29. August 1969: Chance wurde vertan

29.8.2019, 07:00 Uhr
29. August 1969: Chance wurde vertan

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Die Bundesanstalt für Arbeit (BfA), die mit den Bundesministerien für Arbeit und Landwirtschaft verantwortlich für die Aufklärungsaktion „Dynamisch im Beruf“ zeichnet, erfülle mit dieser Ausstellung einen Gesetzesauftrag, erklärte gestern vormittag im Feuerbachsaal der Industrie- und Handelskammer BfA-Präsident Josef Stingl vor zahlreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.

In einem Ausstellungsprojekt heißt es: „Die Informationsschau ist so angelegt, daß der Besucher auf etwa 200 Quadratmeter Gesamtfläche in einem Lernprogramm von 13 Stufen zu der Folgerung hingeführt wird, zugunsten einer gesicherten beruflichen Zukunft mobil und dynamisch zu sein. Es wird ihm die moderne Entwicklung in Technik und Beruf vorgeführt.“

Die Absicht der Bundesanstalt für Arbeit, die Bevölkerung über den enormen Umschichtungsprozeß und die tiefgreifenden Strukturänderungen in der Wirtschaft zu informieren und über die Konsequenzen aus eben dieser Mobilität für jeden einzelnen Arbeitnehmer aufzuklären, verdient jede Unterstützung.

Doch guter Wille reicht dazu allein nicht aus. Mit deutlich sichtbaren Spuren monatelangen Wanderns durch die Bundesrepublik präsentierten sich die zahlreichen Schautafeln und Bilder weniger im leichtfüßigen, weil ansprechendem Gewand moderner werbepsychologischer Erkenntnisse als vielmehr in einer geradezu fantasielosen und zu betont lehrhaften Anordnung. Von Dynamik, die im Beruf gefordert wird, ist in der Ausstellung selbst nichts zu spüren. Wem „Mobilität“ ein Fremdwort ist, die Ausstellung selbst wird ihn nicht aus seiner Unwissenheit erlösen. Und das ist eigentlich sehr schade. Denn eine Chance wurde vertan.

Es erwies sich deshalb zumindest als vorteilhaft, daß BfA-Präsident Stingl zuvor in der Eröffnungsansprache die Ziele und Aufgaben der Wanderausstellung verdeutlichte. Der Titel „Dynamisch im Beruf“ werbe dafür, daß man das Geschehen im Beruf nicht abwartend und passiv auf sich zukommen lasse, sondern, daß man vorausschauend, planend im eigenen Leben versuche, fertig zu werden mit den Wandlungen der Berufs- und Arbeitswelt.

Es müsse die Bereitschaft der Arbeitnehmer erweckt werden, sich einem ständigen Lernprozeß im Arbeitsleben zu unterziehen. Stingl betonte, heute genüge es nicht mehr, einen guten Beruf zu erlernen, um für das Leben gesichert zu sein. Es komme vielmehr darauf an, in seinem Beruf ständig dazuzulernen.

Die ständige Wissenszunahme der Menschheit lasse denjenigen hoffnungslos zurück, der nicht bereit sei, sich ständig weiterzubilden. Weiterbildung sei aber nicht nur eine Forderung an jeden einzelnen, sondern auch im Interesse der Volkswirtschaft unumgänglich. Denn Rationalisierungen und Investitionen in der Wirtschaft seien sinnlos, wenn nicht eine entsprechend gebildete Arbeiterschaft zur Verfügung stehe.

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