Politik drückt sich um nötige Priorisierungen

Merz gegen Scholz: Die Generaldebatte im Bundestag ist zum hohlen Ritual verkommen

Harald Baumer

Berlin-Korrespondent der NN

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6.9.2023, 12:00 Uhr
Der Kanzler während der Generaldebatte im Bundestag. 

© IMAGO, IMAGO/Political-Moments Der Kanzler während der Generaldebatte im Bundestag. 

Die Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt des Kanzleramtes gilt traditionell als einer der wichtigsten Berliner Termine des Jahres. Denn dabei sollen Regierung und Opposition vor aller Öffentlichkeit mal so richtig über die Grundfragen der Politik streiten. Das zeigt sich schon daran, dass gleich zu Beginn die beiden wichtigsten Männer ans Rednerpult treten - Oppositionsführer Friedrich Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Doch es wirkt inzwischen nur noch wie ein hohles Ritual, was da veranstaltet wird. Die Union wirft der Ampel vor, das nicht vorhandene Geld mit vollen Händen auszugeben und mit Sonderhaushalten den wahren Schuldenstand zu verschleiern. Das ist richtig. Die Ampel wiederum wirft der Union vor, nach 16 Jahren Merkel-Regierung für einen guten Teil der Probleme selbst verantwortlich zu sein (Unterfinanzierung der Bundeswehr, verschlafene Energiewende). Das ist ebenfalls richtig.

Die stundenlangen Schaugefechte wirken deswegen ziemlich sinnentleert. Zumal wir uns - dank sozialer Medien - ohnehin in einer ganzjährigen Generaldebatte befinden. 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag wird jedes noch so kleine politische Detail erbittert diskutiert. Da können die vier Stunden Streit im Bundestag keinen Höhepunkt mehr setzen.

Wir verlieren an Bedeutung

Die Wahrheit ist, dass Deutschland und Europa unabhängig von den jeweils Regierenden seit Jahren in der Welt an Bedeutung verlieren. Energieintensive Betriebe wandern ab, die Automobilindustrie als Jobmaschine ist in höchster Gefahr, der Krieg ist wegen der russischen Aggression gegen die Ukraine nicht weit von unserer Haustüre.

Alle Probleme zu lösen, das kann Deutschland vermutlich gar nicht mehr schaffen. Es geht darum, die wichtigsten Baustellen zu identifizieren und anzugehen. Darüber wird immer noch viel zu wenig gesprochen. Die Politik tut so, als ob diese Entscheidung nicht getroffen werden müsste. Denn das wäre höchst unangenehm, weil viele Interessengruppen enttäuscht werden müssten.

Wie lange wird uns Bürgern die Lösung ganz praktischer Fragen schon versprochen? Verwaltungsleistungen online nutzen zu können, Firmen unnötige Bürokratie zu ersparen, die Bahn endlich wieder pünktlicher zu machen und die kaputten Schulen zu sanieren. Immer noch warten wir darauf, dass das endlich geschieht.

AfD weiß erst recht keine Lösung

Dass die AfD erst recht nicht weiß, wie man mit diesen Problemen umgehen sollte, bewies deren Fraktions- und Parteichef Tino Chrupalla in seiner Rede. Der Isolationismus, in den die sogenannte Alternative für Deutschland die Bundesrepublik führen möchte, würde den Abstieg des Landes noch mehr beschleunigen. Denn es ist ein komplettes Märchen, dass Deutschland sich alleine gegen den Rest der Welt irgendwie behaupten könnte.

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