Zweikampfschwach und ohne Ideen: Die Club-Analyse

Tim Sohr

6.8.2019, 15:33 Uhr
Während bei Christian Mathenia Ernüchterung über den vierten Einschlag in seinem Kasten herrscht, drehen die Hamburger zum Jubeln ab.

© Sportfoto Zink Während bei Christian Mathenia Ernüchterung über den vierten Einschlag in seinem Kasten herrscht, drehen die Hamburger zum Jubeln ab.

Ein fast ausverkauftes Haus, Flutlicht. Alles war angerichtet für ein Spiel zweier vermeintlicher Top-Mannschaften aus dem Fußball-Unterhaus. Auf der einen Seite der 1. FC Nürnberg, mit einem etwas glücklichen 1:0 in Dresden in die Saison gestartet und voller Tatendrang, den mal wieder zahlreich ins Max-Morlock-Stadion geströmten Fans zu beweisen, dass man es doch vor allem fußballerisch viel besser kann, als man es zum Auftakt gezeigt hatte. Auf der anderen Seite der Hamburger SV, mit namhaften Neuzugängen verstärkt und mit Dieter Hecking einen neuen Trainer auf der Bank habend, der den in den letzten Jahren immer mehr ins Chaos geratenen Traditionsklub vor allem sportlich wieder aufzuräumen versucht.

Der Club, diesmal ohne echten Stürmer von Damir Canadi aufs Feld geschickt, dafür mit Neuzugang Iuri Medeiros auf der rechten Außenbahn, begann schwungvoll, motiviert - ohne aber wirklichen Zug zum Tor zu entwickeln. 34 Minuten sollte es dauern, bis sich der FCN erstmals entscheidend in den Strafraum der Hanseaten kombinieren konnte. Hanno Behrens brachte den Ball über die Torlinie, allerdings aus klarer Abseitsposition. Ein weiterer Wermutstropfen: Zu diesem Zeitpunkt führten die Gäste bereits mit 2:0.

Taktische Korrektur nach 36 Minuten

Am Ball sowie im Kopf schneller, technisch versierter und vor allem mit einem klaren Plan legte sich der HSV den Club zurecht. Die im neuen Heimtrikot agierenden Gastgeber fanden zu keinem Zeitpunkt in Halbzeit eins wirklich ins Spiel, liefen meist nur hinterher und verloren vorne sowie hinten nahezu jeden entscheidenden Zweikampf. Besonders letzteres, die Zweikampfquote, brachte Sportvorstand Robert Palikuca nach dem Abpfiff so richtig in Rage.

"Miserabel", bezeichnete der Deutsch-Kroate das Verhalten seiner Spieler in den direkten Duellen, von denen die Hamburger ganze 60 Prozent über die gesamte Spieldauer für sich entscheiden konnten. "Ich glaube nicht, dass das die Art und Weise ist, wie wir uns am ersten Spieltag zu Hause unseren Fans präsentieren wollen. Wir wollten hier gefährlich Fußball spielen, das hat nicht funktioniert", legte der 41-Jährige am Mikrofon von Sky nach.

Gefährlich Fußballspielen wollte der Club unbedingt, auch deswegen reagierte Canadi bereits nach 36 Minuten mit einem taktischen Wechsel und brachte Stoßstürmer Mikael Ishak für Abräumer Lukas Jäger, an dem das Spiel bis dahin vorbeigelaufen war. Signifikant ändern wollte das im Angriffsspiel des Altmeisters aber nichts, die Hamburger Defensivzentrale um Gideon Jung und Rick van Drongelen entschied nahezu jedes Duell für sich. Zum Vergleich: van Drongelen gewann 87 Prozent seiner Zweikämpfe, Asger Sörensen - schwächster in dieser Kategorie in der Club-Dreierkette - nur 62 Prozent.

Doch nicht nur in den Zweikämpfen lag das Problem des FCN am Montagabend, sondern auch, wie schon in Dresden, im Spielaufbau. Der von Canadi geforderte schnelle Ball in die Tiefe fand selten statt, meist ging es nur quer oder nach hinten. "Im Spiel nach vorne haben wir nur hinten rum gespielt, so wollen wir nicht Fußball spielen - ständig den Torwart mit einzubeziehen", analysierte ein sichtlich verärgerter Palikuca.

Hinter der Tatsache, dass das Integrieren der neuen Spieler und das Erlernen des neuen Systems weiterhin Zeit braucht, wollte sich der Sportvorstand nicht verstecken, zumal es seit Montagnachmittag ein weiteres neues Gesicht im Kader gibt. Die Verpflichtung von Kreativspieler und Standardspezialist Johannes Geis machte der Verein erst wenige Stunden vor Anpfiff publik, der seit diesem Sommer vereinslose Sechser dürfte nach den 90 frustrierenden Minuten gegen Hamburg und der nicht minder enttäuschenden Auftritte seiner neuen Konkurrenten in der Zentrale, sich nach Vorstellungen der Verantwortlichen nicht schnell genug in die Mannschaft integrieren. Am besten schon zum Pokalspiel am Freitag in Ingolstadt, wo der Club vor allem in einer Kategorie wieder gefragt sein wird: Zweikampfstärke.

 

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