Talente der SG Mittelfranken wollen in Erlangen bleiben

Katharina Tontsch

Sportredakteurin in Erlangen

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16.7.2020, 10:30 Uhr
"Wenn ich nach Nürnberg gehen müsste, würde ich lieber aufhören": Nikita Rodenko hat eine klare Meinung zur Neuausrichtung des Leistungsstützpunkts.

© Ulrich Schuster "Wenn ich nach Nürnberg gehen müsste, würde ich lieber aufhören": Nikita Rodenko hat eine klare Meinung zur Neuausrichtung des Leistungsstützpunkts.

Überlegen mussten sie alle nicht lange. Die jungen Sportlerinnen und Sportler wussten sehr schnell sehr genau, was sie wollen: mit Roland Böller weiter trainieren. Nur gefragt hatte sie das eben niemand. Stattdessen kam eines Tages ein Brief nach Hause, "dass der Landesstützpunkt nicht mehr in Erlangen sein wird und wir in Nürnberg trainieren sollen", erinnert sich Kellie Messel. "Das kam für uns sehr überraschend. Es war ein Schock."

"Die Trainer in Nürnberg sind nicht qualifiziert"

Die 15-Jährige ist eines der Talente, die Roland Böller, der Trainer der SG Mittelfranken, seit mehreren Jahren betreut und bis in den Jugend-Nationalkader geführt hat. Sie wohnt in Nürnberg, möchte aber auf gar keinen Fall dort trainieren. "Wir lieben und schätzen die Arbeit mit Rolli", so nennen sie ihren Coach. "Die Trainer in Nürnberg sind nicht qualifiziert", meint Messel. Ihre Teamkollegen sehen das genauso.

"Für mich war es nie eine Option nach Nürnberg zu gehen", sagt Annalena Wagner. "Wenn wir dort trainieren müssten, würde es unsere sportliche Karriere beeinflussen." Negativ, meint sie. Die Forchheimerin ist extra wegen Roland Böller zur SG Mittelfranken gewechselt. Auch sie hat es mittlerweile in den Bundeskader geschafft. Ob sie weiterhin an einem als "Landesstützpunkt" ausgezeichneten Ort schwimmen darf, ist ihr daher ziemlich egal.

Bei Roland Böller oder gar nicht

"Aus dem Landeskader heraus ergeben sich keine wirklichen Vorteile, es gibt auch keine finanzielle Unterstützung für uns." Angst um ihre sportliche Zukunft macht sich Wagner nur, wenn sie Roland Böller als Coach verlieren würde. "Rolli weiß, was er tut", sagt die 17-Jährige. "Er ist erfahren, hat viel erlebt und Weltmeister trainiert."

Wichtig sei zudem die zwischenmenschliche Beziehung. "Er versteht sich mit allen Sportlern sehr gut." Spricht man mit den Schwimmtalenten, wird schnell klar, warum sie ihren Trainer alle so gern haben. "Er ist wie ein zweiter Vater für uns", sagt Kellie Messel. "Wir können ihn jederzeit anrufen. Er lebt für das Schwimmen und wir sind alle schwimmverrückt."

Talente der SG Mittelfranken wollen in Erlangen bleiben

© Archivfoto: Klaus-Dieter Schreiter

Auch Nikita Rodenko hat keine Sekunden darüber nachgedacht, sich einen anderen Coach zu suchen. "Ich sehe meine sportliche Zukunft nur mit Roland Böller. Solange ich mit Rolli trainiere, mache ich mir keine Sorgen", sagt der 19-Jährige. "Wenn ich nach Nürnberg gehen müsste, würde ich lieber aufhören." Seit fast sechs Jahren trainiert Rodenko bei Roland Böller. "So gut", sagt der junge Schwimmer, "wäre ich nicht geworden ohne ihn." Er habe seinem Trainer viel zu verdanken, "auch dass er in schlechten Zeit für mich da ist und mich nach vorne treibt".

Dass niemand vom Verband mit ihnen vor der Entscheidung gesprochen hat, stört die Sportler. Neben dem Brief haben sie Vieles nur vom "Hörensagen" erfahren, meint Wagner, eine wirkliche Erklärung blieb aus. Bei dieser Entscheidung, meint Kellie Messel, "geht es nicht wirklich um die Sportler".

Anouk Walther und ihr Papa sehen es ähnlich. Die Sechstklässlerin ist gerade erst zwölf Jahre alt geworden, trotzdem trainiert sie schon 21 Stunden pro Woche. "Die Schwimmer", sagt Vater Alexander Walther, "investieren so viel". Umso mehr ärgert es ihn, dass der Verband nicht auf sie eingeht. Auch bei den Walthers kam lediglich ein Brief an, der verkündete, dass der Leistungsstützpunkt nach Nürnberg verlegt werde. "Wenn einer was von einem will, soll er persönlich zu einem kommen", meint Anouk Walther.

Sie möchte in Erlangen bleiben. Sie trainiert zwar erst seit diesem Schuljahr mit Roland Böller, lobt ihn aber schon genauso wie ihre älteren Teamkollegen. "Er ist ein Trainer wie ein Sechser im Lotto", sagt die Zwölfjährige. "Man kann mit ihm über alles reden, er hat sehr viel Erfahrung, er ist ein Trainer mit Herz." Insgesamt schätzen die Walthers das Engagement des Coaches, aber auch die freundliche Aufnahme im Verein. "Roland Böller", sagt der Vater, "vermittelt die Begeisterung", damit Kinder gern ins Training gehen. So fühlt sich auch Anouk Walther in der Mannschaft sehr wohl.

Es droht sogar ein Klassenwechsel

Doch würde sie dem Leistungsstützpunkt nicht folgen, müsste sie beim Übertritt in die achte Klasse die Klasse für Leistungssportler an der Bertolt-Brecht-Schule in Nürnberg verlassen. Einer weiteren Mitschülerin geht es ähnlich. "Doch ich möchte in meiner Klasse bleiben", sagt Anouk Walther. Das Frühtraining würde ebenfalls wegfallen. Die Sorgen also sind groß. "Am Anfang habe ich mir einen großen Kopf gemacht", sagt die junge Schwimmerin, "ich konnte mich in der Schule nicht mehr konzentrieren". Jetzt hat ihr Vater versprochen, sich für sie einzusetzen.

Dass sie sich am Ende fügen und zum Training nach Nürnberg fahren müssen, glaubt unter den Athleten niemand. Stattdessen rückt das Team enger zusammen, um künftig — Gespräche dazu laufen — weiterhin mit Roland Böller trainieren zu können. "Die Situation ist belastend", sagt Annalena Wagner, "sie stärkt uns aber auch. Der Zusammenhalt in der Mannschaft ist gewachsen, weil wir wissen, was wir wollen." Man müsste nur zuhören.

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