben kann. Als ihr Mann Arne, ebenfalls ein engagierter BVB-Fan, 2015 einem Krebsleiden erlag, erinnerte die Anhängerschaft in einer Gedenkminute an ihn. "Ich habe viel Anteilnahme und Solidarität gespürt", sagt Steding: "Ich erlebe Spiele seitdem auf derTribüne auch anders als vorher."
Smartphone erforderlich
Die Videos mit Steding und den beiden Graces sind in der Ausstellungsrubrik "Ikonen weiblicher Fan-Kultur" zu sehen, daneben gibt es noch Gruppen wie "Weibliche Ultras" (mit Siesta und Uhde), "Fanfrauen in Führungsrollen" oder "Fanfrauen wie du und ich".
Um die kleinen Filme sehen zu können, braucht man (neben einer FFP-2-Maske wegen der Hygienevorschriften) ein Smartphone und Kopfhörer, denn der Besucher muss den Code auf den Ausstellungstafeln abscannen. Die Interviews sind wahlweise in deutsch oder englisch untertitelt. Die Schau bietet eine gute Möglichkeit, die Zeit zwischen EM und der neuen Bundesliga-Saison nicht ohne Fußball verstreichen zu lassen. Sie ist zu sehen Auf AEG, Fürther Straße 244d, Eintritt frei. Mo.-Fr. 9-20 Uhr, Sa./So. 9-18 Uhr.
Diskussion zu Fußball und Corona
Am Montag, 19. Juli, findet an gleicher Stelle eine Podiumsdiskussion zum Thema "Fußball und Corona" (18.30 Uhr) mit ausschließlich weiblich besetztem Podium statt. Mit dabei sind unter anderem Ausstellungsmacherin Daniela Wurbs und Torhüterin Lea Paulick (1.FC Nürnberg), mehr Informationen gibt es hier. Anmeldung erforderlich: 23 17 95 55.
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