Warum der Kompromiss beim Familiennachzug untauglich ist

Georg Escher

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1.2.2018, 11:16 Uhr
"Die Methode Merkel": Einfach irgendeinen Kompromiss finden. Wenn es nach Christian Lindner geht, ist die Lösung beim Familiennachzug nicht komplett durchdacht.

© AFP PHOTO / Tobias SCHWARZ "Die Methode Merkel": Einfach irgendeinen Kompromiss finden. Wenn es nach Christian Lindner geht, ist die Lösung beim Familiennachzug nicht komplett durchdacht.

Christian Lindner ist so ziemlich der letzte Politiker, der bei Kommentaren zu den Berliner Koalitionsverhandlungen eine große Lippe riskieren sollte. Er ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die "Jamaika"-Verhandlungen geplatzt sind. Die Gründe dafür waren nicht rundum überzeugend. Ein wenig mehr Zurückhaltung wäre also angebracht.

Dennoch, mit seiner Kritik an dem merkwürdigen Kompromiss, den CDU/CSU und SPD in Sachen Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus gefunden haben, trifft er ins Schwarze. Die Zahl von 1000 Familienangehörigen, die demnach pro Monat nach Deutschland nachgeholt werden dürfen, ist total willkürlich. Es ist eine politische Zahl, die mit den Realitäten, auch mit humanitären Erwägungen nichts zu tun hat – und auch mit einem christlichen Menschenbild nur schwer in Deckung zu bringen ist.

Die Methode Merkel

"Warum nicht 500, warum nicht 2000?", fragt Lindner völlig zurecht und benennt auch den Grund: "Das ist einfach die Methode Merkel, einfach irgendeinen Kompromiss gefunden". Mit dieser Methode wird kein Problem gelöst, es wird nur ein Streitthema abgeräumt. Weiter, nächste Frage. Aber die Kanzerlin ist damit bisher gut gefahren.

Es ist bezeichnend, wie Vertreter der Union darauf reagiert haben. "Ein bisschen Barmherzigkeit" sei schließlich auch nötig, befand Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Und Unionsfraktionschef Volker Kauder ist zufrieden, dass ein Nachzug von "Zigtausenden" Familienangehörigen, der angeblich "Ziel" der SPD war, damit verhindert werde. Auch das eine kleine, pefide Unterstellung, die die Frage aufwirft, wie Parteien, die derart boshaft übereinander reden, gemeinsam gedeihlich regieren sollen.

Nun kann man auch guten Gründen dafür argumentieren, dass ein unbegrenzter Zuzug die Grenzen der Aufnahmebereitschaft und der Integrationskraft einer Gesellschaft sprengen könnte. Eine vollständige Offenheit ist der absolut verkehrte Ansatz. Auch der Islamismus-Experte Ahmad Mansour hat in einem Interview mit den Nürnberger Nachrichten zu einer differenzierten Betrachtung geraten: "Familiennachzug ist in manchen Fällen absolut notwendig, in anderen Fällen vielleicht sogar eine Beeinträchtigung für die Integration", findet er. So könnte man an diese Frage herangehen. Doch willkürlich irgendeine Zahl herauszugreifen, von der man annimmt, dass man sie dem Publikum am besten verkaufen kann, ist nur eine Scheinlösung.

Was fördert Integration?

Wer glaubt, damit könnte man Populisten wie denen von der AfD das Wasser abgraben, irrt sich. Am Ende wird es darauf ankommen, ob es gelingt, diejenigen Flüchtlinge, die bereits hier sind, gut integrieren können – oder nicht. Das gilt auch für diejenigen, die nur eingeschränkten, also zeitlich nicht unbegrenzten Schutzstatus genießen, ebenso.

Das alles spielte bei dem Kompromiss der GroKo-Verhandler aber keine Rolle. Die Einigung ist mit einem christlichen Menschenbild, das wir doch angeblich verteidigen wollen, nur schwer vereinbar. Und auch politisch wird das Kalkül vermutlich nicht aufgehen. Das ist Pseudo-Politik. Vier Jahre mehr davon geboten zu bekommen, ist keine Aussicht, die den Verdruss vieler Bürger verringern wird.

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