Tausenden Photovoltaik-Anlagen droht das Aus

Nicole Netter

Politik und Wirtschaft

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17.10.2020, 05:52 Uhr
Als die ersten Deutschen sich Solarpanele aufs Dach bauten, setzten sie darauf, dass sie 20 Jahre lang eine entsprechende Förderung erhalten. Dass die heimische Stromproduktion danach zum Minusgeschäft werden könnte, hätten sie nicht gedacht. 

© Bernd Wüstneck, NNZ Als die ersten Deutschen sich Solarpanele aufs Dach bauten, setzten sie darauf, dass sie 20 Jahre lang eine entsprechende Förderung erhalten. Dass die heimische Stromproduktion danach zum Minusgeschäft werden könnte, hätten sie nicht gedacht. 

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierte Pionieren wie Schaa über 20 Jahre hohe Abnahmepreise für den auf ihren Dächern produzierten Strom. Doch am 31. Dezember ist diese Zeit um, dann endet die EEG-Förderung für diese sogenannten Altanlagen. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind 18.300 unmittelbar betroffenen, bis Mitte des Jahrzehnts werden es aber, so Fachverbände, bis zu 190.000 sein.

Weil bisher eine Nachregelung fehlt, könnte, so eine Studie des Umweltbundesamtes, "bei Anlagen ohne die Möglichkeit eines signifikanten Selbstverbrauchs der Weiterbetrieb gefährdet" sein. Im Klartext: Anlagen, die der Steuerzahler durch den Grünstrom-Obolus mitfinanziert hat und die noch bis zu 15 Jahren Strom ins Netz einspeisen würden, könnten aufgrund des mangelnden Gesetzgebungselans des Bundeswirtschaftsministeriums abgebaut werden.

"Das wäre eine schreiende Ungerechtigkeit", sagt Josef Göppel, Vorsitzender im Aufsichtsrat der Regionalstrom Franken eG. Angesichts der selbstgesteckten Umweltziele der EU und Deutschlands zu riskieren, dass tausende voll funktionsfähige Anlagen vom Netz gehen, sei "ökologischer und ökonomischer Irrsinn".

Aussitzen und weiter einspeisen?

Noch bekommen die Betreiber der über 18 000 Altanlagen eine garantierte Vergütung von 50 Cent pro Kilowattstunde, mehr als zehnmal so viel wie den derzeitigen Stromhandelspreis. Schaa etwa speist überwiegend ins Netz ein, gut 20 bis 30 Prozent nutzt er im Eigenverbrauch. "Wenn die Sonne kräftig scheint und es sich einrichten lässt, dann machen wir eben dann unser Apfelmus", erzählt er. Für ihn und seine Frau sind die Kollektoren auf dem Dach auch ein Stück ihrer Identität, ressourcenschonend zu leben, ist für beide wichtig. Dass die Förderung nun auslaufe, sei für ihn völlig in Ordnung. Aber dass die Panels auf seinem Dach aufgrund einer fehlenden Übergangsregelung zum Minusgeschäft werden könnten, lässt ihn den Kopf schütteln.


Kommentar: Sonnenstrom - nur noch überflüssiger Schrott?


Bringt das Ministerium von Peter Altmaier nicht rechtzeitig eine Weiterführungsregelung auf den Weg, bleiben Anlagenbetreibern wie Schaa wenige Möglichkeiten. Sie könnten etwa ihren Sonnenstrom weiter einspeisen. Allerdings nicht wie bisher über ihren Netzbetreiber, sondern mittels eines Direktvermarkters. Die Vergütung liegt hier bei drei bis vier Cent pro Kilowattstunde, abgezogen werden jedoch Vermarktungskosten, die laut Göppel in keinem vertretbarem Verhältnis zu den geringen Strommengen stehen. Hinzu kommt, dass die Einspeisung künftig ein intelligentes Messgerät erfordert, das etwa im Viertelstundentakt misst und abhörsicher ist. "Das ist absurd", folgert Göppel.

Auch einen erweiterten Eigenverbrauch hat PV-Pionier Schaa bereits angedacht. Aber selbst wenn er sich für einige tausend Euro einen Stromspeicher anschafft, bleibt an besonders sonnenreichen Tagen das Problem der Vermarktung. Denn dann liefert die Anlage kurzfristig zu viel Strom, die dann eben wieder doch ins Netz eingespeist werden muss. Zu oben genannten Konditionen. Zu folgern, dass man den Strom einfach "gratis" abgeben könnte, wäre ein Trugschluss. Ohne Vermarkter wäre das nach geltender Rechtslage "wildes Einspeisen" - und damit illegal.

Kekeritz: "Das ist ein Witz"

Die Grünen, unter ihnen der Fürther Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz, fordern nun unkomplizierte Lösungen, um den produzierten Strom selbst verbrauchen und den Rest weiter ins Stromnetz einspeisen zu können. Die Kosten der Umrüstung sollten subventioniert werden. Und vor allem sollte selbst erzeugte und verbrauchte Energie, so Kekeritz gegenüber den Fürther Nachrichten, von Umlagen, Abgaben und Gebühren befreit werden. "Wenn ich Strom selbst erzeuge und verbrauche, ist das das einzige Produkt, für das ich Mehrwertsteuer zahlen muss." Für Kekeritz ist das ein Witz.

Das Bundeswirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit, dass man "deutliche Signale von Stromhändlern, Stadtwerken, Start-ups und Industrieunternehmen" erhalte, "dass es attraktiv ist, solche Anlagen unter Vertrag zu nehmen und den Strom außerhalb des EEG zu vermarkten". Außerdem seien für die technische Umrüstung ausgeförderter Anlagen "finanzielle Anreize" vorgesehen. Details sind aber keine bekannt.

Auch die N-Ergie kämpft mit der Unklarheit

Auch die Nürnberger N-Ergie sieht in dieser Unklarheit ein Problem. Für die Einspeiser, aber auch für sich. Entsprechend habe man zwar Pläne, Präzises könne man aber nicht nennen, da eine EEG-Novellierung noch nicht beschlossen sei. Geplant, so Sprecherin Heidi Willer, sei aber zum Beispiel, dass Selbsteinspeiser ihren Überschuss bei der N-Ergie in eine Art "virtuellen Speicher" einspeisen können, und ihn dort bei Bedarf abrufen. Auch sei aus Sicht der N-Ergie der Einbau von intelligenten Messsystemen zumindest bei kleinen Anlagen von unter sieben kWp nicht erforderlich. Ihr Fazit: "Mit den geplanten Regelungen hemmt der Entwurf das Potenzial der Photovoltaik für die Energiewende."


Erneuerbare Energien: Region nutzt ihr Potential noch nicht


Trotz aller Unklarheit freut sich PV-Anlagenbetreiber Schaa, dass der öffentliche Druck allmählich Wirkung zeigt, das Ministerium den Handlungsbedarf zumindest erkannt hat. Wie Berlin aber ein so klar terminiertes Thema einfach verschlafen konnte, bleibt ihm ein Rätsel.

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