Nach Tor gegen die Schweiz

Fränkisches Duo: Stehen Füllkrug und Raum gegen Dänemark in der Startelf?

Sara Denndorf

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27.6.2024, 17:02 Uhr
Niclas Füllkrug und David Raum haben beide eine fränkische Vergangenheit: Der Stürmer spielte sowohl für Greuther Fürth als auch für den Club. Der gebürtige Nürnberger Raum indes spielte in der Jugend und zu Beginn seiner Profikarriere für das Kleeblatt.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink/Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Niclas Füllkrug und David Raum haben beide eine fränkische Vergangenheit: Der Stürmer spielte sowohl für Greuther Fürth als auch für den Club. Der gebürtige Nürnberger Raum indes spielte in der Jugend und zu Beginn seiner Profikarriere für das Kleeblatt.

Treffen sich zwei Franken, dann beginnt damit nicht ein schlechter Klischee-Witz, sondern ein emotionales Highlight der noch jungen Europameisterschaft 2024: Im finalen Gruppenspiel gegen die Schweiz bedient der gebürtige Nürnberger David Raum den ebenfalls eingewechselten Niclas Füllkrug mit einer mustergültigen Flanke, der Ex-Cluberer und Ex-Kleeblätter verwertet diese sicher und besorgt damit den umjubelten Last-Minute-Ausgleich, dank welchem Deutschland als Gruppensieger ins Achtelfinale einzieht.

Der fränkische Kollaborations-Treffer löste beim Torschützen "eine kleine Explosion" aus, der Vorlagengeber indes sprach von einem "brutal geilen Moment" und erklärte: "Mir ist der Helm geplatzt, ich habe alle Fans angeschrien und ich wusste gar nicht, wer das Tor gemacht hat." Es war: Füllkrug. Natürlich, der deutsche Edeljoker mit fränkischer Vergangenheit bewies abermals, wie wertvoll er für die Nationalmannschaft sein kann – und bewarb sich durch seinen zweiten Turniertreffer als Startelf-Option für das Achtelfinale.

Joker-Performance als Freud und Leid für Füllkrug?

Doch hat der 31-Jährige unter Julian Nagelsmann, der in der Nationalmannschaft einerseits auf eine klare Rollenverteilung und andererseits auf eine etablierte Stammelf setzt, tatsächlich Chancen auf die erste Elf? "Ja, die hat er", versicherte der Bundestrainer, fügte aber an: "Aber die hat Kai genauso." Vermutlich, das legen auch die Aussagen von DFB-Sportdirektor Rudi Völler nahe, hat weiterhin Kai Havertz die Nase vorne. Völler, einstiger Weltklassestürmer und Weltmeister von 1990, beschrieb den schlaksigen, polyvalenten Offensivmann vom FC Arsenal als "überragenden Fußballer", charakterisiert ihn als "spielenden Mittelstürmer" und lobte dessen Einfluss auf das Spiel fernab von offensichtlichen Kriterien wie Toren: "Er ist enorm wichtig, für die Mannschaft, die Art und Weise, wie er arbeitet, wie er die Bälle hält vorne, wie er sie fordert. Das merken auch die Mitspieler."

Ein gänzlich anderer Stürmertyp mit anderen Qualitäten ist indes Niclas Füllkrug, der ebendiese unter anderem während seinen Amtszeiten in Fürth (Saison 2013/14) und Nürnberg (2014-2016) unter Beweis stellte. Der 31-Jährige hat mit 13 Toren in 19 Länderspielen laut Völler eine "sicherlich außergewöhnliche" Quote vorzuweisen. "Das ist unglaublich, wie er trifft in den Einsatzzeiten, die er hat", lobt der Funktionär den Angreifer, der in seinen fünf WM- und EM-Einsätzen für Deutschland als Joker vier Tore erzielt hat. Gerade dieser Umstand kommt dem sicherlich Startelf-ambitionierten Füllkrug nicht zwangsläufig entgegen: "Er liefert Argumente für beide Sachen, weiter als Joker zu fungieren oder auch von Anfang an. Das ist Freude und Leid für ihn zugleich, dass er die Rolle gut macht", konstatierte Bundestrainer Nagelsmann.

Auch Miroslav Klose, Deutschlands erfolgreichster Torschütze aller Zeiten und zudem neuer Trainer des 1. FC Nürnberg, schätzt Füllkrugs Joker-Qualitäten: "Das ist auch wichtig, dass man immer Spieler hat, die reinkommen und auch einen Unterschied machen können", meinte der 46-Jährige. Der frühere Stürmer, der ebenso wie Füllkrug unter anderem für den SV Werder Bremen auf Torejagd ging, outete sich als Fan des 31-Jährigen: "Jeder weiß, was Füllkrug kann, und ich habe es oft genug gesagt und habe ihn quasi mit in die Nationalmannschaft geredet. Gott sei Dank konnte er es jetzt bestätigen." Zumindest als Joker.

Freilich hegt Füllkrug Ambitionen, von Beginn an aufzulaufen. Bislang hielt sich der gebürtige Hannoveraner aber zurück und akzeptiert seine Backup-Rolle klaglos. Die Aussage, er sei es in seinen bisherigen Mannschaften nicht gewohnt, als Joker zu spielen, dürfte als sein verbal drängendstes Statement bezüglich seiner Spielzeit vernommen worden sein.

Raum will sich "mit Leistung aufdrängen"

Was für Füllkrug bei der Nationalmannschaft ungewohnt ist, erlebte Raum schon im Frankenland: Der 26-Jährige, der in seinen ersten anderthalb Profijahren beim Kleeblatt oftmals nicht einmal im Kader stand, war lange Zeit nur Einwechselspieler in Fürth. Bei seiner dritten Profistation, nämlich dem Champions-League-Teilnehmer RB Leipzig, zählt der dynamische Linksverteidiger inzwischen zum absolut gesetzten Stammpersonal, in der DFB-Elf indes sammelte erst im dritten Gruppenspiel seine ersten EM-Minuten – allerdings durchaus erfolgreich.

"Ich stelle keine Ansprüche. Ich versuche, mich mit Leistung aufzudrängen. Das ist mir nach meiner Einwechslung gelungen, aber vielen anderen auch. Jetzt werden wir sehen, wie er (Julian Nagelsmann, Anm. d. Red.) entscheidet", erklärte Raum gegenüber der "Augsburger Allgemeinen". Die Chancen auf eine Startelf-Nominierung dürften für den 26-Jährigen, für den Niclas Füllkrug den Rufnamen "Flankengott" vorschlug, jedoch noch geringer ausfallen als für den Flanken-Verwerter selbst.

Denn: Nagelsmann, der bekanntlich gerne an seiner gefestigten und bislang erfolgreichen Stammelf festhält, muss möglicherweise ohnehin zwei Wechsel in der Abwehr vornehmen. Innenverteidiger Jonathan Tah verpasst das Achtelfinale aufgrund einer Gelbsperre sicher, auch sein Partner Antonio Rüdiger droht aufgrund einer Oberschenkel-Blessur auszufallen. Da Nagelsmann also womöglich die gesamte Innenverteidigung einmal durchtauschen muss, erscheint es unwahrscheinlich, dass er noch einen weiteren, freiwilligen Wechsel in der Abwehrreihe vornimmt und damit sämtliche Automatismen und Muster, die sich in den vergangenen Partien gefestigt haben, brechen könnte.

Fränkisches Duo harmoniert prächtig

Demzufolge ist weiterhin davon auszugehen, dass Stuttgarts Emporkömmling Maximilian Mittelstädt den Vorzug auf der linken Abwehrseite erhält, während David Raum vorerst "nur" die Joker-Rolle bleibt. Womöglich ist seine Rolle sogar mit jener von Niclas Füllkrug verknüpft. Jedenfalls lobte Nagelsmann explizit die Kombination der beiden (Ex-) Franken: "Wir wissen von David, dass er gut flanken kann. Das ist seine größte Stärke. Und Fülle ist ein brutaler Kopfballspieler", gab der Bundestrainer zu Protokoll.

Auch Füllkrug adelte die Hereingaben seines Kollegen: "Hinten raus hilft es dann, wenn du Spieler einwechseln kannst, die gewisse Waffen mitbringen. Davids Flanke ist eine Waffe. Seine Flanken sind prädestiniert für den Kopfball." Und er selbst ist der wohl kopfballstärkste Spieler der DFB-Truppe, weshalb ihn David Raum mutmaßlich als Zielspieler ausgemacht hat. Jedenfalls kam das Last-Minute-Tor gegen die Schweiz mit Ansage: "Ich habe zu Fülle schon beim Aufwärmen gesagt: Wenn wir heute beide reinkommen, weißt du Bescheid, wenn ich den Ball kriege", berichtete der Leipziger Linksverteidiger. Was folgte, war ein emotionales Highlight der noch jungen Europameisterschaft 2024 – und eine schöne Anekdote einer fränkischen Kooperation zweier Spieler, welche beide Seiten der Stadtgrenze kennen und nun für Deutschland gemeinsam auf dem Rasen stehen – vermutlich aber vorerst nur nach Einwechslung.

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