Wie Sportler diesen November überbrücken
8.11.2020, 16:11 UhrHanna Schöttner hat es als Trainerin der Jugendmannschaft im Gymnastik und Tanz des TSV Stein mit "digital natives" zu tun. Wie selbstverständlich haben ihre sieben Mädchen im Alter von 16 und 17 Jahren Laptop und Handy gezückt, um weiterhin gemeinsam, aber jeder bei sich zuhause zu trainieren.
Die Videoplattform "Jitsi Meet" war im ersten Lockdown hilfreich, weil man sich online anonym anmelden kann, ohne etwas herunterladen zu müssen. Doch die Aussetzer in Ton und Bild nervten.
"Zoom stand aber wegen des Datenschutzes in der Kritik", erinnert sich Schöttner. Die Vorbehalte haben sich mittlerweile gelegt, diesmal nutzen alle "Zoom", wenn sich zweimal pro Woche einer der drei Trainer für eineinhalb Stunden meldet. In weiser Voraussicht haben sie die Choreographie, mit der sie bei den Bayerischen Meisterschaften im neuen Jahr ins Rennen gehen wollen, noch im Oktober einmal aufgeführt und gefilmt, "weil nach dem November sonst einiges in Vergessenheit geraten würde".
Schwierige Synchronität
Doch das Nachtanzen ist komplizierter als gedacht, in den Jugendzimmern ist zwar Platz fürs Aufwärmen, Krafttraining und Dehnen, "aber nicht für Sprünge und Drehungen". Noch schwieriger ist es, Synchronität unter den Tänzerinnen herzustellen. "Wir haben versucht, das zu üben, aber das Problem ist, wenn der Trainer den Ton anmacht, dann kommt das bei den Mädels unterschiedlich an", berichtet Schöttner.
Jetzt gilt es eben, die Kondition zu erhalten. "Denn die war nach dem letzten Lockdown sehr schlecht", erinnert sich die Trainerin, die auch weiß, was ihre Mädchen nicht so gern haben: Übungen aus dem Ballett. "Das finden alle ein bisschen langweilig, aber es ist gut für die Körperbeherrschung und -spannung."
Videokonferenzen brauchen die Steiner Radballer im November nicht. "Die Kommunikation mit den Trainern ist relativ leicht, weil wir alle miteinander verwandt sind", erzählt Robert Mlady, Torwart des zweiten Bundesliga-Duos des RMC Lohengrin Stein. "Mein Trainer ist mein Vater und wir sehen uns jeden Tag im Geschäft im Fahrradladen in Oberasbach."
Er verbringt momentan viel Zeit auf dem Ergometer. Sein Feldspieler, Cousin Michael Birkner, benutzt einen Crosstrainer, das Ex-Weltmeister-Duo Bernd und Gerhard Mlady schnüre lieber die Laufschuhe. Alles aus freien Stücken. "Unsere Trainer sagen: Ihr seid jetzt alt genug, ihr müsst wissen, was ihr macht", berichtet Robert Mlady. Und sie haben das Vertrauen auch nicht missbraucht. Der Gewinn des Bayernpokals Ende Oktober war eine Formsache, so souverän spielten er und Birkner auf.
Im Radball ist alles abgeblasen
Normalerweise fänden derzeit für die europaweit erfolgreichen Steiner Radballer die wichtigen Spiele statt. Stattdessen ist auf nationaler und internationaler Ebene alles abgeblasen, im Januar soll die neue Saison beginnen. Um bis dahin fit zu sein, hören sie einfach regelmäßig in sich hinein. Robert Mlady erinnert sich: In den ersten ein, zwei Wochen, als es damals in den Lockdown ging, sei es schwer gefallen, sich zum Training zu motivieren. "Aber der Körper ruft dann schon, dass er sich bewegen will. Dann gibt man dem halt nach."
In der Fürther Südstadt verfolgt ein Fußballtrainer eine ähnliche Philosophie. Reinhold Fischer, Coach des Kreisligisten ASV Fürth, ist von seinen Männern noch nicht enttäuscht worden: "In der ersten Lockdown-Phase war es auf freiwilliger Basis. Das hat eine kleine Eigendynamik entwickelt."
Seine Spieler speisen ihre Whatsapp-Gruppe mit Ergebnissen ihrer Läufe oder Kraftübungen, "da wollte keiner hintanstehen", bekam Fischer mit, der das auch an den Zeiten ablesen konnte, die sie nach der Rückkehr ins Mannschaftstraining im Kampf gegen die Stoppuhr vorlegten.
"Dann bescheißen die mich..."
Fischer ist ein Trainerfuchs, dem keiner mehr etwas vormachen kann: "Wenn ich zu den Spielern sage: ,ihr müsst’, dann bescheißen die mich." Und natürlich waren auch damals ein paar Faule dabei, einige seien überhaupt nicht gelaufen, "das hat man dann auch gemerkt". Vielleicht steckt der ASV nicht von ungefähr im Tabellenkeller fest. Mit gutem Beispiel voran geht dagegen sein Torhüter Manuel Döllfelder.
Er trifft sich mit Torwarttrainer Norbert Nein, zuletzt beim ASV Vach, einmal pro Woche für eine Stunde, obwohl der Bayerische Fußballverband ja die Winterpause eingeläutet hat. "Er kann sich quälen", lobt Fischer seinen Keeper und hofft auf Nachahmer. Wenn er mit dem Auto durch die Südstadt fährt, sieht er immer wieder einen seiner Spieler joggen. Das reicht ihm als Kontrolle, denn "das sind erwachsene Leute, die mit beiden Beinen im Leben stehen". Überhaupt sollten momentan alle in der Mannschaft den Kopf frei bekommen. "Ich lasse den Spielern absolute Ruhe. Die Whatsapp-Gruppe ist stillgelegt, im November und Dezember werde ich sie auch nicht nerven."
Da aber jeder wisse, dass es im Februar wieder mit dem Training losgeht, erwarte er schon, "dass niemand nur mit 50, 60 Prozent einsteigen kann, die sollen fit sein". Denn jeder wisse, worum es geht: "Wir müssen den Klassenerhalt schaffen – und dafür müssen wir arbeiten."
Ambitionen in Obermichelbach
Dafür brauche er keine Videokonferenzen. Der Trainer hat zwar ein Facebook-Profil, sagt aber von sich selbst: "Moderne Technik und Fischer, das versteht sich nicht."
Da ist Christian Ruiu schon etwas moderner unterwegs, schließlich ist er im echten Leben auch Elektrikermeister. Seit Februar ist er der Trainer des SC Obermichelbach in der A-Klasse – mit großen Ambitionen, seit Immobilienunternehmer Thomas Sommer in den Verein investiert.
Zwar lässt auch Ruiu seine Spieler in der ersten Novemberwoche "in Ruhe", da einige ihre Wehwehchen aus den vergangenen Partien auskurieren müssen. So hat er es auch beim ersten Lockdown gehalten, "die ersten drei, vier Wochen habe ich erst einmal keine Vorgaben gemacht".
Wochenpläne per Whatsapp
Doch der Coach arbeitet bereits "Individualpläne" aus, die er dann wochenweise als Excel- oder Word-Datei verschickt. Denn er hat auch von Trainerkollegen gehört, deren Kader über die fußballfreie Zeit geschrumpft ist. "Das konnte ich nicht behaupten, im Gegenteil, die waren alle froh, dass sie wieder trainieren durften."
Dass Ruiu sie nur in Kleingruppen zusammentrommeln durfte, habe die Intensität "extrem erhöht". Also hat er aus der Not eine Tugend gemacht und es blieb auch nach den Beschränkungen bei den Achter- und Zwölfergruppen, "das habe ich von damals mitgenommen".
Mit Video-Training könne er sich jedoch nicht anfreunden. "So modern bin ich gar nicht. Ich wüsste auch nicht, was es bringt." Die Spieler hätten auch eine eigene Whatsapp-Gruppe, in der der Trainer nichts verloren hat. Um trotzdem den Draht zur Mannschaft nicht zu verlieren, halte ihn sein Co-Trainer André Fiedler über das Nötigste auf dem Laufenden. Er ist selbst noch Spieler in der Zweiten.
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