Mitarbeiter zufriedener
Vier-Tage-Woche: Wie zwei Unternehmen aus der Region eine kurze Woche umsetzen
13.8.2021, 05:55 UhrEin paar der Arbeitsplätze bleiben bei Bitwings inzwischen immer leer, denn seit 1. Juli ist keiner der Angestellten mehr an fünf Tagen im Büro. Seitdem testet die Neumarkter IT-Firma in einem Experiment die Vier-Tage-Woche. Statt 40 Stunden pro Woche wird seither nur noch 36 Stunden gearbeitet, bei gleichem Gehalt.
"Wir sind mit unseren 20 Mitarbeitern ja ein relatives kleines Unternehmen und müssen als solches auch attraktiv für IT-Fachkräfte sein, die Mangelware sind. Beim Gehalt können wir aber mit großen Konzernen nicht mithalten, dafür können wir aber beispielsweise eine kürzere Woche bieten", erklärt Andre Riegel, einer der drei Geschäftsführer des Unternehmens. Mehr Freizeit und damit auch eine hohe Zufriedenheit bei den Beschäftigten seien weitere Gründe für die Entscheidung gewesen. "Und aus mehreren Versuchen weiß man bereits, dass eine kürzere Woche sogar die Produktivität steigern und die Fehltage verringern kann", argumentiert Riegel.
Ob die Produktivität trotz Reduzierung der Arbeitsstunden tatsächlich gleich bleibt oder sogar steigt, dazu will Riegel mit Blick auf das eigene Unternehmen derzeit aber noch nichts sagen. "Für eine aussagekräftige Bilanz ist es einfach zu früh." Von Seiten der Belegschaft sei das Feedback aber durchweg positiv: "Vor allem die langen Wochenenden werden für einen Kurzurlaub und Zeit für die Familie genutzt. Das sind Möglichkeiten, die die Beschäftigten so davor nicht hatten", berichtet Riegel.
Am Ende wird ausgewertet
Damit das Unternehmen trotzdem an allen Tagen erreichbar ist, nutzt Bitwings für die verkürzte Woche ein rotierendes System: Eine Gruppe an Mitarbeitern hat in der ersten Woche am Montag frei, in der nächsten am Dienstag und so weiter. "So kann jeder unserer Angestellten gut planen und unsere Geschäftspartner haben dennoch immer verfügbare Ansprechpartner. Dass alle einfach am Freitag frei nehmen, hätte wegen der Kundenbetreuung dagegen nicht funktioniert."
Sechs Monate lang will Bitwings das System nun testen, dann wird entschieden. "Wir haben davor Kennzahlen festgelegt, die wir dann auswerten. Natürlich gehört dazu auch, dass am Ende die Zahlen stimmen."
Die Familienbrauerei Pyraser in Thalmässing ist da schon weiter. Seit 2003 arbeiten die Brauer dort nur noch von Montag bis Donnerstag, allerdings bei gleicher Arbeitszeit. Seitdem habe sich die Produktivität der Brauerei mit angeschlossenem Mineralbrunnen um 25 Prozent gesteigert, berichtet Chefin Marlies Bernreuther - auch weil das Unternehmen damit Einsparungen erzielt: "Durch den Wegfall eines kompletten Tages sparen wir über 20 Prozent des Energie- und Wasserverbrauchs ein." Zudem seien die Mitarbeiter nach dem langen Wochenende erholter, die Fehlerquote sei niedriger.
Die Vier-Tage-Woche wird allerdings nicht im gesamten Betrieb umgesetzt: Verwaltung, Vertrieb und Logistik - in diesen Bereichen arbeitet das Gros der Belegschaft - ist weiter an fünf Tagen vor Ort. "Für die Kunden ist es wichtig, dass wir erreichbar sind. Dafür läuft außerhalb von Pyras die Uhr der Arbeitswelt doch noch zu sehr im Fünf-Tages-Rhythmus", so Bernreuther.
Wirtschaft sieht es kritisch
Dennoch ploppt das Thema immer wieder auf, wie zuletzt durch die vor wenigen Wochen veröffentlichten Studienergebnisse eines Experiments in Island.
Fünf Jahre lang hatte der nordische Inselstaat mehr als ein Prozent seiner berufstätigen Bevölkerung bei vollem Lohn weniger arbeiten lassen. Das Ergebnis: Bei einer Wochenarbeitszeit von 35 anstatt 40 Stunden und gleichem Lohn blieb die Produktivität gleich oder verbesserte sich sogar.Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), sieht die Idee einer Vier-Tage-Woche dennoch kritisch. Eine grundsätzliche Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich werde zu einer Steigerung der Arbeitskosten führen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen und damit langfristig auch Arbeitsplätze kosten könnte, so seine Ansicht.
Und er nennt noch einen weiteren Punkt: "Trotz der konjunkturellen Delle durch die Corona-Krise werden Fachkräfteengpässe auch in Zukunft bestehen und das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaft gefährden." Werde die Arbeitszeit reduziert, müsste das aber durch mehr Personal aufgefangen werden, das kaum mehr zu finden sei, betont Brossardt und fügt hinzu: "Was wir brauchen, ist eine deutliche Flexibilisierung der Arbeitszeit - weg von einer täglichen und hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von maximal 48 Stunden im Durchschnitt, wie europarechtlich vorgesehen."
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