Pink Tax: Müssen Frauen für Produkte tiefer in die Tasche greifen?
6.4.2021, 10:22 Uhr"Frauen zahlen mehr." So eindeutig betitelte die Verbraucherzentrale Hamburg 2019 eine Studie, in der sie Preise von Pflegeprodukten für Männer und Frauen verglichen hatte. So seien die Einwegrasierer von Isana, der Eigenmarke von Rossmann, für Frauen im Vergleich 14 Prozent teurer als die für Männer. Beim Rasierschaum von Balea, der Eigenmarke von Dm, seien es sogar 76 Prozent. Höhere Preise für einen Rasierer, nur weil er rosa ist? Für Verbraucher mag sich diese These mit einem ersten Blick ins Drogerieregal bestätigten - doch so einfach ist es nicht.
Viele Beschwerden
Bei der Verbraucherzentrale waren zum sogenannten "Pink Tax" oder "Gender Pricing" - also der Preisbildung nach Geschlecht - in der Vergangenheit zahlreiche Beschwerden eingegangen. Deswegen entschloss man sich dort zu der Studie. Repräsentativ sei die Untersuchung 2019 aber nicht gewesen, erklärt Mitinitiator Armin Valet von der Fachabteilung Lebensmittel und Ernährung auf Anfrage. Es sei mehr darum gegangen, auf die Problematik aufmerksam zu machen. "Man weiß aus dem Marketing, dass Frauen weniger auf den Preis achten und das nutzt man gerade bei Pflegeprodukten schamlos aus."
Konfrontiert man etwa Rossmann und Dm mit der Kritik, widersprechen die: Dm-Geschäftsführerin Kerstin Erbe verweist zunächst auf die unterschiedlichen Inhaltsstoffe für Männer- und Frauenprodukte. "Die Rezepturen für Damen-Rasierschaum enthalten einen höheren Anteil an pflegenden und feuchtigkeitsspendenden Inhaltsstoffen." Bei den Einwegrasierern sei zudem die Stückzahl beim männlichen Angebot höher: Dadurch könnten "Mengeneffekte erzielt werden, die zu einer geringeren Preisstellung führen". Ähnlich fällt auch die Begründung von Rossmann aus: "Die unterschiedliche Preisgestaltung ist nicht auf eine geschlechterspezifische Ungleichbehandlung zurückzuführen. Dahinter steckt keine diskriminierende Systematik."
Preise versteckt?
Für Verbraucherschützer Valet sind das keine stichhaltigen Argumente: Die Unternehmen würden unterschiedliche Füllmengen nutzen, um die Preisunterschiede zu kaschieren. "Man könnte auch einfach die gleiche Stückzahl an Rasierern anbieten, wenn der Preis dann gleich wäre. Rasierer haben ja kein Verfallsdatum." Inhaltsstoffe machten zudem nur einen geringen Anteil am Endpreis aus. "Auch damit kann man so große Preisunterschiede nicht rechtfertigen."
Das bestätigt auch Björn Ivens, der an der Universität Bamberg den Lehrstuhl für BWL mit Fokus auf Vertrieb und Marketing innehat. Unterschiedliche Inhaltsstoffe und Füllmengen würden genutzt, um die Preise zu verstecken, Design und Sprache angepasst, um sie für die Geschlechter ansprechender zu machen. "Es ist aber nicht generell so, dass Frauen bereit sind, mehr zu zahlen", vielmehr variiere die Bereitschaft beider Geschlechter je nach Produkt. "Und das ist tatsächlich immer noch sehr stereotypisch: Männer sind bereit mehr für Fußball-Abonnements oder die Stadionkarte auszugeben, Frauen dagegen für Friseur und Pflegeprodukte."
Dass Händler dieses Wissen aus der Marktforschung nicht nutzen, wie etwa von den Drogeriemärkten behauptet, glaubt der Experte nicht: "Alle, die professionell mit Marktforschung arbeiten, identifizieren und nutzen die Preisbereitschaft. Das ist natürlich Kalkül, aber es ist gleichzeitig auch vollkommen legal, dass private Anbieter den Preis je nach Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit festlegen." Das werde an vielen Stellen genutzt: "Auch im Theater erhalten beispielsweise Rentner und Studenten vergünstigte Tickets. Es ist also gängige Praxis", so Ivens.
Frauen zahlen beim Friseur drauf
Eine repräsentative Studie, die die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben hat, bestätigt das. Zwei Wissenschaftlerinnen untersuchten dafür 1682 gleichartige Produkte. Bei knapp 3,7 Prozent fanden sie ungleiche Preise - in 2,3 Prozent dieser Fälle mussten Frauen drauf zahlen, in 1,4 Prozent Männer. Größer waren die Unterschiede bei Dienstleistungen. Von den untersuchten 381 Dienstleistungen gab es bei 59 Prozent unterschiedliche Preise; 50 Prozent - vor allem Reinigungs- und Friseurpreise - waren für Frauen höher.
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Dass letztere Frauen im Preis diskriminieren, weist Doris Ortlieb, Geschäftsführerin des Landesinnungsverband des bayerischen Friseurhandwerks, aber deutlich zurück: Die Preise für Friseurdienstleistungen würden auf einer Mischkalkulation basieren. Entscheidend dafür seien neben den Fixkosten Faktoren wie Haarlänge und Haardichte, aber auch der Weiterbildungsaufwand für Damenhaarschnitte, die Beratung und damit die aufgewendete Zeit, die in der Regel für Frauen höher sei. Dadurch würden sich am Ende unterschiedliche Preise ergeben, so Ortlieb.
Doch wie fällt nun das Fazit aus? Dass Frauen für einige Dinge mehr bezahlen, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch eine pauschale Preisdiskriminierung über alle Güter hinweg gibt es offenbar nicht. Stattdessen kommt es stark auf die Produkte an. Damit hilft am Ende jedenfalls eines: Preise vergleichen und erst dann kaufen.
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