Ist der Aufstieg der Rechtspopulisten schon vorbei?

7.5.2017, 08:00 Uhr
Rechtspopulistin Marine Le Pen: Behalten die Meinungsforscher recht - oder schafft sie doch noch die Überraschung und siegt bei den Wahlen?

© afp Rechtspopulistin Marine Le Pen: Behalten die Meinungsforscher recht - oder schafft sie doch noch die Überraschung und siegt bei den Wahlen?

Und wieder eine Schicksalswahl: Selten standen nationale Voten derart massiv auch international im Blickpunkt wie derzeit. Erst der Brexit, dann Trump in den USA: Der Siegeszug einer nationalen, auf Abschottung zielenden Politik schien unaufhaltsam.

Dann kamen andere Signale: der hauchdünne Erfolg des Grün-Liberalen Präsidenten Van der Bellen in Österreich gegen FPÖ-Mann Hofer; der Nichtsieg des Trump-Fans Wilders in den Niederlanden, die unaufgeregte Landtagswahl an der Saar mit einer zurechtgestutzten AfD — und nun, vor zwei Wochen, der Vorsprung des Europa-Freundes Macron in Frankreich vor der EU-Gegnerin Le Pen. Ist der Aufstieg der Rechtspopulisten schon vorbei?

Das geben all diese Wahlen nicht her. Fast die Hälfte der Österreicher stimmte für einen stramm konservativen EU-Kritiker, auch Holland rückte insgesamt weiter nach rechts, und in Frankreich stürzten die Wähler das althergebrachte Parteiensystem in den Abgrund.

Beben in Frankreich

Die Sozialisten und die Konservativen, die sich jahrzehntelang ablösten an der Macht, kegelten sich ins Aus: Parteien-Beben in Frankreich. Und der mögliche Sieger in der Stichwahl? Seine junge Bewegung "En Marche" muss sich erst formieren — mit welchen Mehrheiten ein Präsident Macron regieren könnte, das entscheidet sich erst bei den Parlamentswahlen im Juni.

Die Erleichterung, mit der viele auf seinen Vorsprung vor 14 Tagen reagierten, ist ebenso verständlich wie erstaunlich: Was nämlich auf Frankreich, was gerade auf Deutschland und Europa mit dem smarten 38-Jährigen an der Spitze unseres Nachbarlandes zukäme, das ist nebulös. Und für die Berliner Politik wahrscheinlich unangenehm.

Deutschland droht Mehrbelastung

Die Pläne Macrons sind relativ vage. Aber dass er den europaweit kritisierten finanzpolitischen Kurs Deutschlands ändern will, das hat er ziemlich klar gesagt: Er zielt auf das, was Merkel und Schäuble partout nicht wollen — eine stärkere Vergemeinschaftung der Schulden der EU-Staaten. Das würde Deutschland be- und die anderen Länder entlasten.

So oder so: Die Debatte über eine echte europäische Finanz- und auch Steuerpolitik wird beginnen, wenn Macron Präsident wird. Das wäre wichtig: Gerade hat eine Umfrage unter Jugendlichen in den EU-Staaten sehr viel Skepsis beim Blick auf Europa festgestellt. Nur eine knappe Mehrheit sieht in der Demokratie die beste Staatsform, die EU betrachtet die Jugend weit mehr als reine Wirtschafts- denn als Werte-Gemeinschaft.

Ist das ein Widerspruch dazu, dass viele Jugendliche mitmachen bei "Pulse of Europe"? Nein: Der Ist-Zustand der EU ist in der Tat zu statisch, zu undemokratisch, zu sehr aufs Ökonomische fixiert. Neue Impulse wären dringlich, auch mehr Streit über Ausrichtung und Zukunft der EU — nach der Frankreich-Wahl könnte er beginnen.

Die Publizistin Ulrike Guérot plädiert gerade in ihrem Buch "Der neue Bürgerkrieg" für einen Zusammenschluss der Anhänger weltoffener Gesellschaften in Europa: Sie seien in der Mehrheit und müssten die autoritären Strömungen in ihre Grenzen weisen — dann sei der "Spuk von Renationalisierung" vorbei. So leicht wird das kaum gehen, zumal nicht wenige genau auf jene Angstmacher bauen, die zurückwollen zur Abschottung.

Sie sind allenfalls mit einer wirklich sozial gerechteren Politik zu überzeugen, die ihre oft berechtigten Sorgen ernst nimmt und sie begleitet auf dem Weg in die digitale Arbeitswelt mit ihren Risiken und Chancen. Wenn ein möglicher Wahlsieger Macron diesen überfälligen Umbau Frankreichs derart angeht, könnte dies ausstrahlen auf Europa. Siegt aber doch Le Pen — dann stünde dieses Europa vor einem Scherbenhaufen. So oder so: in der Tat eine Schicksalswahl.

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