Lebensmittel viel zu billig? Kartellamtschef warnt Discounter

Tobi Lang

Online-Redakteur

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2.2.2020, 11:28 Uhr
Lebensmittel viel zu billig? Kartellamtschef warnt Discounter

© Patrick Pleul/dpa

Das Kilogramm Hähnchenfilet für fünf Euro, der Liter Milch kostet 75 Cent, 300 Gramm Tomaten aus Spanien sind nicht deutlich teurer - die Discounter-Prospekte der Republik quellen über mit Angeboten, Woche für Woche. Seit Tagen hat Deutschland eine Diskussion über seine Lebensmittelpreise. Nahrung ist deutlich günstiger zu haben als in anderen westeuropäischen Ländern, Frankreich etwa, Österreich, Belgien. Selbst im krisengebeutelten Griechenland zahlt man an der Kasse mehr, errechnete Eurostat erst kürzlich. Was den Kunden freut, ärgert Landwirte, die unter Druck geraten. Sie sagen: Bei einem Nackensteak für umgerechnet 70 Cent bleibt gerade der Tierschutz zwangsläufig auf der Strecke. 


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Eben jenes Nackensteak wird nun zum Symbol der neuen Preisdebatte um Lebensmittel. "Die CDU gilt immer noch als die Partei des Verbrennungsmotors, des Schweinenacken-Steaks und des Arbeitens bis zum Umfallen", sagte Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole van Beust kürzlich etwas schmissig über seine eigene Partei - und trat damit eine Diskussion los. Nicht um den Verbrennungsmotor, nicht um die Belastung der Arbeitnehmer - sondern ums Steak. Und seinen Preis. 

"Preisdumping im Supermarkt macht mich wütend"

"Die Menschen können ihr Nackensteak grillen, wann sie wollen", sagt etwa Robert Habeck in der Bild am Sonntag, Politik dürfe keine Lebensstil-Frage sein. Der Grünen-Chef sagt: "Die derzeitige industrielle Produktion von Lebensmitteln geht gegen die Interessen der Landwirte, weil sie unter diesem Druck des 'Wachse oder weiche‘ einfach nur immer billiger immer mehr produzieren müssen. Und dann werden Käufer mit Ramschpreisen in den Laden gelockt. Dieses Preisdumping im Supermarkt macht mich wütend." Die Bundesregierung, sagt Habeck, müsse handeln. 

Einen ersten Schritt will Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag tun, beim Lebensmittel-Gipfel mit Erzeugern und Vertretern aus dem Einzelhandel sprechen. Das Gespräch ist auch eine Reaktion auf die Proteste der Landwirte, die seit Wochen mobil machen. Die Kanzlerin habe schon oft deutlich gemacht, dass eine regionale Ernährung nur möglich sei, wenn regional produzierende Landwirte auch angemessene Preise erzielen könnten, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert über den anstehenden Gipfel. An dem Treffen sollen auch Agrarministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) teilnehmen.

 

Kartellamt sieht Machtkonzentration kritisch

Jetzt schaltet sich auch der Präsident des Bundeskartellamtes in die Diskussion ein. "Die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels dürfen ihre Macht nicht dazu missbrauchen, die Konditionen einseitig zulasten der Erzeuger und Produzenten festzusetzen", sagt Andreas Mundt dem Tagesspiegel. Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland haben derzeit einen Marktanteil von mehr als 85 Prozent. Eben jene Machtkonzentration sehe seine Wettbewerbsbehörde durchaus kritisch.

Handelsverband: "Lebensmittel werden nicht verschleudert"

Der Handelsverband Deutschland (HCE) sieht das anders. "Lebensmittel werden hier nicht verschleudert", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Gent am Rande einer Pressekonferenz am Freitag. Sein Präsident, Josef Sanktjohanser, sieht zurück: "Mit ihren Forderungen nach Mindestpreisen für Lebensmittel im Einzelhandel überschreiten Vertreter der Bundesregierung und der Parteien eine rote Linie." Einigen Politikern sei der "ordnungspolitische Kompass verloren gegangen". Überhaupt seien Lebensmittel in den vergangenen Jahren eben nicht günstiger, sondern deutlich teurer geworden. 

Ernährungsministerin Julia Klöckner will trotzdem aktiv werden. "Es ist wie David gegen Goliath, wenn Bauern mit dem Handel verhandeln", sagte die CDU-Politikerin. Zwar beklage der Handel die Zahlungsbereitschaft der Kunden, setze dann aber immer neue Tiefstpreise - am Ende bade das der Erzeuger aus, dem Geld fehle. Der Agrargipfel am Montag soll jetzt ein erster Schritt sein, das Missverhältnis umzukehren. 

 

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