Gastner: "Der traurigste Tag für das deutsche Eishockey"
11.3.2020, 17:25 UhrHerr Gastner, was erzählt man der Mannschaft in einem Saisonabschluss-Meeting, das noch vor dem ersten Playoff-Spiel stattfinden muss?
Wolfgang Gastner: Ich war echt glücklich, dass Coach Kleinendorst einiges von meiner Liste bereits im Vorfeld übernommen hat. Weil den Spielern musst du dann ja doch sagen, wie es weitergeht, welche Termine noch anstehen. Ich habe ihnen dann versucht zu erklären, wie fürchterlich und unschön dieser 48-Stunden-Marathon am Montag und am Dienstag war, bis es dann zu der finalen Entscheidung kam, dass die DEL den Spielbetrieb einstellt. Und dass du dabei immer im Hinterkopf hast, dass du das beste Team der Liga stellst und eine Chance auf den Titel hast. Das ist zutiefst traurig und das war dann auch zu spüren. In diesem Raum hat jeder einfach nur in Leere gestarrt.
Kommen dann trotzdem Fragen aus der Mannschaft?
Wolfgang Gastner: Wenn du keine Playoff-Einnahmen hast, hat natürlich jeder Spieler gleich Angst, dass er kein Geld bekommt. Aber an der Situation hat sich ja nichts daran geändert, dass wir - für andere kann ich da nicht sprechen - eine Saison bis zum 30. April planen, ohne mögliche Einnahmen aus den Playoffs zu berücksichtigen. Insofern bekommt jeder sein Geld. Jeder hat Schiss, dass Grenzen geschlossen werden. Gespielt hätten sie natürlich bis Ende April, aber in diesem Fall wollen sie alles möglichst schnell abgewickelt haben. Wir haben jetzt jedenfalls unfassbar viel Arbeit, weil wir völlig unvorbereitet eine Saison beenden. Da geht es ja nicht nur um die Probleme der Spieler. Wir haben auch die Fans im Nacken, die wissen wollen, wie es weitergeht, die ihre Tickets zurückerstattet bekommen wollen. Das müssen heute noch alles mit dem Ticketanbieter klären – die Situation hatten wir so schließlich noch nie.
Was haben Sie noch gesagt?
Wolfgang Gastner: Ich habe eine Saison Revue passieren lassen, die am Ende unfassbar gut gelaufen ist, obwohl wir diesen Struggle um die Weihnachtszeit hatten und ein unglaubliches Comeback hingelegt haben. Am Ende aber ist es nur der vielleicht traurigste Tag für das deutsche Eishockey.
Sie haben Termine angesprochen, gibt es die denn überhaupt noch?
Wolfgang Gastner: Die gibt es tatsächlich. Seit letztem Jahr machen wir medizinische Abschlusstests, um Vergleichswerte mit dem Eingangstest zu haben, wenn die Spieler im August wiederkommen. Dann kann im Sommer keiner schummeln. Und dann gibt es noch die Einzelgespräche mit jedem Spieler, egal ob er Vertrag hat oder nicht. Und es wird definitiv noch ein gemeinsames Team-Dinner mit den Familien geben. Da kommen wir nicht über 500 Gäste. Ich hoffe, dass bis Freitag in einer Woche alles abgewickelt ist.
Wird Kurt Kleinendorst Trainer in Nürnberg bleiben?
Wolfgang Gastner: Ich hatte vor drei Wochen ein sehr, sehr langes Gespräch mit Kurt Kleinendorst. Da haben wir uns darauf geeinigt, dass wir uns tatsächlich erst in acht Wochen entscheiden werden. Davon unabhängig: Ich will Kurt Kleinendorst als Trainer in Nürnberg behalten und er will bei den Ice Tigers bleiben.
Dann ist doch eigentlich alles klar, oder?
Wolfgang Gastner: Er überlegt immer noch, ob er nicht doch in Rente gehen soll. Das hatte er übrigens bereits im Vorfeld seiner Verpflichtung angekündigt. Schon beim ersten Treffen. Deshalb wollte er nur einen Ein-Jahres-Vertrag unterschreiben. Die Idee verfolgt er immer noch, vielleicht ist sie ein bisschen verstärkt durch den Unfalltod seines Bruders. Natürlich hat er sich da noch einmal Gedanken über die Familie und über das Leben an sich gemacht. Er braucht einfach noch ein bisschen Zeit. Ich habe von ihm die Bestätigung, dass er, wenn er darüber nachdenken würde, woanders zu unterschreiben, dass er mit das sofort sagt.
Über Daniel Fischbuch haben wir bereits geschrieben, dass er die Ice Tigers Richtung Düsseldorfer EG verlassen wird. Stimmt das?
Wolfgang Gastner: Ja. Wobei ich keine Bestätigung der Düsseldorfer EG habe. Wir haben um Daniel Fischbuch gekämpft, er war sicherlich der am meisten gejagte Spieler der DEL. Aber sein Wechsel hat auch familiäre Gründe. Das respektieren wir und wünschen ihm alles Gute.
Was ist mit den anderen interessanten deutschen Spielern: Oliver Mebus, Tim Bender?
Wolfgang Gastner: Da sind wir tatsächlich mit allen in Gesprächen. Es sieht mit allen gut aus.
Die Ice Tigers haben ein Statement im Namen von Thomas Sabo herausgegeben, es klingt auch sehr nach Thomas Sabo.
Wolfgang Gastner: Es ist auch von Thomas Sabo.
Es war noch einmal eine typische Situation für ihn. Eigentlich war alles klar, die Saison stand kurz vor der Absage. Damit hat jeder rechnen müssen. Trotzdem hatte er noch einmal eine Idee, trotzdem hat er noch einmal gekämpft. Wie haben Sie Thomas Sabo die letzten 48 Stunden erlebt?
Wolfgang Gastner: Als Kämpfer. Es ist auch schön, dass in dem Statement steht, dass er uns weiterhin unterstützt, wenn auch nicht als Hauptsponsor und nicht als Namensgeber. Thomas war natürlich genauso aufgebracht wie wir alle. Am Sonntag spielen wir noch vor 7000 Zuschauern und am Dienstag darfst du das nicht mehr. Es geht um viel Geld, das ist klar. Auch wenn wirtschaftlich davon nicht kollabieren. Aber die Mehreinnahmen wären sauwichtig für die Zukunft gewesen. Selbst wenn es nur ein weiteres Heimspiel gewesen wäre. Bei vier, fünf Heimspielen wäre es eine sechsstellige Summe gewesen, die uns wahnsinnig gutgetan hatte als Einnahme für die Zukunft. Das sieht der Hauptsponsor genauso, der weiterhin an seinen Ice Tigers hängt. Weil er ein Eishockeyfan ist. Aber ich bin mir sicher, dass wir auch aus dieser Krise gut herauskommen. Vor einem Jahr habe ich bereits gesagt, dass es nicht schlimmer kommen kann. Dann kam der Ausstieg von Thomas Sabo. Und jetzt die Corona-Krise. Jetzt kann es keinesfalls schlimmer kommen.
"Wissen ja alle nicht, wo das hinführt"
Hatten Sie denn den Eindruck, dass er am Ende der Saison wieder mehr Eishockeyfan war als noch zu Beginn der Saison?
Wolfgang Gastner: Das schien vielleicht so nach außen. Aber er war es eigentlich immer. Er war viel im Ausland, hatte viel zu tun, weshalb er nicht mehr so präsent war. Das war natürlich ein Unterschied zu früheren Jahren. Aber er war immer der gleiche Eishockeyfan, immer der, der nach Siegen eine SMS schickt mit einem Bizeps-Emoji.
Sie sprechen von einer sechsstelligen Summe, die den Ice Tigers für die kommende Saison entgangen ist. Aber die Absage der Saison hat ja vielleicht noch wirtschaftliche Folgen, die niemand vorhersehen kann. Zum Beispiel für Sponsoren, die ebenfalls von der Corona-Krise betroffen sind, oder die bis Ende April gezahlt haben, aber dafür in der wichtigsten Zeit keine Aufmerksamkeit bekommen und deshalb verärgert sind. Haben Sie diesbezüglich schon Rückmeldungen bekommen?
Wolfgang Gastner: Wenn, dann durchweg positiv, eher mit einem Grant auf die Landesregierung, die das verboten hat. Es ging nie gegen uns. Aber es gibt natürlich Sponsoren, die betroffen sind. Andere profitieren. Bis jetzt haben wir keinen einzigen, der sagt, dass er sich das nicht mehr leisten kann oder leisten will. Aber wir wissen ja alle nicht, wo das hinführt. Einfacher wird es auf keinen Fall. Aber und das darf ich einfach noch nicht hinausposaunen: Es gibt Interessenten, die Geld haben und die sich an den Ice Tigers beteiligen wollen. Das ist auch der Grund, warum ich mir sicher bin, dass wir in der nächsten Saison hier Eishockey spielen. Die Frage ist immer, hast du eine Million mehr oder hast du eine Million weniger.
Warum dürfen Sie das noch nicht hinausposaunen?
Wolfgang Gastner: Das hat Verhandlungsgründe. Und wenn es soweit ist, werde ich das nicht hier nebensächlich erwähnen. Da machen wir etwas Großes draus. Derjenige soll schließlich auch profitieren.
Wie hart treffen die Ice Tigers die massiv erhöhten Beiträge für die Berufsgenossenschaft?
Wolfgang Gastner: Die treffen jeden. Wir reden von fast 10.000 Euro mehr – pro Spieler. Da gibt es allerdings immer noch Verhandlungen zwischen der Liga und der VBG. Wenn es so kommt, wird außer bei den großen, reichen Vereinen so kommen, dass die Gehälter kleiner werden, dass wir nicht mehr den Preis werden zahlen können, den der Agent des Spielers haben will. In einem Kader bist du da bei einer Viertelmillion. Natürlich immer ausgehend vom Höchstsatz.
Für die DEL könnte das ein massiver Standortnachteil sein. Für Importspieler, die auch in die Schweiz oder nach Schweden wechseln können, wird Deutschland noch weniger interessant.
Wolfgang Gastner: Könnte sein. Aber mein Coach sagt immer: There are plenty players out there. Bei den Imports brauchen wir uns keine Sorgen machen. Ich hoffe, das bleibt so.
Jack Skille hat hier bewiesen, dass er auch ohne Saisonvorbereitung sofort zu den besten Spielern der Liga gehört. Gab es da Gespräche? Wollen Sie ihn halten?
Wolfgang Gastner: Ja, unbedingt. Ich habe gesagt, Patrick Reimer will ich unbedingt halten, damit irgendwann sein Trikot, neben Reinprechts Trikot, unter dem Hallendach hängt. Das haben wir geschafft, also schaffen wir auch, Skille hier zu behalten.
Noch einmal zurück zum Was-wäre-wenn: Am Sonntag spürte man, wie die Freude über Reimers 3:2 in der Verlängerung gegen Düsseldorf aus der Arena wich, als der Gegner verkündet wurde. Aber wie oft haben Sie darüber haben Sie sich in Gedanken ausgemalt, was hätte passieren können, zwei Siege gegen Wolfsburg, Viertelfinale gegen München, das den Ice Tigers ohnehin mehr liegt als Mannheim. Ein bisschen Glück im Halbfinale und plötzlich steht Nürnberg im Finale?
Wolfgang Gastner: Vom Gefühl war mir klar, dass wir mindestens das Halbfinale schaffen. Wenn nicht sogar das Finale dringewesen wäre. Außer Mannheim hätte ich mir keine Mannschaft vorstellen können, die uns in einer best-of-seven-Serie klar schlägt. Das macht es ja noch trauriger für Nürnberg. Gott sei Dank gibt es keinen Meister. München hat klar gesagt, dass es nicht Meister werden will.
Wie haben Sie den Ton in der Telefonkonferenz generell wahrgenommen?
Wolfgang Gastner: In der großen Mehrheit sehr sauber. Es gab tatsächlich Teams, die gerne gespielt hätten. Das wurde auch diskutiert. Aber die Mehrheit war für die Absage. Aus die Maus. Du hast diesen Drang zu spielen immer im Hinterkopf. Aber eben auch, dass sich hier jemand anstecken könnte, der daran vielleicht stirbt.
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