Diplomatie und Druck wirkten

Ebenso notwendig wie riskant: die Feuerpause zwischen Israel und der Hamas

Alexander Jungkunz

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22.11.2023, 15:50 Uhr
Die Feuerpause soll auch helfen, die teils zusammengebrochene Versorgung der Bevölkerung in Gaza wieder aufzunehmen.

© Abed Rahim Khatib, dpa Die Feuerpause soll auch helfen, die teils zusammengebrochene Versorgung der Bevölkerung in Gaza wieder aufzunehmen.

Es ist ein Hoffnungsschimmer, endlich: Im Gazastreifen sollen nun die Waffen schweigen - vorübergehend. Israel und die Hamas haben sich auf eine Feuerpause geeinigt, nach langen Verhandlungen und mit Beteiligung der USA und von Katar, die offenbar beide Druck auf die Beteiligten gemacht haben.

Ein Erfolg der Diplomatie - auch mit unerwünschten Partnern

Das ist, zunächst einmal, ein Erfolg der Diplomatie. Das müssen all jene zur Kenntnis nehmen, die generell abwinken, wenn es um Gespräche mit zweifelhaften Regimen wie dem von Katar geht: Wer Gesprächsfäden von vornherein abschneidet, weil es keinen Dialog mit Diktaturen geben dürfe, der beraubt sich selbst eines Spielraums, der nun eben doch genutzt wird.

Das Übereinkommen zwischen den Kriegsparteien rückt auch das fürchterliche Dilemma in den Blick, in dem Israels Führung seit dem Terror der Hamas vom 7. Oktober steckt: Weil die Islamisten eben auch über 200 Menschen als Geiseln nahmen, darunter Babys, Kinder und alte Menschen, steht die Regierung Netanjahu vor der Doppel-Aufgabe, einerseits diese Geiseln (unter denen auch einige mit deutschem Pass sind) zu befreien, andererseits ihr Kriegsziel zu vollenden: die Auslöschung der Bedrohung durch die Hamas.

Ein tragischer Konflikt, in dem Israel steckt

Die Mutter eines Entführten brachte diesen tragischen Konflikt so auf den Punkt: "Wer jetzt ein Teilabkommen abschließt, der ermordet meinen Sohn", sagte sie. Ihre Angst: "Er wird kein Tageslicht mehr sehen, es wird keine zweite Chance geben."

So muss es nicht, aber so kann es kommen: Das Abkommen birgt Risiken - vor allem für die Geiseln, die eben nicht zu den 50 Ausgewählten zählen, deren Freilassung nun vereinbart worden ist. Was geschieht mit der größeren Gruppe, die in der Gewalt der Hamas bleibt - angesichts der weiter bestehenden und nachvollziehbaren Absicht Israels, die Hamas auszulöschen? Was geschieht, wenn eine der Kriegsparteien die Waffenruhe bricht? Die Hamas hat sich noch nie an Regeln gehalten. Vorstellbar, dass sie die Zeit nutzt, um Kämpfer und Material zu verlagern. Und auch Israel beendete schon Feuerpausen vorzeitig.

Dennoch ist die Vereinbarung ein kleines Hoffnungszeichen. Für die Geiseln und ihre Angehörigen, für die geschundene Bevölkerung in Gaza, die seit Wochen die Hölle des Krieges erleidet und das Sterben zu vieler Unschuldiger erleben muss. Und die leider auch den Aufstand gegen jene Hamas nicht wagt, die für dieses unvorstellbare Leid verantwortlich ist.

Hoffnung macht nicht nur die Feuerpause, sondern die Tatsache, dass Vereinbarungen sogar zwischen diesen Gegnern möglich sind. Dazu braucht es Verhandlungsgeschick und offenbar auch Druck auf die Kriegsparteien. Beides braucht es, um das Wunder einer momentan kaum vorstellbaren Einhegung des Konflikts zu schaffen.

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