Oft keine Affekthandlung
Warum kündigen gute Mitarbeiter? Das können die Gründe sein
4.11.2024, 05:00 Uhr"Ich kündige!" Wenn ein Arbeitnehmer diesen Satz ausspricht und ihm dann auch die entsprechenden Konsequenzen folgen lässt, ist das meist keine Affekthandlung. Stattdessen ist es häufig so, dass eine solche Kündigung das Ende eines längeren Prozesses der Entfremdung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist. Doch wie kommt es eigentlich zu dieser Entfremdung - und wie kann ihr ein Arbeitgeber entgegenwirken, damit ein hochqualifizierter und wertvoller Mitarbeiter nicht einfach geht?
Fehlende Wertschätzung
"Nicht geschimpft ist Lob genug" lautet ein geflügeltes Wort. Die Botschaft: Positives Feedback wird überbewertet, denn eigentlich sollte man doch zufrieden sein, wenn man nicht kritisiert wird. Bei Mitarbeitern die ihren Job sprichwörtlich auf einer halben Arschbacke absitzen, mag diese Behandlung durchaus funktionieren. Werden allerdings hochengagierte Menschen, die für ihren Beruf brennen, so behandelt, kann sich schnell das Gefühl einstellen, dass der Arbeitgeber die erbrachte Leistung nicht wertschätzt.
Besonders fatal ist ausbleibende Wertschätzung, weil gute Mitarbeiter meist nicht einfach nur gut arbeiten, sondern darüber hinaus auch noch gut und wichtig für das Team und dessen Zusammenhalt sind. Sie gehen also auf mehreren Ebenen weit über die Mindestanforderungen ihres Berufes hinaus. Ein "Danke", ein Lob oder eine andere Form der Anerkennung sind daher nicht nur von enormer Wichtigkeit, sondern auch eine einfache und darüber hinaus kostenlose Möglichkeit, engagierte Mitarbeiter motiviert und bei der Stange zu halten.
Überlastung
Egal, wie gut und qualifiziert Mitarbeiter sind: Menschen haben Grenzen. Natürlich ist es nachvollziehbar, wenn ein Chef seine besten Mitarbeiter stärker einspannt als andere - doch wenn er es dabei übertreibt, verkehrt sich die eigentlich vertrauensvolle - und von vielen Angestellten durchaus wohlwollend empfundene - Geste ins Gegenteil: Die Angestellten fühlen sich mit Arbeit überfrachtet und bekommen das Gefühl, für ihre gute Leistung auch noch bestraft zu werden.
Durch die Überlastung sinkt die Motivation und die Zufriedenheit - besonders dann, wenn sich die Mehrarbeit nicht auch beispielsweise durch eine Beförderung finanziell positiv auswirkt.
Langeweile
Die Menge an Arbeit, die ein Mensch in seiner Arbeitszeit leistet, kann nicht nur zu viel sein (siehe oben), sondern auch zu wenig. So gibt es auch zum "Burnout" (wenn ein Angestellter wegen chronischer Überlastung einfach nicht mehr kann) ein passendes Äquivalent auf der anderen Seite: "Boreout" nennt man es, wenn ein Mensch darunter leidet, beruflich nicht gefordert zu werden.
Wenn qualifiziertes und motiviertes Personal in seinem Arbeitsalltag eine übergroße Menge einfacher und einfachster Tätigkeiten ableisten muss, ist das fatal. Überspitzt formuliert: Wenn man einen Menschen mit zwei Doktortiteln weitgehend zum Kopieren und Kaffeekochen schickt, dann hat das eine ähnlich schädliche Wirkung wie chronische Überlastung. Stattdessen sollten Menschen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Qualifikationen gefordert und gefördert werden, ohne dabei übers Ziel hinauszuschießen.
Übermäßige Kontrolle
Mitarbeiter brauchen Freiräume, in denen sie selbst Verantwortung übernehmen können und dürfen. Kurz gesagt: Sie brauchen das Gefühl, dass der Vorgesetzte ihnen vertraut. Wenn jemand allerdings jede Kleinigkeit vom Chef kontrollieren oder abzeichnen lassen muss, geht dieses Vertrauen schnell verloren - ebenso wie die Motivation des Mitarbeiters.
Mangelnde Menschlichkeit
Dass sich ein Vorgesetzter gegenüber seinen Mitarbeitern professionell verhält, sollte selbstverständlich sein. Doch wie ist es mit der menschlichen Komponente? Die ist ebenfalls von enormer Wichtigkeit. Zugänglichkeit und Verständnis, wenn ein Angestellter beispielsweise gerade eine schwere Zeit durchmacht, bei Erfolgen der Angestellten mitfreuen - das sind Fähigkeiten, die für einen guten Chef ebenso unabdingbar sind wie professionelle Führungsfähigkeiten.
Wenn ein Vorgesetzter beispielsweise im Falle eines familiären Todesfalls eines Angestellten nicht empathisch und verständnisvoll reagiert, vermittelt das den Angestellten, dass ausschließlich ihre Arbeitskraft relevant ist. Für ein gesundes Arbeitsklima ist dieser Eindruck pures Gift.
Gebrochene Versprechen
Einem Interessenten im Einstellungsgespräch die Stelle in den schillerndsten Farben ausmalen und ihn dann nach der Einstellung doch nur Akten abheften lassen? Kann man machen - vorausgesetzt, man möchte dafür sorgen, dass der ursprünglich vielleicht äußerst motivierte Mitarbeiter noch in der Probezeit wieder geht. Wenn man als Vorgesetzter seinen Mitarbeitern etwas verspricht, sollte man das auch halten können. Ansonsten droht Frustration - und schließlich die Suche nach einer attraktiveren Arbeitsstelle.
Innovatives Denken nicht gefragt
Gute Ideen sind nicht nur essentiell, wenn ein Unternehmen nicht vom Zeitgeist oder einer sich verändernden Welt abgehängt werden will, sondern sie tragen auch dazu bei, dass beispielsweise interne Vorgänge beschleunigt werden oder Geld gespart wird.
Wenn die Antwort auf einen kreativen oder innovativen Vorschlag allerdings ein unreflektiertes "das haben wir schon immer so gemacht" ist, werden sich die Angestellten nicht gehört fühlen und sich einen Arbeitgeber suchen, der ihre Meinung ernst nimmt.
Der Job passt einfach nicht mehr
Leben ändern sich - und mit ihnen auch der Anspruch an die Arbeitsstelle. Doch das muss nicht so absolut sein, wie es klingt: Ein Angestellter möchte Auswandern und seine Stelle dennoch behalten? Vielleicht ist das ja möglich, indem man dem Mitarbeiter anbietet, nur noch im Homeoffice zu arbeiten (vorausgesetzt natürlich, das ist in dem Job überhaupt möglich). Oder jemand möchte seine Work-Life-Balance verbessern und einfach weniger arbeiten? Vielleicht lässt sich die Arbeitszeit einfach ein wenig reduzieren.
Wenn man dem Mitarbeiter bei solchen Wünschen entgegen kommt, schafft man es möglicherweise, ihn trotz geänderter Lebensumstände oder Prioritäten zu halten.
Besserer Job in Aussicht
Gleiches gilt auch, wenn ein Mitarbeiter eine Stelle gefunden hat, die ihm mehr zusagt. Eventuell wegen eines höheren Gehalts, mehr Freizeit, mehr Zusatzleistungen... Auch in einem solchen Fall kann es sich als Arbeitgeber lohnen, flexibel zu bleiben (und vielleicht etwas tiefer in die Tasche zu greifen), um einen wertvollen Angestellten zu halten.
Die Tätigkeit ist nicht sinnstiftend
Zugegeben, nicht jeder Job ist auf den ersten Blick sinnstiftend. Bei einigen Berufen liegt der Sinn auf der Hand, bei anderen ist es dafür umso wichtiger, dass der Arbeitgeber seinen Angestellten vermittelt, warum ihre Tätigkeit wichtig und sinnvoll ist. Denn nur wenig tötet Motivation so effektiv wie Tätigkeiten, die sich sinnlos anfühlen.