Rollentausch! Mit Club-Turm Erras steht die Abwehr

Wolfgang Laaß

30.7.2019, 05:58 Uhr

Sehr wahrscheinlich hatte Club-Coach Canadi den Einfall während des neuntägigen Trainingslagers in Österreich, möglicherweise auch schon früher, die beiden kennen sich ja jetzt auch schon ein paar Wochen. Nur so viel kann Canadi zur Aufklärung beitragen: "Patrick hat es einfach gut gemacht." Mit Patrick ist der Nürnberger Fußball-Profi Erras gemeint, der seit kurzem einen anderen Arbeitsplatz hat. Weil ihn sein Chef im Abwehrzentrum offenbar besser aufgehoben sieht als davor, verrichtet er seinen Dienst neuerdings wieder ganz hinten. Seit Oktober 2015 und seinem Debüt in der Zweiten Liga gab Erras den zuverlässigen Abräumer vor der letzten Defensivreihe, zunächst mit zum Teil überragenden Kritiken.

Mit ihm auf der sogenannten Sechser-Position blieb sein Club gleich mal 17-mal in Folge ungeschlagen, die Leute schwärmten vom fast zwei Meter langen Oberpfälzer und seiner stoischen Ruhe – bis eine fürchterliche Knie-Verletzung im März des nächsten Jahres den ganzen Verein zu erschüttern schien. Bis zu seinem Comeback dauerte es über 14 Monate, richtig in Schwung kam Erras freilich erst wieder im Verlauf der Aufstiegssaison. Auch in der Abstiegssaison zählte er regelmäßig zum Aufgebot, musste aber einsehen, dass er mit seinem Tempo in der höchsten Klasse an Grenzen stößt. Und offenbar auch in der zweithöchsten. So eine gigantische Übersetzung hat eben Nachteile, besonders auf den ersten Metern.

Also versetzte ihn Canadi kürzlich zurück, wo er seine Qualitäten nach Ansicht des Österreichers effektiver zur Geltung bringen kann. Wer fast zwei Meter groß ist, so Canadis Überlegung, müsste eigentlich in der zweiten Etage so ziemlich alles und jeden abräumen und auch am Boden kaum zu überwinden sein. Also ist Erras seit dem Test in Wien vor rund zwei Wochen eben der mittlere Turm in der körperlich auch sonst imposanten Dreierkette.

Wie einst im NLZ

Wer sich ein wenig mit Canadis Karriere beschäftigt, wird feststellen, dass er auch früher gerne mal seine Längsten in die Mitte gestellt hat; Spyros Risvanis (1,96 Meter) oder Dimitris Chatziisaias (1,93) zuletzt bei Atromitos Athen, unter anderem Alexander Pöllhuber (1,99) in Altach, wobei der Trainer je nach Anforderungs- und Gegnerprofil schon auch gerne mal eine vier Mann starke Reihe aufbot. Hauptsache flexibel.
Erras kennt seine alte neue Position noch aus der Zeit im Nachwuchsleistungszentrum, damals freilich mit drei Nebenleuten; seit 2007 ist er bereits im Club und musste wegen seiner Statur regelmäßig im eigenen Strafraum für Ordnung sorgen, häufig an Niklas Starks Seite. Die beiden zählten hierzulande zu den besseren Innenverteidigern ihres 1995er Jahrgangs, was Canadi erst vor kurzem erfahren haben will.


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Gegen Paris und besonders in Dresden machte sich die Veränderung bezahlt, wenngleich Erras im Rudolf-Harbig-Stadion bloß die Hälfte seiner Zweikämpfe für sich entscheiden konnte. Dafür unterliefen ihm selbst in noch ungewohnter Aufstellung in 90 Minuten lediglich drei Fehlpässe – ein untrügliches Indiz für seine Übersicht und Souveränität selbst in turbulenteren Phasen.
"Die meisten von uns haben über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte Viererkette gespielt", gab Georg Margreitter (Zweikampfquote: 57 Prozent, Passquote: 94 Prozent) nach dem 1:0-Auftakterfolg zu bedenken, auch Asger Sörensen (Zweikampfquote: 88 Prozent, Passquote: 77 Prozent), der dritte im Verbund, setzt auf die Zukunft. "Wir trainieren jeden Tag die Abläufe, das kommt schon."

Die Organisation soll’s richten – mit Erras als Oberkommandierendem, weil er in der Mitte und von da oben den besten Überblick hat. Erras lässt sich von der Verantwortung nicht verrückt machen, ist stets extrem fokussiert auf die ihm übertragene Aufgabe, einfach cool; in seinem Heimatort Raigering liegen sie ihm deshalb zu Füßen. "Es gibt nicht viele Einwohner dort", hat Erras mal erzählt, "deswegen bin ich wahrscheinlich das größte Talent, das bisher da gespielt hat." Seit zwölf Jahren trägt er das Club-Trikot, angeblich sollen sich ein paar Vereine für ihn interessieren. Für den defensiven Mittelfeldspieler, der auch ein formidabler Innenverteidiger sein kann.

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