Air-Berlin-Pleite: So geht es am Airport Nürnberg weiter
16.8.2017, 12:07 UhrEberhard Asché klingt, als sei ein guter Freund gestorben - und ein wenig ist das wohl auch so. "Das tut mir schon weh", sagt der einstige Verkehrsleiter des Flughafen Nürnberg zur Pleite von Air Berlin spürbar betroffen. Denn Deutschlands - noch - zweitgrößte Airline und die Noris: Über Jahrzehnte war das die ganz große Liebe. Und Asché war der Mann, der das Paar zusammengebracht hatte.
1990 war das, an einem entspannten Abend auf der Tourismusmesse ITB in Berlin, da stand Asché plötzlich neben Joachim Hunold. Der war damals gerade dabei, die zwölf Jahre zuvor als amerikanische Charter-Linie gegründete Air Berlin zu übernehmen - und hatte hochfliegende Pläne. Asché erkennt die Chance. "Was, Flughafen Nürnberg, gibt’s so was?", erinnert sich der inzwischen pensionierte Verkehrsleiter noch genau an Hunolds erste Reaktion.
Doch schnell ist der Luftfahrt-Unternehmer überzeugt. "Genügend freie Kapazitäten und die Möglichkeit eines 24-Stunden-Betriebs, das konnten wir ihm in Nürnberg bieten", zählt Asché die seinerzeit schlagenden Argumente der Franken auf. Hunold landet mit seiner Airline. Schon 1991 hebt der erste Air-Berlin-Flieger im Knoblauchsland ab.
"Hunold mochte uns"
Es ist der Auftakt eines wilden Abenteuers. "Hunold ist Bauchmensch, wenn er einen mochte, war alles andere eigentlich kein Problem", erinnert sich Asché. "Und Nürnberg mochte er." Zu den ersten Verbindungen kommen rasch weitere, da hat Hunold die nächste Idee: Er will ein Drehkreuz. Im Winter, wenn die Urlaubsregionen schwächer gebucht sind, will Air Berlin alle Reisenden aus Norddeutschland zunächst an einem zentralen Ort sammeln, um sie dann gemeinsam an die Mittelmeer-Strände zu fliegen - und erneut erhält Nürnberg dafür den Zuschlag.
Für die Franken beginnt nun eine neue Ära, aus einem soliden Regional-Airport wird auf einmal ein Großflughafen von europäischem Rang. An manchem Morgen stehen jetzt 23 Maschinen auf dem Vorfeld, wollen 4000 Passagiere mit Tausenden Koffern gleichzeitig abgefertigt sein. "Die anderen Airports haben Bauklötzchen gestaunt, was bei uns plötzlich alles los ist", sagt Asché. "Schlagartig waren wir bekannt."
Es ist eine andere Welt. Anfangs wird viel improvisiert, teils müssen die Flughafen-Mitarbeiter jeden Reisenden beim Aussteigen noch persönlich fragen, wohin der Anschlussflug denn gebucht sei. Und wehe, wenn eine gelandete Maschine nicht ruckzuck wieder abheben durfte. "Da hing dann der Hunold auch mal selbst bei mir in der Leitung. Und zwar hörbar mit lila Gesichtsfarbe." Die Franken aber lernen schnell. Das zweite Terminal wird gebaut, Parkhäuser entstehen, die gesamte Infrastruktur wächst. "Durch Air Berlin haben wir uns viel rasanter entwickelt, als das sonst je möglich gewesen wäre", sagt Asché, "in kurzer Zeit haben wir kolossal dazugelernt." Bis 2008 steigt die Zahl der Passagiere auf 4,27 Millionen, bis heute der Rekordwert. Der Marktanteil von Air Berlin liegt bei bis zu 58 Prozent.
Dann jedoch macht Nürnberg schmerzhaft Erfahrungen mit der Schattenseite dieser Symbiose. Die Traumehe, sie bekommt Risse. Die Finanzmarktkrise löst eine weltweite Wirtschaftskrise aus, die den Luftfahrtmarkt in Turbulenzen stürzt. Air Berlin ist darauf noch schlechter vorbereitet als viele Konkurrenten. Zu schnell gewachsen ist die Airline, zu unklar die Marktpositionierung, zu unrund laufen interne Prozesse.
Bis zuletzt die Nummer eins
Hunold muss gehen. Seine Nachfolger verabschieden ein Sparprogramm nach dem nächsten, Stellen werden abgebaut, Strecken gestrichen. Und Nürnberg: Ist für das Airline-Management auf einmal nur noch ein Flughafen unter vielen. Die Passagierzahlen in Franken brechen ein, die Infrastruktur wirkt nun überdimensioniert. Am Ende verlieren auch die damaligen Airport-Chefs Karl-Heinz Krüger und Harry Marx ihre Jobs.
Es ist Zeit für einen Neuanfang. 2013 übernimmt Michael Hupe als Geschäftsführer das Cockpit des Nürnberger Flughafens. Mit Erfolg. Die Zahl der Flugziele steigt wieder, damit auch die Zahl der Passagiere, mehrere Airlines teilen sich den Kuchen.
Trotzdem wirkt das Erbe nach. So waren Air Berlin und die Tochtergesellschaft Niki auch 2016 noch mit 990.000 Fluggästen der größte Anbieter. Erst dieses Jahr könnte Ryanair die Führung übernehmen.
"Operativ hat die Air-Berlin-Pleite für uns erst einmal keine Auswirkungen, denn die Flüge sollen ja zunächst weiterlaufen", sagt Hupe. Was aber, wenn in den nächsten Wochen Niki mit in den Insolvenz-Strudel der Muttergesellschaft gezogen wird? "Dann sähe es nicht mehr ganz so hübsch aus." Allerdings sei er grundsätzlich optimistisch: "Ich glaube, selbst wenn Flüge eingestellt würden, würden andere Airlines diese Lücken schnell füllen." Tuifly zum Beispiel, Eurowings oder Sun Express.
Bleibt die Frage nach der Bilanz dieser besonderen Verbindung Nürnberg-Air Berlin. Ein über gut 15 Jahre anhaltender Boom, der den Airport in allen Bereichen auf ein höheres Niveau gehoben hat und Investitionen ermöglichte, die es sonst vielleicht nie gegeben hätte. Ihm aber nach 2008 auch eine tiefe Krise bescherte, von der sich das Unternehmen erst jetzt langsam erholt. Hupe wird nicht müde zu betonen, dass man nie wieder in so eine Abhängigkeit von einem einzigen Kunden geraten wolle.
Asché bittet im Urteil um Fairness. "Damals, als es lief, hat sich nie einer beschwert, auch nicht die Herren im Aufsichtsrat", erinnert der Ex-Verkehrsleiter. Es sei eine extrem spannende Zeit gewesen. "Ich denke gerne daran zurück."
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