Kommentar: Boykottiert die WM in Katar nicht!

Sebastian Gloser

Sportredakteur

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26.3.2021, 15:32 Uhr
Elf Spieler, elf Buchstaben, eine Botschaft: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat vor dem WM-Quali-Spiel gegen Island ein Zeichen gesetzt.

© TOBIAS SCHWARZ, AFP Elf Spieler, elf Buchstaben, eine Botschaft: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat vor dem WM-Quali-Spiel gegen Island ein Zeichen gesetzt.

6500 tote Bauarbeiter. Was für eine irrsinnige Zahl. Eine Zahl, die sich auch nicht relativieren lässt, wenn man betrachtet, wie viele Großbaustellen es aktuell in Katar gibt. Selbst wenn man eine Null weglassen würde, wäre ein Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft im Wüsten-Disney-Land am Persischen Golf dringend angebracht. Oder?

Nein, denn genau das ist der Punkt. Die Entscheidung, das größte Fußball-Fest der Welt unter diesen Rahmenbedingungen durchzuführen, war auch schon vor drei Jahren falsch, auch vor fünf, sie war es bereits bei der Vergabe 2010.


Kommentar: Boykottiert die WM in Katar


Die kürzlich veröffentlichten Zahlen sind nicht neu, sie werden nur mit jedem Medienbericht dramatischer. Der Boykott-Aufruf kommt zehn Jahre zu spät, mindestens.
Die Toten würde eine Absage des Turniers nicht mehr lebendig machen. Selbst Amnesty International Deutschland hat sich vor wenigen Tagen dafür ausgesprochen, die WM in Katar nicht zu boykottieren. Der Prozess der kleinen Fortschritte, den man bei Menschen-, Frauen- und Arbeitsrechten gemacht habe, würde um Jahre zurückgeworfen, heißt es.

Wer erklärt es den Angehörigen?

Stattdessen sollte man die Veranstaltung nutzen, um auf die weitere Verbesserung der Situation zu drängen. Elf Buchstaben auf Trikots können da nur der Anfang sein. Es reicht nicht, wenn die privilegierten Profis sich in ihrer Komfortzone bei Instagram positionieren oder mal ein "politisches" Interview geben. Das haben die Olympischen Spiele in China und die Fußball-WM in Russland gezeigt. Verbände, Sponsoren und herausragende Persönlichkeiten müssen massiven Druck ausüben.

Im Falle eines Boykotts würde wohl niemand die entscheidende Frage beantworten wollen: Wer erklärt es den Angehörigen der 6500 Toten?

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