Teroddisiert: Club müht sich an abgezocktem VfB ab
28.11.2016, 22:05 Uhr"Wir schreiben heut' Geschichte", lautet eine Passage in der Hymne des VfB Stuttgart. Das ist am 14. Spieltag einer Zweitliga-Saison eigentlich gar nicht möglich, trotzdem sangen vor dem Anstoß im Neckarstadion einige Tausend mit. Über die anschließenden 90 Fußball-Minuten samt Ergebnis gegen den 1. FC Nürnberg (3:1) werden schon morgen höchstens noch die Franken sprechen; es lief letztlich fast alles, je nach Sichtweise, wie erwartet oder befürchtet.
Schon in der dritten Minute ging der Favorit durch Teroddes neuntes Tor in dieser Runde in Führung, sein zehntes nach gut einer halben Stunde bedeutete schon so etwas wie eine Vorentscheidung in einer relativ spannungsarmen Partie. Der Club stellte sich über weite Strecken und im Rahmen seiner Möglichkeiten gar nicht schlecht an, stieß aber in den wichtigen Szenen an seine qualitativen Grenzen.
Pech hatte Kempe in der 28. Minute, als sein Schuss über 25 Metern an den linken Innenpfosten krachte. Es wäre der zwischenzeitliche Ausgleich gewesen; stattdessen legte der VfB wenig später nach und feierte den fünften Heimsieg hintereinander. Daran konnte auch Teucherts Aluminimtreffer in der Schlussphase nicht mehr viel ändern; das 1:2 (Möhwald, 80.) kam zu spät. Das Schlusswort hatte Stuttgarts Asano, der in der Nachspielzeit locker zum 3:1 aus VfB-Sicht einschob.
Stuttgart leistet sich kostspieligen Kader
Bereits am Freitag, auf der obligatorischen Pressekonferenz, hatte Alois Schwartz wohl geahnt, dass die Aufgabe in Bad Cannstatt eine immens schwere, wenn nicht gar unlösbare werden könnte für seine Mannschaft. Bei der Aufzählung prominenter Gegner konnte der Trainer des 1. FC Nürnberg seinen Respekt nur schwer unterdrücken. Den letztjährigen Schützenkönig der Zweiten Liga (Terodde) zähle der VfB zu seiner Belegschaft, sagte Schwartz, dazu noch Asano von Arsenal, Mané von Sporting, zwei deutsche Meister (Gentner, Langerak, d. Red.), zwei japanische Meister, Asien-Cup-Sieger und sogar, Achtung, einen Weltmeister namens Großkreutz.
Dass der lediglich als Stimmungskanone zum Einsatz kam in Brasilien und am Montagabend gar nicht, passte zu Schwartz' Einschätzung, denn grundsätzlich hat er natürlich recht. Die Stuttgarter leisten sich auch eine Etage tiefer einen äußerst kostspieligen Kader mit Bundesliga-Format, der unter normalen Umständen die schnellstmögliche Rückkehr ins Oberhaus schaffen sollte. Mit nunmehr 29 Punkten haben die Schwaben bereits zehn mehr als der Club; gegen sich tapfer wehrende Nürnberger blitzte so etwas wie ein Klassenunterschied allerdings höchst selten auf.
Kammerbauer mit folgenschwerem Stellungsfehler
Die Gäste versuchten, unter anderem mit Edgar Salli (für Tim Leibold, verletzt) und Patrick Kammerbauer (für Miso Brecko, gesperrt) dagegenzuhalten; der 19-Jährige von der DJK Raitenbuch durfte nach vier Kurzeinsätzen zum ersten Mal von Beginn an ran und bekam es auf seiner rechten Seite vorrangig mit dem Japaner Asano zu tun. Auf die Frage, ob es eine gute Idee war, ihn gleich mit dieser ausgesprochen kniffligen Aufgabe zu betrauen, gab es bereits in der dritten Minute eine erste Antwort. Bei Manés Pass in die Tiefe unterlief Kammerbauer ein folgenschwerer Stellungsfehler; der ihm entwischte Asano legte quer auf Terodde, das 1:0.
Erst danach nahmen auch die Gäste teil an der durchaus unterhaltsamen Begegnung; Nürnberg, fortan um mehr Kontrolle bemüht, wirkte zwischen den Strafraum durchaus stabil und ballsicher, ließ aber vorne wie hinten die letzte Konsequenz vermissen. Mehr als Sallis wohl eher freiwilligen als unfreiwilligen Sturz im Sechzehnmeterraum sowie ein Kopfstößchen von Burgstaller, der in Breckos Abwesenheit als Kapitän fungierte, brachten die Gäste offensiv zunächst nicht zustande. Einzig Kempes Pfostenkracher (28.) befeuerte die Hoffnung der Nürnberger auf mehr als eine achtbare Niederlage – die sich aber bereits fünf Minuten später final abzeichnete.
Kirschbaum im Fokus
Wie schon vor dem 0:1 sah Nürnbergs Defensive wieder nicht besonders gut aus; Sepsi ließ sich von Mane überlaufen, bei der flachen Hereingabe standen neben Terodde (2:0, 33.) noch zwei weitere Stuttgarter erstaunlich unbewacht herum in der Gefahrenzone. Kirschbaum tauchte zwar schnell ab, musste die Kugel aber passieren lassen.
Der Schlussmann der Gäste stand auch nach dem Seitenwechsel ein paar Mal im Mittelpunkt: Unter anderem parierte er Maxims Direktabnahme von der Strafraumgrenze sehenswert und eine zu kurz geratene Rückgabe Kammerbauers, während sich sein Kollege Langerak, der zweimalige deutsche Meister mit Dortmund, auf der anderen Seite mit Dehnübungen warm halten musste vor den über 42.000 Zuschauern. Selbst Burgstallers Treffer aus zurecht geahndeter Abseitspostion konnte nicht erschrecken, ebensowenig Teucherts Kopfball an den linken Pfosten.
Als Möhwald in der 80. Minute mit seinem platzierten Flachschuss ins rechte untere Eck nochmal so etwas wie Spannung aufkommen ließ, war es schon zu spät für den in der Schlussviertelstunde immer munterer und mutiger werdenden Club. Geschichte schrieb aber auch der VfB Stuttgart ganz bestimmt nicht.
+++ Den Live-Ticker zum Nachlesen gibt's hier +++
VfB Stuttgart: Langerak - Pavard, Baumgartl, Kaminski - Zimmermann (Hosogai, 86.), Maxim (Klein, 66.), Gentner (Özcan, 76.), Insua - Mané, Asano - Terodde
1. FC Nürnberg: Kirschbaum - Kammerbauer, Hovland, Bulthuis, Sepsi - Behrens (Gislason, 70.), Petrak - Salli (Teuchert, 70.), Möhwald (Margreitter, 87.), Kempe - G. Burgstaller
Tore: 1:0 Terodde (3.), 2:0 Terodde (33.), 2:1 Möhwald (80.), 3:1 Asano (93.) | Gelbe Karten: Pavard (35.), Hovland (84.) | Schiedsrichter: Drees (Münster-Sarmsheim) | Zuschauer: 42.000.
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