Tollkühne Männer und Frauen

Im Himmel: Paragliding in der Fränkischen Schweiz

Holger Peter

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17.6.2021, 06:00 Uhr
Einfach losrennen, wenn das Seil (rechts vor der Brust zu erkennen) anspannt. So erheben sich die Paraglider vom Siegritzer Hochplateau in die Lüfte.  

© Thomas Hahn, NN Einfach losrennen, wenn das Seil (rechts vor der Brust zu erkennen) anspannt. So erheben sich die Paraglider vom Siegritzer Hochplateau in die Lüfte.  

Mit einer Winde kann man auf dem Hochplateau des 180-Seelen-Dorfs etwas abseits des beliebten Leinleitertals entweder zu kurzen "Genussflügen" oder auch zu sportlich ambitionierten Langstreckenflügen starten. Das Verfahren ist denkbar einfach: Auf einer Seite der einen Kilometer langen Wiese steht besagte Winde, auf der anderen der Pilot - je nach Wind wird von Ost nach West oder umgekehrt gestartet.

Ein Quadfahrer transportiert das 1300 Meter lange Seil von der Winde (der Verein hat sich eine ganz neue mit 12kw-Elektromotor zugelegt, nachdem jahrzehntelang eine mit Automotor im Einsatz war) zum Startplatz. Der Flieger präpariert sich, ein Startleiter, der verpflichtend vor Ort sein muss, gibt die Kommandos per Funk weiter.

Einmal "angeleint", läuft der Sportler in dem Moment, in dem das Seil angespannt wird, ein paar Schritte los, die Frau an der Winde (denn oft ist es "Urgestein" Elisabeth Pennig) tut ihren Job, spannt das Seil weiter an und nach wenigen Metern verlässt der Gegenpart den sicheren Boden und wird bis maximal 450 Meter Höhe gezogen. Dann klinkt er sich aus, das Seil sinkt dank eines kleinen Fallschirms sanft zu Boden.

"Teebeutel der Lüfte"

Für den Piloten beginnt jetzt die eigentliche Kunst. In den Anfangsjahren wurden die Paraglider beispielsweise von den Segelfliegern spöttisch als "Teebeutel der Lüfte" bezeichnet, berichtet Willi Schäper, einer der Pioniere des Vereins "Nordbayerische Drachenflieger". Das war anfangs auch zutreffend, denn die ersten Modelle konnten wirklich nicht viel mehr als langsam nach unten gleiten.

Das Material wurde aber immer besser, die Gleitschirme ließen sich immer besser bedienen und lenken. Und so kann man auch vom Boden aus in Siegritz und anderswo seinen Spaß in der Luft haben. Das Gelände des Vereins gilt als gesegnet mit einer guten Thermik, "aber bei schwierigen Bedingungen muss man sich schon auskennen", so Schäper.

Ganz schwer ist es bei Windstille und blauem Himmel. Keine Wolke, an der man sich orientieren kann. Da muss man sich andere Hilfsmittel suchen. Beispielsweise seien frisch abgemähte Felder ein Traum. Dank der Wärme bilde sich darüber eine Thermik-Blase, die den Piloten wie von selbst in höhere Schichten befördere.

Es gibt zu wenig und zu viel Wind

Bei ihren beiden Besuchen in Siegritz erleben die NN-Reporter gleich einige Varianten: Einen Tag, an dem das Fliegen nur kurz möglich ist, weil heftigen Böen den Start zu gefährlich machen. Und einen, bei dem es anfangs im Sechs-Minuten-Takt losgeht und die Piloten wunschgemäß in die Ferne entschwinden sowie kurz später fluchende Männer, weil der Wind in der Mittagszeit komplett eingeschlafen ist. Da reicht es eben nur für einen kurzen Rundflug über Siegritz, ehe die Wiese wieder zur Landung ruft.

Während in den 1980ern und 1990 am Himmel über den Bergen noch die Flugdrachen dominierten, hat sich das inzwischen komplett umgekehrt. "Es gibt bei uns im Verein mit rund 230 Mitgliedern fast nur noch Gleitschirmflieger, die Drachenflieger kann man an den Fingern einer Hand abzählen", sagt Schäper.

Pionierin mit dem Drachen

Elisabeth Pennig war eine von ihnen, doch mit ihren 67 Jahren hat sie das Hobby inzwischen aufgegeben, sitzt an der Winde und ist im Verein unentbehrlich, weil sie im Ort wohnt und so auch unter der Woche den Flugbetrieb am Laufen halten kann. Ein bisschen sentimental wird sie schon, wenn sie an die Ära der Drachen denkt. Aber sie räumt auch ein, dass das schon immer ein großer Akt war, wenn ein Sportler in der Ferne landete: "Der Auf- und Abbau war kompliziert, und der Drachen war schwer und sperrig. Es musste sich immer jemand finden, der den Piloten mit dem Auto abholt."

Der Gleitschirm hingegen passt in den Rucksack, den sein Benutzer auf dem Rücken trägt. Zwischen etwa sieben und 25 Kilogramm wiegt das Gesamtpaket der Ausrüstung, das des Drachens 35 bis 40 Kilogramm. Und so ist es für Paraglider relativ unproblematisch, den nächsten Bahnhof anzusteuern und von dort ohne fremde Hilfe nach Hause zu kommen. Für eine neue Ausrüstung muss man aber trotzdem rund 6000 Euro hinblättern - kein Wunder, dass ein Großteil der Aktiven jenseits des Twen-Alters ist.

Dennoch: Die Sportart boomt, weiß Vorsitzender Uwe Knöchel zu berichten und fügt an: "Nicht nur wegen Corona." Allerdings wird das heuer noch nicht in der Statistik durchschlagen. Denn fast keiner, der 2020 in einer Flugschule seine Ausbildung begonnen hat, konnte diese auch abschließen. 40 Flüge muss jeder Kandidat absolvieren, davon 15 mit einem Höhenunterschied von über 500 Metern.

Gedränge in den Alpen nach Corona

"Das geht nur in den Alpen, nicht im Mittelgebirge", berichtet Knöchel. Wegen der ständigen Reiseverbote sei es jetzt nun so, dass sich an den die beliebten Bergen in Kärnten oder Tirol die Massen drängen und die Neulinge vielleicht gar nicht zum Zug kommen und so auf ihre Lizenz noch warten müssen.

Volle Berge - das kennt man auch in Franken. "Vor allem am Walberla geht es ganz schön zu", gestehen Knöchel und Schäper. Ausflügler und Gleitschirmspringer müssten sich auf dem kleinen Areal arrangieren. Und auch wenn man bisher in gutem Einvernehmen mit der Gemeinde Kirchehrenbach sei, würde man das Geschehen gerne entzerren.

So hoffen die "Nordbayerischen Drachenflieger" darauf, die Aktivitäten auf ihre anderen Fluggebiete am Hainberg (bei Stadtsteinach), an der Radspitze (bei Marktrodach) und eben in Siegritz zu verlagern. "Das Walberla ist ohnehin ein Startplatz, der für Anfänger nicht wirklich geeignet ist", sagt Vorsitzender Knöchel.

Ungefährlicher als am Walberla

Einfacher und ungefährlicher ist definitiv an der Winde in Siegritz - auch wenn man da gerade als Neuling vielleicht ein paar Versuche braucht, bis man die Thermik über den Hügeln, Wäldern, Wiesen und Feldern "verstanden" hat.

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