Widersprüchliche Pläne

Aufbruchsignale nicht in Sicht: Die Ampel bremst sich selbst aus - und den Standort Deutschland

Alexander Jungkunz

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30.10.2023, 10:59 Uhr
Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Standort Deutschland ist nicht so schlecht, wie ihn zu viele reden - aber seine Schwächen sind offensichtlich. 

© Britta Pedersen, dpa Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der Standort Deutschland ist nicht so schlecht, wie ihn zu viele reden - aber seine Schwächen sind offensichtlich. 

Doch, es gibt auch noch Innenpolitik in diesen Zeiten des Krieges. Gerade hat Wirtschaftsminister Robert Habeck seine Koalitionspartner wieder mal überrumpelt - mit einem nicht abgestimmten Industrie-Konzept. Etliche Punkte stießen denn auch prompt auf massive Kritik vor allem der FDP: Ein Aufweichen der Schuldenbremse - das ist für die Liberalen ein Sakrileg, ihr Chef und Finanzminister Christian Lindner wird das verhindern wollen.

Dabei wäre es wichtig und lohnend, wenn die Koalition intensiv darüber streiten würde, wie denn das Land wieder voranzubringen ist - und dann, mit einem abgestimmten Konzept, an die Öffentlichkeit ginge: Seht her, wir haben verstanden, uns zusammengerauft - hier ist unser Plan für eine Stärkung des Standorts.

Viele Schwächen stammen aus der Ära Merkel

Der ist nicht so schlecht, wie ihn zu viele reden. Aber seine Schwächen sind offensichtlich. Und sie entstanden vor allem, um Legendenbildungen vorzubeugen, vor dem Start der Ampel, während der weitgehend politikfreien Ära Merkel: Eine Infrastruktur, die mangels Investitionen hinter die anderer Staaten zurückfiel. Eine Bürokratie, deren Wuchern dem Kanzler kürzlich ein paar sarkastische Bemerkungen entlockte - was gewiss nicht ausreicht, um sie endlich mal ab- und nicht aufzubauen. Eine teils konfuse Energiepolitik mit hausgemachten Versäumnissen beim Ausbau der Erneuerbaren. Und all dies überlagert von der Multi-Krise unserer Zeit: Corona-Folgen plus Ukraine-Krieg plus Inflation plus Nahostkonflikt plus Klimawandel.

Normal ist diese Lage (hoffentlich) nicht. Daher wäre es dringlich, sich mit aller Kraft aus ihr herauszuarbeiten. Nationale Politik kann dies nicht auf allen Feldern. Aber ein Schub, den eine überfällige Investitions-Offensive auslösen kann, wäre wichtig - und ein Überdenken der Schuldenbremse daher vertretbar.

Auch das Fördern nachhaltiger, energiesparender Technologien ist sinnvoll, der im Konzept verheißene Bürokratie-Abbau ohnehin. Doch im Widerspruch zu Habecks Ziel, eine grünere Wirtschaft zu fördern, stehen seine zu Recht umstrittenen Pläne, Industriestrom durch Subventionen billiger zu machen. Das verhindert eben jene Effizienz-Fortschritte, die der Minister will, es macht Unternehmen womöglich bequem - und es ist ungerecht, weil manche die Förderung bekommen sollen, viele kleinere Firmen aber nicht.

Dringlich: ein Aufbruchsignal

Deutschland bräuchte dringend ein Aufbruchsignal: Wir holen auf, wir besinnen uns auf unsere - durchaus noch vorhandenen - Stärken. Der schwächelnde Patient Europas kann sich selbst wieder aufrappeln. Die Ampel könnte so ein Signal senden - aber ihr fehlt dazu offenbar die Kraft, dies geschlossen zu tun. Dabei drängt die Zeit. Denn die nächsten, auch für die Demokratie folgenreichen Wahl-Debakel (Europa, Landtagswahlen im Osten) kommen garantiert, wenn die Koalition nicht endlich umsteuert.

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