Neuer Skoda Octavia Combi: Erste Ausfahrt
7.4.2020, 18:37 UhrKaum zu glauben: Der Skoda Octavia hat bereits seinen 60. Geburtstag hinter sich. Bereits von 1959 bis 1971 baute "AZNP Skoda" hinter dem Eisernen Vorhang ein Modell dieses Namens. So, wie wir ihn kennen, gibt es den Octavia freilich erst seit 1996 - damals war er das erste Fahrzeug, das nach der Übernahme des tschechischen Automobilherstellers durch Volkswagen entwickelt und produziert wurde.
Schon dieser erste Octavia einer neuen Zeit war eng mit dem VW Golf verwandt. Und er ist es bis heute: Die jetzt vorgestellte vierte Generation nutzt wie der Golf VIII, der neue Seat Leon und der gleichfalls neue Audi A3 Sportback den Modularen Querbaukasten (MQB) des Volkswagen-Konzerns.
Combi vor Limousine
Ersichtlich werden die geschwisterlichen Gemeinsamkeiten kaum. Während Golf, Leon und A3 Sportback als klassische Kompakte auftreten, sieht der Octavia nach Mittelklasse und somit nach viel mehr Auto aus. Besonders beliebt ist in Deutschland der "Combi", der auch vier Wochen früher als die Limousine an den Start darf. 4,69 misst er in der Länge, damit übertrifft er selbst den Golf Variant noch um zwölf Zentimeter.
Unsere erste Ausfahrt findet in den Zeiten von Corona statt. Ungewohnt leer breiten sich vor uns die drei Fahrstreifen der A9 aus, die wir am Nürnberger Kreuz in Richtung Berlin nehmen. Gleich wird klar: Mit dem Octavia Combi möchte man gern auch eine längere Reise unternehmen. Fürstlich die Platzverhältnisse, edel der Materialmix und überaus bequem die Sitze, die auf Wunsch das Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken tragen und Massage- sowie Belüftungsfunktion bieten.
Update übers Netz
Einen großen Sprung nach vorn hat der Octavia bei seiner digitalen Architektur gemacht. Die Instrumententafel ist modular in verschiedenen Ebenen aufgebaut. Direkt im Blickfeld liegt das 10,2 Zoll große virtuelle Cockpit, das sich über Bedientasten am – nunmehr zweispeichigen – Lenkrad konfigurieren lässt. Der zentrale und bis zu zehn Zoll große, freistehende Touchscreen in der Mittelkonsole dient als Fenster zu den Welten des Infotainments, das Online-Updates bietet, über eine integrierte eSIM ist der Octavia immer "am Netz". Einige wenige Taster ermöglichen direkten Zugriff zu Funktionen wie Fahrmodi, Sitzheizung, Parkassistent oder Klimatisierung.
Erst auf den zweiten Blick entdecken wir den Touch-Schieberegler unterhalb des Displays, über den sich die Lautstärke (auch) regeln lässt. Ein Head-up-Display – das erste in einem Skoda - projiziert uns Tempo, erkannte Verkehrszeichen und Navi-Hinweise in die Windschutzscheibe. Und ergänzend zu den beiden USB-C-Anschlüssen in der Mittelkonsole gibt es zwei weitere im Fond und einen an der Dachkonsole – praktisch, wenn eine Dashcam angeschlossen werden soll.
Wir wählen den Fahrmodus "Standard" und gleiten entspannt über die Autobahn. Akustisch angenehm im Hintergrund bleibt der nicht übermäßig, aber ausreichend kräftige Zweiliter-TDI mit 110 kW/150 PS, der auf ein Drehmoment von 360 Nm zurückgreifen kann und dessen Elastizität uns auch beim Anstieg hinauf zum Hienberg nicht im Stich lässt. In 8,8 Sekunden sprintet der Octavia Combi 2,0 TDI von 0 auf 100 km/h, als Topspeed werden 222 km/h erreicht.
Bewährt sich als Fahrdynamiker
Bei Pegnitz verlassen wir die A9 und wechseln in den "Sport"-Modus. Auch als straffer Fahrdynamiker bewährt sich der Combi, auf kurvigen Sträßchen sporteln wir unterhalb der Felswunder und Burgen der Fränkischen Schweiz dahin. Die Traktoren auf ihrem Weg zur frühlingshaften Feldarbeit überholen wir lässig, allerdings lässt der TDI unter solchem Leistungsabruf nun doch etwas angestrengter von sich hören.
Passgenau und sanft schaltet das DSG. Erstmals nutzt Skoda hier die Shift-by-Wire-Technologie, bei der die Fahrstufenauswahl elektronisch an das Getriebe übertragen wird. Eine schicke, chromglänzende Wippe ersetzt dabei den früher gebräuchlichen Automatikwählhebel.
Unaufdringlich bugsiert uns der Spurhalteassistent zurück auf die rechte Bahn, wenn wir die Fahrbahnmarkierung zu queren drohen, das berührungsempfindliche Lenkrad spürt, wenn es nicht regelmäßig berührt wird, in diesem Fall bekommen wir eine Warnung, sofern erforderlich, würde als letzte Konsequenz ein Nothalt veranlasst.
Zu den neuen Fahrhilfen gehören auch Ausweich- und Abbiegeassistent, Ausstiegswarner oder der "vorausschauende adaptive Abstandsassistent". Auf Wunsch leuchten zudem Matrix-LED-Scheinwerfer die Fahrbahn aus, blendfrei für den Gegenverkehr.
Zeigt beachtliche Größe
Verwaist sind Ausflugsziele wie die Sommerrodelbahn oder der Skywalk bei Pottenstein, am leeren Parkplatz der Teufelshöhle halten wir an und nehmen den Octavia Combi in Augenschein. Sehr gut sieht er aus in seiner schnörkellosen Sachlichkeit. Heckklappe auf und Blick ins Gepäckabteil: Mindestens 640 Liter Fassungsvermögen weist es auf, eine beachtliche Kapazität, die sich durch Umklappen der Rücksitzlehnen bis auf 1700 Liter erweitern lässt.
Über Nebensträßchen orientieren wir uns durchs Trubachtal zurück in Richtung Autobahn. Vor Mostviel wird es arg holprig, asphaltflickig, wir gehen auf "Comfort"-Modus, fein bügelt das Fahrwerk die Störstellen aus.
Bevor wir den Octavia Combi nach unserer Proberunde abstellen, werfen wir noch einen Blick auf den Bordcomputer: 5,1 l/100 km meldet dieser, ein sehr guter Wert. Der 2.0 TDI arbeitet mit dem sogenannten Twindosing-System, bei dem das AdBlue gezielt vor den zwei hintereinander angeordneten SCR-Katalysatoren eingespritzt wird, was den Stickoxidausstoß um bis zu 80 Prozent reduzieren soll und die Voraussetzungen für Euro 6d schafft. Vorerst ist der 2.0 TDI nach Euro 6d-temp eingestuft. Es gibt ihn alternativ in der schwächeren Leistungsstufe 85 kW/116 PS.
Praktisch: Dank eines Komforteinfüllstutzens kann AdBlue auch mit einer Lkw-Zapfpistole nachgetankt werden.
Bei den Benzinern markiert der 1.0 TSI mit 81 kW/110 PS den Einstieg, daneben stehen der 1,5 TSI mit 110 kW/150 PS und der 2.0 TSI mit 140 kW/190 PS bereit. In Kombination mit 7G-DSG werden 1.0 und 1,5 TSI zu Mildhybriden (e-Tec), die dann mit 48-Volt-Riemenstartergenerator und 48-Volt-Bordnetz arbeiten.
Erstmals wird der Octavia auch als Plug-in-Hybrid in zwei Leistungsstufen angeboten. Der Octavia iV erbringt eine Systemleistung von 150 kW/204 PS, der sportliche RS iV mit 180 kW/245 PS legt da noch ordentlich was drauf. Rein elektrisch sollen beide Plug-ins maximal 60 Kilometer zurücklegen können.
Auch dem Erdgasantrieb bleibt der Octavia treu, als G-Tec bunkert er 17,7 Kilogramm CNG und schafft nach Werksangaben bis zu 500 Kilometer Reichweite, der Notreserve dient ein 9-Liter-Benzintank.
Auf Wunsch mit Allrad
Zum Marktstart stehen vorerst der 1,5 TSI mit 150 PS und manuellem Sechsganggetriebe, der ebenfalls handgeschaltete 2.0 TDI mit 116 PS sowie der 2.0 TDI mit 150 PS und 7-G-DSG bereit. Die weiteren Varianten, auch die allradgetriebenen, folgen später.
Preislich geht es beim Octavia Combi 1,5 TSI mit 28.060 Euro los, der von uns gefahrene 2.0 TDI DSG ist ab 32.380 Euro erhältlich. Das sind keine Schnäppchenpreise, aber angesichts dessen, was der Käufer kriegt für sein Geld, angemessene Konditionen.
Auch wenn wir uns der Lobhudelei verdächtig machen: Mit seiner umfangreichen Antriebsvielfalt, dem topmodernen Infotainment, den sehr guten Fahreigenschaften und dem reichlich vorhandenen Platz ist der neue Skoda Octavia tatsächlich ein sehr gutes Auto geworden, bei dem auch das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Seine Erfolgsgeschichte dürfte er somit auch in Zukunft fortschreiben – über den 60. Geburtstag hinaus.
Ulla Ellmer
Skoda Octavia Combi in Kürze:
Wen er ins Visier nimmt: VW Golf Variant, Opel Astra Sports Tourer, Ford Focus Turnier, Kia Ceed Sportswagon, Hyundai i30 Kombi etc.
Was ihn antreibt: 1,5-l-Benziner mit 110 kW/150 PS. 2,0-l-Diesel mit 85 kW/116 PS und 110 kW/150 PS.
Was er kostet: Ab 28.060 Euro.
Was noch folgt: Benziner mit 81 kW/110 PS und 140 kW/190 PS. Mildhybride (e-Tec) mit 81 kW/110 PS und 110 kW/150 PS. Erdgasantrieb (G-Tec) mit 96 kW/130 PS. Plug-in-Hybride mit 150 kW/204 PS und 180 kW/245 PS. Allradversionen.