Kreditprüfung

Wegen Fehler bei Bonitätsprüfung: Nürnbergerin darf nicht "auf Rechnung" kaufen

22.5.2021, 05:55 Uhr
Als Schulze versuchte ein E-Book "auf Rechnung" zu kaufen, verweigerte ihr der Anbieter die Option und brachte das Ganze ins Rollen. 

© Karl-Josef Hildenbrand, dpa Als Schulze versuchte ein E-Book "auf Rechnung" zu kaufen, verweigerte ihr der Anbieter die Option und brachte das Ganze ins Rollen. 

Dass Ingrid Schulze die falschen Bonitätsdaten zu ihrer Person bemerkte, hat sie ihrer Liebe zum Lesen zu verdanken - und ihrer Hartnäckigkeit: Mitte Januar, Lockdown in Deutschland. Um sich die Zeit zu vertreiben, will sich Ingrid Schulze (Name geändert) auf der Webseite von Hugendubel mit einem neuen E-Book eindecken, "und weil ich kein Paypal oder eine Kreditkarte habe, wollte ich auf Rechnung kaufen" - doch der Anbieter verweigert ihr die Option.


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Schulze schreibt dem Kundenservice und bekommt folgende Antwort: "Aus Gründen der Kreditprüfung erhalten wir Bonitätsdaten, die auf Basis mathematisch-statistischer Verfahren ermittelt werden. Dieser Wert ergibt in Ihrem Fall, dass wir lediglich eine Zahlung per Kreditkarte sowie wie Paypal anbieten können."

Schlechte Bonität kann große Auswirkungen haben

Tatsächlich sind solche Bonitätsprüfungen längst nichts Neues mehr. Zuerst von Banken, dann von Strom-, Gas- und Mobilfunkanbietern genutzt, arbeiten seit Jahren auch Onlinehändler mit Unternehmen zusammen, die solche Kreditprüfungen durchführen. Diese sogenannten Auskunfteien sammeln Daten über Privatpersonen. Die laufen dann in ein statistisches Verfahren ein, das für jeden Kunden einen Score (Deutsch: Auswertung, Note) berechnet. Je nachdem, wie dieser ausfällt, gilt man als kreditwürdig oder nicht.

"In den allermeisten Fällen bekommen Kunden beim Onlineshopping von diesen Hintergrundprüfungen gar nichts mit, weil sie innerhalb weniger Sekunden stattfinden", erklärt Tatjana Halm, Referatsleiterin für Markt und Recht bei der Verbraucherzentrale Bayern. "Dennoch sind sie entscheidend: Denn je nachdem, wie so ein Score ausfällt, darf ein Kunde zum Beispiel auf Rechnung bestellen oder eben nicht."

Schulze ist über die Einschränkungen mehr als verärgert, "vor allem, weil ich mir nie etwas habe zuschulden kommen lassen haben. Ich bezahle pünktlich, habe keine Schulden, keine Insolvenz, nichts". Also forscht sie weiter, wendet sich direkt an die mit Hugendubel zusammenarbeitende Auskunftei Crif Bürgel. Dort fordert sie eine Selbstauskunft an. Dazu sind Auskunfteien seit 2010 per Gesetz verpflichtet. Zwei Monate später erhält sie die überraschende Antwort: "Aufgrund Ihrer Nachricht haben wir eine Prüfung vorgenommen und festgestellt, dass uns bei der Bearbeitung der Auskunftsanfrage unglücklicherweise ein Versehen unterlaufen ist." Welches genau, darauf geht das Unternehmen nicht ein.

Jeder kann Selbstauskunft beantragen

Auf Nachfrage unserer Zeitung ist Bürgel Wirtschaftsinformationen dagegen auskunftsfreudiger: So fließen in die Berechnung des Scores unter anderem Informationen zu Inkasso- oder Insolvenzverfahren, Schuldnerverzeichniseinträge, aber auch Identifikationsdaten wie Name, Geburtsdatum, Adresse, sozialdemographische Merkmale wie Geschlecht, Alter, Familienstand, Haushalt sowie statistische Daten zum Wohnumfeld mit ein, sofern diese bekannt sind. In 90 Prozent der Fälle lägen dem Unternehmen aber positive Informationen vor. Zudem schreibt die Auskunftei: "Der von uns an Vertragspartner übermittelte Wahrscheinlichkeitswert dient als Entscheidungshilfe." Die finale Entscheidung über einen Vertragsschluss treffe dann aber der Partner. Hugendubel erklärt auf Nachfrage: "Was Bonitätsprüfungen betrifft, beantragen wir diese nur in Einzelfällen und selbstverständlich nur im gesetzlichen Rahmen. Die Bonitätsprüfungen dienen allein unserem Schutz vor Betrug, weshalb wir unsere Kriterien hierzu nicht öffentlich machen wollen."


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Verbraucherexpertin Halm sieht es dagegen kritisch. "Es ist verständlich, dass ein Vertragspartner, sei es eine Bank oder ein Onlineanbieter, kein Risiko eingehen will. Bei einem Kauf auf Rechnung geht er ja in Vorkasse." Doch wie genau ein Score berechnet werde, das sei mehr als intransparent. "Es gab den Fall, dass ein Mann wegen häufiger Umzüge einen negativen Score erhalten hat. Dabei war er bei der Bundeswehr und musste deshalb oft den Wohnort wechseln", erinnert sich Halm. "Wenn man wegen so etwas dann keinen Kredit, keinen Handyvertrag oder keine Wohnung bekommt, kann das für Verbraucher natürlich zu einem massiven Problem werden."

Legal ist das Ganze aber: So trat 2010 eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes in Kraft, wonach bei einem Vertragsverhältnis das sogenannte Scoring erlaubt ist, sofern Betroffenen zuvor über die entsprechende Nutzung der Daten informiert wurden. "In mehreren Rechtsprechungen wurde darauf verwiesen, dass es sich ja nicht um eine individuelle Bonität, sondern lediglich um eine Wahrscheinlichkeitsberechnung handle", ergänzt Verbraucherschützerin und Rechtsanwältin Halm. "Aber das Individuum kann im Endeffekt trotzdem ein Problem haben."

Zumindest Ingrid Schulzes Problem hat sich mittlerweile gelöst. Crif Bürgel teilte ihr mit, man habe Hugendubel den Fehler zu ihrer Person mitgeteilt. Sie kann nun wieder "auf Rechnung" bestellen. "Die Intransparenz bleibt aber trotzdem", so ihr Fazit.​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​

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