Außer Rand und Band

Kommentar: Das politischen Spitzenpersonal hat kollektiv versagt

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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25.3.2021, 16:09 Uhr
Merkel und die Länderchefs haben sich mit ihrer kühnen Idee einer Osterruhe schlicht verzockt

© IMAGO/Xinhua Merkel und die Länderchefs haben sich mit ihrer kühnen Idee einer Osterruhe schlicht verzockt

Angela Merkel betritt kurz vor Ende ihrer Kanzlerschaft Neuland: Eine Entschuldigung dieses Ausmaßes kam während ihrer 15-jährigen Amtszeit noch nie über die Lippen des Bundeskanzlerin. Man kann dies als Größe werten oder eben als Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit.

Letzteres kommt der Wahrheit sicherlich näher. Denn Merkel und die Länderchefs haben sich mit ihrer kühnen Idee einer Osterruhe schlicht verzockt - die geplanten Zusatzfeiertage waren rechtlich nicht haltbar, in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar und zudem weder den Menschen noch den Unternehmern im Land zumutbar.

Einmal mehr zeigen solche Entscheidungen, wie groß die Distanz zwischen den Sorgen und Nöten der meisten Menschen sowie dem politischen Spitzenpersonal in Pandemiezeiten geworden ist. Wer einen Zusatzfeiertag am Gründonnerstag ernsthaft in Erwägung zieht, der hat schon lange nicht mehr in einem übervollen Supermarkt eingekauft.

Es mangelt an Empathie, es mangelt an Alltagstauglichkeit und es mangelt leider auch an Professionalität: Das politischen Spitzenpersonal Deutschlands hat leider kollektiv versagt. Denn entgegen Merkels Aussage ("Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler"), tragen 17 Spitzenpolitiker die gemeinsame Verantwortung für das Debakel um die Osterruhe.

Die Folgen sind fatal: Die Staats- und Politikverdrossenheit wächst weiter und die Kanzlerin muss sich mit Forderungen nach einer Vertrauensfrage herumplagen. Schließlich wächst der Unmut auch in Reihen der Union. Das über Monate sich hinziehende Impfdesaster, die unsäglichen Testpannen und die teils chaotischen Zustände im Bildungssektor kulminieren nun in der von Hektik geprägten Oster-Kehrtwende.

Den wachsenden Druck spürt auch Bayerns Regierungschef Markus Söder. Dennoch zeigt er weiterhin wenig Verständnis für die Bürger, die nach einem Jahr Corona schlicht nicht mehr können, lässt stattdessen weiterhin seine Durchhalteparolen los. Immerhin bedauert auch er den Vertrauensschaden, der durch das "Hin und Her" entstanden ist.

Der Blick über den Tellerrand fehlt bei Söder wie bei Merkel gleichermaßen. Beide wursteln sich durch. Die eine, weil sie es bald hinter sich hat, der andere, weil er hofft, dass der Abstand bis zur nächsten Wahl groß genug ist. Dabei wächst die Gefahr, dass unser Land in ein gefährliches Vakuum fällt. Die Schwächen des deutschen Bürokratismus hat die Pandemie offen gelegt, nun häufen sich die Fehler der Regierenden.


Warum Merkels Entschuldigung mustergültig ist


Deshalb müssen sich rasch einige Dinge verändern: Erstens: Es muss Schluss sein mit haltlosen Versprechungen über Impferfolge, Testkampagnen etc., stattdessen sollte ehrlich mit den Bürgern umgegangen werden. Zweitens: Die Ministerpräsidentenkonferenz in der alten Form als Nachtveranstaltung mit Open-End-Charakter darf es nicht mehr geben. Drittens das Regieren mit Infektionsschutzverordnungen muss ein Ende haben. Denn es geht längst nicht mehr um höheres Tempo, sondern um mehr Qualität.

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