Fünf Gründe für die Krise der Ice Tigers
29.1.2021, 17:36 UhrDie Ice Tigers sind in der Krise, weil in der DEL plötzlich die Himmelsrichtungen von Bedeutung sind.
Natürlich war es richtig, die Deutsche Eishockey Liga in zwei Gruppen aufzuteilen. Kurze Reisen ohne Übernachtungen reduzieren das Infektionsrisiko, die Strapazen für Spieler, Trainer und Betreuer, und die Kosten für die Klubs. Und natürlich war es im Sinne der Ice Tigers, mit Straubing, München, Augsburg und Ingolstadt eingeteilt zu werden, die gerade noch so als Derby-Gegner durchgehen. Die gemeinsame Geschichte mit den Mannheimer Adlern ist bestens bekannt – zumindest in Nürnberg. Niemand würde sich ernsthaft über diese Konstellation beschweren, auch jetzt nicht. Nur gehört zu einer seriösen Analyse auch dazu, die Stärke dieser Südgruppe zu berücksichtigen: Mannheim, München und Straubing belegten zum Ende der Hauptrunde 2020 die Plätze eins, zwei und drei. In Ingolstadt wusste man lange nicht, ob es wirtschaftlich seriös ist, in die Saison zu starten – bis Manager Larry Mitchell plötzlich die Möglichkeit hatte, Spieler, die auch in Nürnberg (Pietta) im Gespräch waren, zu den Panthern zu locken, und ein Team zusammenzustellen, dass es qualitativ mit Mannheim und München aufnehmen kann. Und in Schwenningen hat man das Geschäftsmodell, andernorts unzufriedene Spieler in den Schwarzwald zu holen, perfektioniert und eine harmonische Mannschaft zusammengestellt.
Schon vor dem ersten Spiel wurden die Ice Tigers nur noch mit den Augsburger Panthern auf Augenhöhe eingeschätzt – und die haben seitdem mit Danny Kristo und Spencer Abbott noch einmal Spieler verpflichtet, die in einer Welt ohne Corona sicher nicht in den Keller der DEL gewechselt wären. Auch die Ice Tigers werden noch einmal personell nachlegen: mit einem jungen deutschen Stürmer, der den langzeitverletzten Vincent Hessler ersetzen soll.
Die Ice Tigers sind in der Krise, weil sie das genauso hatten einplanen müssen.
Vor dem Spiel in Ingolstadt hatte Frank Fischöder viermal in Folge die Einstellung seiner Spieler gelobt. Nach vier Niederlagen in Folge. Nach dem 0:8 sparte er sich das. Nur war auch in Ingolstadt die Einstellung das geringste Problem – für die Ice Tigers ist das keine beruhigende Erkenntnis. Vielleicht ist die Mannschaft einfach nicht besser. André Dietzsch und Frank Fischöder kann das kaum überraschen. Nachdem Will Acton um Auflösung seines Vertrags gebeten und sich Joachim Ramoser erneut schwer verletzt hatte, hätten der Sportdirektor und der Cheftrainer sicher auch erfahrene Importspieler nach Nürnberg holen können. Sie haben sich aber bewusst für Eric Cornel (24) und Brett Pollock (24) entschieden, obwohl sie mit Tyson McLellan (24) bereits einen ungewöhnlich jungen Europa-Neuling unter Vertrag genommen hatten.
Die Begründung passte zum neuen nachhaltigen Nürnberger Weg: Sie wollten keine Importspieler nur für eine Saison verpflichten. Nun deuten Cornel und Pollock immer wieder an, dass sie auch in der DEL prominente Rollen übernehmen können. Die Andeutung alleine bringt ihre neue Mannschaft aber noch nicht weiter. McLellan scheint mit der Physis überfordert zu sein. Dazu kommen die Probleme von Marcel Kurth (Covid-19, Gehirnerschütterung), Patrick Reimer (Covid-19), Chris Brown (als Flügel auf der Center-Position) und Luke Adam (Covid-19), die ihre ihnen zugedachten Rollen so noch nicht ausfüllen können. Andere wie Andrew Bodnarchuk, Oliver Mebus oder Dane Fox wollen zu viel und für andere Verantwortung übernehmen und finden deshalb (noch) nicht zu ihrem Spiel. Generell muss man feststellen, dass die Ice Tigers auf entscheidenden Positionen nicht gut genug besetzt sind, um ernsthaft um einen Platz in den Playoffs kämpfen zu können.
Die Ice Tigers sind in der Krise, weil sie bei Standards nicht dem Standard entsprechen.
Rob Wilson waren Bullys wichtig. Rob Wilson hatte aber auch noch die Möglichkeit, Routiniers und Bully-Spezialisten wie David Steckel nach Nürnberg zu holen. André Dietzsch hat diese Möglichkeit nicht mehr. Vielleicht sind dem Sportdirektor Bullys auch nicht mehr ganz so wichtig. Es ist schließlich auch statistisch erwiesen, dass Bully- und Erfolgsquote nicht in direktem Verhältnis zueinanderstehen. Eine Mannschaft aber, die signifikant weniger Anspiele für sich entscheiden als alle andere Teams, hat den Puck auch signifikant seltener. Die Ice Tigers gewinnen nur 45 Prozent der Anspiele, das ist der schlechteste Wert in der DEL und steht dann doch im direkten Verhältnis zu anderen entscheidenden Statistiken: Nur Schwenningen hat in der Süd-Gruppe einen geringeren Schussanteil als die Ice Tigers (43,5%), nur Schwenningen schießt generell seltener – Schwenningen trifft allerdings sehr viel besser, Nürnberg hat mit 7,31 Prozent die schlechteste Erfolgsquote im Süden.
Dazu kommt ein Power-Play, das seinem Namen bislang nur in einem Spiel gerecht wurde. Allein beim wilden 5:6 gegen Augsburg hübschten die Ice Tigers ihre Überzahlquote mit vier Treffern bei personeller Überlegenheit auf, nur deshalb sind Augsburg und München noch schlechter als die 11,43 Prozent der Nürnberger.
Die Ice Tigers sind in der Krise, weil sie Pech haben.
Wahrscheinlich will das niemand lesen, aber zur Wahrheit gehört schon auch, dass es für die Ice Tigers zwischendurch etwas unglücklich lief. Natürlich ist das keine seriöse Kategorie, natürlich lässt sich das auch nicht statistisch erfassen. Aber wer weiß schon, was die Ice Tigers bei ihrer besten Saisonleistung gegen die für sie eigentlich unschlagbaren Mannheimer hätten erreichen können, wenn sie nicht im ersten Drittel hätten bereits zwei Eigentore und später einen Penalty hätten verkraften müssen? Und dass sich das in Ingolstadt wiederholt hat (das 0:1 „erzielte“ Pollock mit seinem Schlittschuh, das 0:2 Bodnarchuk mit seiner Schlägerspitze), muss schon auch erwähnt werden. Das kann keine Entschuldigung für fünf Niederlagen in Folge und schon gar nicht für ein 0:8 sein. In Nürnberg aber lässt sich schon ganz gut beobachten, wie unangenehm es sein kann, wenn man die Scheiße nicht vom Schläger bekommt. Pardon.
Die Ice Tigers sind in der Krise, weil das wahrscheinlich genau so sein muss.
In der Deutschen Eishockey Liga gibt es neuerdings drei Geschäftsmodelle: Prominent besetzte Mannschaften ergänzt durch beeindruckend effektive Nachwuchsarbeit und prominente Neuzugänge (funktioniert allerdings nur mit einem loyalen Großkonzern im Rücken, also nur in Mannheim und München); Planung, die über das letzte Saisonspiel erst einmal nicht hinausgeht, allmählich begleitet von der Erkenntnis, dass der Einsatz von jungen deutschen Profis die Saisonziele zumindest nicht gefährdet (nahezu alle anderen Klubs). In Nürnberg hat man das im letzten Jahrzehnt auch so gemacht: Heatley, Reinprecht, Prust, Steckel, Segal, Dupuis, Buck und Acton waren nicht geholt worden, um sich bei den Ice Tigers noch einmal weiterzuentwickeln, sondern um möglichst viele Spiele zu gewinnen. Dass zwischendurch Ausnahmetalente wie Leo Pföderl, Yasin Ehliz und Marco Pfleger zu Leistungsträgern wurden, war allein der glücklichen Verbindung nach Bad Tölz zu verdanken.
Seit zwei Jahren geht man nun einen anderen Weg, in vollem Bewusstsein, dass dieser Weg beschwerlich werden könnte. Junge Spieler zu fördern und zu fordern, erfordert wiederum Geduld. Vor der Saison schienen in Nürnberg Sponsoren und Fans diese Geduld aufbringen zu wollen. Dass zumindest nicht mehr alle Fans das so sehen, kann man auf Facebook, Twitter und Instagram nachlesen. Trotzdem ist dieser Weg der einzig richtige, das wird sich zeigen, wenn sich Cornel, David Trinkberger, Julius Karrer oder Timo Walther und hoffentlich künftig auch Nürnberger Nachwuchsspieler in der DEL etabliert haben. Eine Niederlage-Serie, ein 0:8 in Ingolstadt und sehr wahrscheinlich auch der siebte und letzte Platz am Ende der Saison sollte und wird die Ice Tigers nicht von diesem Weg abbringen.
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