"Weihnachten ohne Amazon": Wir haben es in der Hand

08.12.2020, 09:26 Uhr
In Zeiten des Lockdown boomt der E-Commerce.

© Robert Michael, dpa In Zeiten des Lockdown boomt der E-Commerce.

"Weihnachten ohne Amazon": ein kreativer Ansatz, den sich die protestfreudigen Franzosen für das Weihnachtsgeschäft in der Coronakrise ausgedacht haben. Es ist der Appell, vielen Einzelhändlern, die in der Pandemie unter den Lockdown-Regelungen deutliche Verluste eingefahren haben, unter die Arme zu greifen. Den Online-Handel generell zu verteufeln, ist dennoch der falsche Weg.


Krisen-Gewinner: Diese Firmen profitieren von Homeoffice und Corona


Solidarität mit den Ladenbesitzern vor Ort ist grundsätzlich enorm wichtig, nur so können sie überleben. Erst dieses Jahr haben die Beschäftigten der Nürnberger Karstadt-Filialen zusammen mit Stadt, Gewerkschaften und Politikern emotional für den Erhalt der Standorte und ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Mit Erfolg. Jetzt müssen die Verbraucher ihren Teil dazu beitragen, um Leerstand in den Einkaufsstraßen und somit triste Innenstädte zu verhindern. Das funktioniert allerdings nicht, wenn immer mehr Leute nur noch per Rechner oder übers Smartphone bestellen.

Corona als Goldgrube

Die Umsätze im E-Commerce sind bereits in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Die Corona-Pandemie hat dem Geschäftsmodell noch einmal Schub gegeben. Die großen Online-Händler gelten daher als Gewinner der Krise und profitieren maßgeblich von diversen Lockdown-Regelungen. Vor allem Amazon-Gründer Jeff Bezos verdient sich ein goldene Nase. Die Überlegung der Franzosen, wieso man dessen unermesslichen Reichtum – geschätzte 190 Milliarden Dollar – noch vermehren sollte, während die lokalen Geschäfte ums Überleben kämpfen, ist daher naheliegend.

Das heißt allerdings nicht, dass wir auf den Online-Handel grundsätzlich verzichten müssen, der in einer digitalisierten Welt ohnehin nicht mehr wegzudenken ist. Ausgefallene Kundenwünsche oder Waren, die der Einzelhandel vor Ort nicht bieten kann, Menschen, die weniger mobil sind oder nicht regelmäßig in die Stadt kommen: Es gibt gute Gründe, die für den Online-Kauf sprechen, weshalb niemand ein schlechtes Gewissen zu haben braucht, der auf den Bestellknopf drückt.

Hybrides Kaufverhalten

Es schadet allerdings auch nicht, das eigene Konsumverhalten zu überdenken. Muss ich den armen Paketboten wirklich wegen eines Buchs oder drei Paar online bestellter Socken zu mir in den fünften Stock scheuchen, wenn ich beides auch direkt vor Ort besorgen kann? Die Frage, was und wie häufig man übers Internet ordert, sollte sich jeder zumindest stellen. Am Ende bildet sich im Idealfall eine Art hybrides Kaufverhalten zwischen "online" und "offline" heraus.


Corona-Krise: Der Einzelhandel verliert - und Amazon gewinnt


Viele dürften nun in der Corona-Zeit merken, dass es durchaus seinen Reiz hat, durch eine belebte Stadt zu flanieren und einzukaufen. Wenn nach der Pandemie allerdings keine Geschäfte mehr übrig sind, wird es nichts mit dem Bummel. Die Kunden haben es also selbst in der Hand, wie die Innenstädte zukünftig aussehen.

47 Kommentare

JFSebastian

Ich kaufe sehr gerne bei Amazon. Der Service ist perfekt, Waren werden oft am gleichen Tag oder schlechtensfalls am nächsten Tag geliefert. Die Auswahl ist unschlagbar. Kleines Beispiel: Ich scheine mein Schnürsenkel wohl etwas fester anzuziehen als üblich. Daher sind die oft bei mir kaputt. Im dem Schuhgeschäften in Nürnberg gibt es überall die gleiche Marke als Ersatz - taugt nicht. Bei Amazon habe ich die Auswahl aus vielen Marken und dazu die Bewertungen der Benutzer die nachweislich diese gekauft haben.
IMHO hat der klassische Einzelhandel keine Chance, egal wie wir hier rumweinen. Es gab auch Proteste wegen Tonaufnahmen, also diese in Lokalen die Musiker vor Ort arbeitslos gemacht haben ... und von den Pferdedroschken als die PKW aufkamen. Auf mittlere Sicht hat das alles nichts geholfen. Die "Beratung" in vielen Geschäften besteht aus von Firmen bezahlten Hilfskräften (z.B von Microsoft bei Mediamarkt/Saturn) ... das ist keine Beratung, das ist Werbung. Der Einzelhandel ist mittelfristig tot. Die Ursache ist nicht Corona, aber es wird dadurch beschleunigt.

grubwer

Ich kaufe gern bei Amazon, es gibt keine Probleme bei Rücksendungen, keine Diskussion, daher ist es kein Risiko.

Dass es die Quelle in Nürnberg nicht umgesetzt hat, lag am auch schlechten Internet in Deutschland, bzw der Telekom, die jahrelang auf Kupfer gesetzt hat und bis heute noch den Glasfaserausbau aktiv behindert.
Das sind eben die Folgen wenn Staatsbetriebe am Werk sind.

SchorschClooney

Weil ich immer wieder lese, online gäbe es keine Beratung. Das ist doch überhaupt nicht wahr. Das können nur Leute schreiben, die keine Ahnung davon haben. In vielen Bereichen ist die Beratung online besser als in den Läden. Die Verbraucher Rechte sind beim Distanzhandel auch besser. Und woher kommt das? Nein, nicht von Amazon & Co. Das kommt aus unserem Wirtschaftsministerium.
Wenn ich mit Frau und Enkel in die City fahre, zahlen wir Hin- und Zurück knapp 15 Euro, derzeit noch mit real existierender Lebensgefahr. Daheim ist es gesund und die 15 Euro sind schon die Hälfte des Spiels, das sich der Enkel wünscht. Und wenn es nicht passt oder defekt ist genügt ein Click auf den Rückgabe Link und alles kann ohne Bittstellergang zum Abteilungsleiter zurück gesandt oder umgetauscht werden.
Und noch was an die Karstadt Fans. Soweit ich informiert bin, gehört Karstadt einem österreichischen Unternehmen und zieht sein Geld in Holland zusammen. Da kann man nämlich viel Steuern sparen. Das machen die meisten wer es noch nicht gehört hat.

SchorschClooney

@Philieas umd Don. Arlos
Ich schrieb ‚im übertragenen Sinn‘ und das war ein Scherzchen.
Natürlich bin ich kein Honni und Sozialismusfan. Damit das dann auch klar gestellt ist. Sollte aus dem ernst gemeinten Resttext aber hervorgehen, wenn man es sehen will.

kabelbinder

Es gibt halt Leute, die Amazon mögen (mein Sohn übrigens auch) und andere, zu denen ich gehöre, die diese Firma verabscheuen. Niemand darf zu seinem Glück gezwungen werden. Es ist richtig, dass im Einzelhandel nicht selten der Service und auch die Freundlichkeit nicht stimmen. Da lässt sich sicher Einiges verbessern und wer das lernt, wird wahrscheinlich überleben, wer nicht, eben nicht. Nun ist für den Einzelhandel der größte Kostenblock normalerweise die Ladenmiete. In den Innenstädten können sich das üblicherweise nur die großen Ketten leisten und ehrlich gesagt, ist es um die nicht schade. Trotzdem wäre der Staat aufgerufen, zu mehr Gerechtigkeit und Fairness beizutragen, indem alle die gleichen Steuern und Abgaben zahlen. Also eben auch Amazon und andere Internethändler. Nachdem das Ganze wegen der internationalen Verflechtung aber kaum gehen dürfte, meine ich, dass sie einfach die doppelte Mehrwertsteuer zahlen müßten. Damit sich niemand über neue Steuern aufregen kann, sollte das dann "Bepreisung" genannt werden. Da hat unser Staat ja schon eine gewisse Übung !