30. August 1969: Streit führte zu Massenschlägerei

NN

30.8.2019, 07:00 Uhr
30. August 1969: Streit führte zu Massenschlägerei

© Conrad

Messer wurden gezückt. aus Gaspistolen wurde geschossen, mit in Handtücher gewickelten Steinen aufeinander eingeschlagen. Innerhalb kürzester Zeit waren auf dem Josephsplatz rund 60 Polizeibeamte der vier Reviere und der Funkstreifengruppe zusammengezogen. Mit gezückten Pistolen drangen sie in das Filmtheater.

Das Geschehen verlagerte sich darauf mehr und mehr auf die Straße, wo sich eine Massenschlägerei großen Ausmaßes entwickelte. Viele hundert Schaulustige wurden Zeugen eines politischen Machtkampfes des kleinen Mannes aus Griechenland.

Schon seit einigen Wochen gibt das „Delphi“ den in Nürnberg lebenden griechischen Gastarbeitern die Möglichkeit, sonntags zwischen 14 und 16 Uhr einen original griechischen Film mit Wochenschau aus ihrer Heimat zu sehen.

Ebensolange schwelt bei einer der zwei politischen Gruppen ein Groll gegen die aktuellen Wochenschauen, die das ihnen verhaßte Militärregime in ihren Augen verherrlicht. Gestern war es dann soweit. Die einen hatten sich mit Steinen, Handtüchern und Messern ausgerüstet, um der Gegenseite den eigenen politischen Standpunkt mit allen Mitteln klarzumachen.

Die Wochenschau lief gerade drei Minuten, als sich in den Beifall der einen die wütenden Zwischenrufe der anderen mischten. Wenige Augenblicke später schlugen die Streithähne – mehr als 200 an der Zahl – in dem mit etwa 500 Personen besetzten Kino, darunter auch Frauen und Kinder, aufeinander ein. Bei der Funkstreife ging der erste Notruf ein. Doch die zwei Streifenbesatzungen, die kaum fünf Minuten später am „Delphi“ eintrafen, vermochten wenig gegen die aufgebrachte Menge auszurichten. Nach und nach trafen fast 20 Streifenwagen auf dem Josephsplatz ein.

Mehr als 60 Beamte versuchten zunächst mit Worten die Streithähne auseinanderzubringen. Da knallten schon die ersten Schüsse – aus Gaspistolen, wie sich erst später herausstellte. Auf alle Fälle zückten die Ordnungshüter ebenfalls ihre Schießeisen. Das wirkte. Langsam kam etwas Ruhe in die brodelnde Menge.

Einer der Gaspistolenschützen, ein 35jähriger Gastarbeiter, wurde mit schweren Stichverletzungen ins Krankenhaus gebracht. Die anderen Schützen tauchten unter. Die drei Messerstecher, die außerdem noch vorübergehend festgenommen wurden, gehörten offenbar zur Schutzmannschaft des griechischen Filmverleihers, der aus Stuttgart angereist war und möglicherweise nach vorausgegangenen Drohungen der Gegenpartei mit Schwierigkeiten gerechnet hatte.

Nachdem die Schlägerei geschlichtet war, konnte die Vorstellung für die Unbeteiligten weitergehen – ohne weitere Wochenschau und unter Polizeischutz. Die Beamten blieben nämlich bis zum Ende der Vorstellung, in der ein griechischer Heimatfilm gezeigt wurde mit dem Inhalt: eine hübsche Tochter Hellas geht ins Kloster.

Sachschaden im Filmtheater entstand nicht. Dafür mußten sich eine stattliche Anzahl von Griechen ihre Stichverletzungen und Kopfwunden behandeln lassen. Die genaue Zahl der Verletzten steht nicht fest, weil vermutet wird, dass einige von ihnen ihre Wunden selbst auskurieren, aus Angst, vielleicht Schwierigkeiten mit der Polizei zu bekommen, wenn ihre Personalien festgestellt würden.

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