Arbeitet Deutschland zu wenig?

Feiertage abschaffen und später in Rente: Bayerischer CEO will, dass Deutsche mehr arbeiten

15.8.2024, 11:42 Uhr
Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft (Munich Re), nimmt an einer Bilanzpressekonferenz der Munich Re teil.

© Lino Mirgeler/Lino Mirgeler/dpa Joachim Wenning, Vorstandsvorsitzender der Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft (Munich Re), nimmt an einer Bilanzpressekonferenz der Munich Re teil.

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist allseits präsent: Unternehmen müssen wegen zu wenig Personal ihre Pforten schließen und genug Kräfte scheinen nicht nachzukommen. So blieben in diesem Jahr in Nürnberg mehr als 1500 Ausbildungsplätze unbesetzt.

"It seems like nobody wants to work these days", sagte eins der US-amerikanische Reality-TV-Star Kim Kardashian, auf Deutsch: "Es scheint, als ob heutzutage niemand mehr arbeiten will". Und nicht nur sie findet das, auch wirtschaftliche Größen stimmen ihr dabei, zumindest teilweise, zu.

Joachim Wenning: Deutsche müssen mehr arbeiten

Joachim Wenning, CEO der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, hatte im Gespräch mit der "Süddeutsche Zeitung" (SZ) gefordert, dass die Deutschen "endlich wieder mehr arbeiten sollen". So sei die Minderarbeit der Vergangenheit ohne überlegene Technologie nicht mehr möglich. "Die Schlüsseltechnologie von heute ist die Datentechnologie. In dieser sind Deutschland und Europa den USA und China weit unterlegen. Deshalb müssen wir wieder mehr arbeiten und leisten."

Wenning analysiert, dass bundesweit eine Performancekultur erforderlich sei. Arbeits- und Leistungsanreize müssen demnach gestärkt werden. "Warum wird beispielsweise nicht die gesetzliche Höchstarbeitsdauer von täglich zehn Stunden für nicht Leitende gestrichen? Warum werden nicht einfach ein paar gesetzliche Feiertage gestrichen? Es gibt keinen Grund, warum Bayern deutlich mehr Feiertage als Hamburg oder Deutschland als viele andere Länder benötigt", sagte er der "SZ". Zudem stellt der Munich-Re-Chef das aktuelle Rentenalter und den aktuell strengen Kündigungsschutz infrage.

In Deutschland wird bereits jetzt so viel wie noch nie gearbeitet

Wenning fordert mehr Leistung, Fakt ist jedoch auch, dass bereits jetzt so viel wie noch nie gearbeitet wird. Eine Analyse des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ergab, dass abhängige Beschäftigte im vergangenen Jahr rund 55 Milliarden Stunden Arbeit geleistet haben. 1991 waren es noch 52 Milliarden. "Das Gesamtarbeitsvolumen ist vor allem gestiegen, weil immer mehr Frauen erwerbstätig sind", sagt Studienautor Mattis Beckmannshagen, wissenschaftlicher Mitarbeiter des SOEP im DIW Berlin. "Allerdings ist fast die Hälfte der Frauen in Deutschland teilzeitbeschäftigt, obwohl einige gern mehr arbeiten würden. Ihr Potenzial für den Arbeitsmarkt bleibt also teilweise ungenutzt."

Während das gesamte Arbeitsvolumen so hoch ist wie noch nie, ist die Arbeitszeit pro Kopf dahingegen also tatsächlich niedrig. Wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gegenüber der "Tagesschau" berichtet, war die durchschnittliche Arbeitszeit, bis auf das Corona-Jahr 2020, in 2023 so niedrig wie noch nie.

Mehr Frauen arbeiten - bleiben aber oft in Teilzeit

Die Unterbeschäftigung bei Frauen steigt besonders dann, wenn sie Kinder haben, erklärt der DIW. Wie aus der Analyse hervorgeht, hat sich die Rollenverteilung im Haushalt seit 1991 kaum verändert. Frauen wenden weiterhin deutlich mehr Zeit für Kinderbetreuung und Hausarbeit auf als Männer.

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