Fußball-Landesliga

FC Herzogenaurach: Vom Abstiegskandidaten zum Tabellenführer

6.9.2021, 13:25 Uhr
FC Herzogenaurach: Vom Abstiegskandidaten zum Tabellenführer

© Foto: Wolfgang Zink

Menschen lieben Rätsel, und dieses hier soll der folgende Artikel lösen: Wie kann es sein, dass eine Mannschaft, die vor einem Jahr noch Abstiegskandidat war und dieses Jahr in vielen Augen erneut sein sollte, plötzlich zu einer Landesliga-Top-Mannschaft geworden ist, die Siege einfährt, als wären es Bestellungen?

Der sechste Sieg in Folge

An einem Oktobernachmittag des vergangenen Jahres sinken die Spieler des FC Herzogenaurach nach dem Schlusspfiff frustriert und erschöpft zu Boden. Verloren. Wieder einmal. Mutlos und angsterfüllt treten die Pumas damals auf. Die Offensivkraft leidet, weil das Selbstvertrauen fehlt, und das Selbstvertrauen leidet, weil die Offensivkraft fehlt – ein Teufelskreis. Spricht man in diesen Wochen der kollektiven Ratlosigkeit mit den Spielern, fallen Wörter wie "Seuchenjahr" und "Katastrophe". Und eine Frage hängt stets unausgesprochen über dem Rasen: Neigen sich die goldenen FCH-Jahre nun allmählich dem Ende entgegen?

Als am Freitagabend der Schlusspfiff ertönt, bricht Jubel aus. Ein Sieg. Der sechste in Folge. 27 Minuten. Mehr brauchen die Pumas nicht, um die Partie gegen Neudrossenfeld für sich zu entscheiden. Drei frühe Tore, am Ende steht es 4:0. Auf dem Instagram-Account des Vereins fallen in diesen Wochen der Euphorie scherzhaft Wörter wie "Aufstiegskurs". Und eine Frage wird diesmal ausgesprochen: "Woher kommt dieses Selbstvertrauen?" "Zurzeit läuft einfach alles für uns", sagt Marco Amling.

Nähern wir uns dem Rätsel von außen, beginnen wir mit dem Offensichtlichen. Über Jahre hinweg entwickelte sich der Kader langsam, der Kern blieb unverändert, ergänzt nur durch wenige Neulinge. Doch nach der Saison des Beinahe-Abstiegs entschieden sich die Verantwortlichen, einen Umbruch in Raten einzuleiten. Mit den sieben Neuzugängen verschmelzen im Kader nun drei Teile miteinander.

Der erste Teil hat den Verein über Jahre hinweg geprägt und nach oben geführt, wie etwa Eric Stübing. Der zweite Teil soll den Verein über Jahre hinweg prägen und dort oben halten, wie etwa der 17-jährige Philipp Nierlich. Und der dritte Teil besteht aus Verbindungsspielern, die sich irgendwo zwischen diesen beiden Polen bewegen, wie etwa Marco Amling.

"Breite und Mischung im Kader haben den Konkurrenzkampf belebt"

"Der Verein ist in einer Übergangsphase", erklärt der Offensivspieler die Herausforderung, die Erfolge, die eine goldene Generation dem Verein geschenkt hat, den Jüngeren zu überreichen, ohne dabei an Qualität zu verlieren. "Aber diese Breite und Mischung im Kader haben den Konkurrenzkampf belebt", sagt Amling. Manchmal, wenn sich eine Mannschaft aus sich selbst heraus nicht mehr zu ändern vermag, wenn die Routinen sich verfestigt haben, da braucht es eben einen Anstoß von draußen. Aber reicht das schon, um das Rätsel zu lösen?

Schaut man sich derzeit den FCH-Fußball an, dieses Auftreten als Schachspieler, die dem Gegner geduldig die Figuren rauben, bis dessen Stellung zusammenbricht, dieser Versuch, sich selbst maximal Optionen zu schaffen und dem Gegner maximal Optionen zu nehmen, dann wirkt das frisch und doch seltsam vertraut. Im vergangenen Jahr musste Jakob Karches dabei zusehen, wie das taktische Bild, an dem er lange und sorgsam gezeichnet hatte, immer mehr zu verblassen drohte. In einer solchen Situation hätten viele Trainer versucht, etwas völlig Neues zu entwerfen.

Doch Karches blickte wohl nochmal zurück auf das alte Bild – und entschied sich, die Konturen nachzuzeichnen. Hohes Pressing, Dreiecke bilden, Spiel über den Dritten – alles typische Karches-Prinzipien, die der Coach in der Vorbereitung reaktivierte. "Diese Art von Fußball kennen wir ja, aber das musste erst wieder verinnerlicht werden", erklärt Amling.

Das Selbstvertrauen der Pumas erwächst aus der Erinnerung. Der Dominanz-Fußball der Vergangenheit und der breite Kader der Gegenwart finden zueinander. Und so ist dies vielleicht gar kein Rätsel, sondern vielmehr die Geschichte über einen Verein, der zurück zu seinem alten Ich findet – und sich dabei ein Stück weit neu entdeckt.

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