VW Golf GTE und Golf eHybrid: Doppel mit Stecker
2.9.2020, 14:46 UhrGolf GTE – gab's den nicht schon? Ja: Auch vom Golf 7 hat VW bereits eine Plug-in-Variante bereitgestellt, mit gar nicht mal so mageren 50 Kilometern Norm-Reichweite.
Beim neuen GTE, der auf der aktuellen Generation Golf 8 basiert, ist VW auf den geschickten Schachzug verfallen, eine enge Verbindung zum kultigsten aller Gölfe herzustellen: Der GTE soll vom GTI-Nimbus profitieren und die Befähigung zum teilelektrifizierten Golf-Sport assoziieren. Das kommt auch optisch rüber: Mit Wabengrill, den charakteristischen Speichen im Lenkrad und karogemusterten Sportsitzen – nur, dass diese nicht rot, sondern blau akzentuiert sind.
Für Sparfüchse und Sportfahrer
Auch leistungstechnisch liegt der GTE exakt auf Augenhöhe mit dem GTI. Allerdings setzt sich das PS-Potenzial anders zusammen. 110 kW/150 PS steuert der 1,4-TSI-Turbobenziner bei, 80 kW/110 PS packt ein Elektromotor drauf. Insgesamt ergeben sich nach der Hybrid-Arithmetik eine Systemleistung von 180 kW/245 PS und ein Systemdrehmoment von 400 Newtonmetern. Botschaft: Der GTE ist nicht nur was für (berufspendelnde) Sparfüchse, sondern auch für Sportfahrer.
50 Kilometer E-Reichweite, so hat es schon Ex-VW-Chef Winterkorn voll der Weitsicht erkannt, sei das Mindeste, was ein Plug-in-Hybrid (kurz: PHEV) schaffen müsse. Den neuen GTE hat der bekanntlich am Dieselskandal gescheiterte Manager nicht mehr im Amt erlebt. 62 Kilometer elektrischen Aktionsradius billigt die Norm dem Teilzeitstromer zu; dahinter steht eine Lithium-Ionen-Batterie mit 13 kWh Kapazität. Geladen wird – wie aus Kostengründen bei PHEVs üblich – nur einphasig. An der Haushaltssteckdose (2,3 kW) dauert das Prozedere fünf Stunden, an der Wallbox (3,6 kW) verkürzt es sich auf drei Stunden und vierzig Minuten. Schnellladen ist nicht möglich.
Zwischen Hannover und der niedersächsischen Golf-Heimat Wolfsburg konnten wir mit dem GTE bereits eine Proberunde drehen und waren angetan. Im Hannoveraner Cityverkehr wählten wir noch den rein elektrischen "E-Mode", in dem sich der PHEV-Golf übrigens bis Tempo 140 bewegen lässt. Außerhalb der Stadtgrenzen schalteten wir auf den Hybrid-Modus um, bei dem die Software geschickt ein unauffälliges Wechselspiel zwischen den Welten des E-Motors, des Verbrenners und, zum Beispiel beim Überholen, der elektrischen Boost-Unterstützung für den Turbo organisiert.
Über ein stilisiertes Batteriesymbol im zentralen Infodisplay kann der Fahrer in 20-Prozent-Schritten ansteuern, wie viel elektrische Reserve am Ende seiner Fahrt noch übrig sein soll. Alternativ lässt sich der Batterieladestand auch "einfrieren" oder erhöhen, in diesem Fall wird der Akku während der Fahrt vom Motor geladen.
Wir erlaubten unserem Test-GTE, sein E-Reservoir intelligent bis zum einprogrammierten Ziel aufzubrauchen. Innerorts stellte er stets automatisch auf Batteriebetrieb um, letztlich kamen wir tatsächlich mit dem letzten "Tropfen" Strom an.
Da strahlt der Smiley
Besonders gut hat uns der "prädiktive Hybrid-Modus" gefallen. Hinter diesem Wortungetüm verbirgt sich die Fähigkeit des PHEV-Golfs, bei aktivierter Zielführung die Navi-Daten heranzuziehen, um die Batteriekapazität abhängig vom Streckenprofil optimal zu nutzen. Das sieht dann beispielsweise so aus, dass der Golf vorausschauend um einen Kreisverkehr, ein Tempolimit oder eine Ortseinfahrt weiß und den Fahrer beizeiten dazu auffordert, den Fuß vom Gas zu nehmen und das Fahrzeug so rekuperieren zu lassen. Wir haben es ausprobiert und festgestellt, dass die Verzögerung in so perfektem Timing erfolgt, dass der Golf am Ortseingang eine Punktlandung auf Tempo 50 hinlegt und jeden Mess-Smiley zum Strahlen bringt.
Speziell im "Sport"-Modus (alternativ gibt es noch Eco, Comfort und Individual) zeigt der GTE seine fahrdynamische Seite. So sportlich wie der GTI agiert er zwar definitiv nicht (immerhin hat er auch 185 Kilogramm mehr Gewicht mit sich zu schleppen), dennoch ist er dank der elektrischen Unterstützung wunderbar agil und putzmunter unterwegs, reagiert knackig auf Lenkbefehle und wirbelt leichtfüßig von Kurve zu Kurve, wobei das straff abgestimmte Sportfahrwerk keine Einbußen beim Komfort zumutet.
Fürs Protokoll: Der Sprint von 0 auf 100 km/h erfolgt in 6,7 Sekunden, die Spitze liegt bei 225 km/h. Und die Schaltarbeit übernimmt ein 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe.
Mit 41.667 Euro ist der GTE freilich nicht unerheblich eingepreist, auch wenn Digital-Cockpit, Navi (das am Ende unserer Fahrt leider ausgestiegen ist), induktives Smartphone-Laden, Verkehrszeichenerkennung, assistiertes Fahren bis 210 km/h, Klimaautomatik und Leichtmetallräder schon serienmäßig mitgeliefert werden.
Unser Tipp: der eHybrid
Unser Tipp gilt nicht nur deshalb dem zweiten Plug-in-Hybriden vom Golf: Der eHybrid kostet mit 39.781 Euro fast 1900 Euro weniger, bietet aber bis auf die GTE-Sportsitze mit ihren integrierten Kopfstützen und allerlei GTE-typische Individualisierungen dasselbe umfangreiche Ausstattungsniveau und kann auch hinsichtlich seiner Hybridfähigkeiten genauso viel. Das Motoren-Duo ist mit dem des GTE identisch, erbringt jedoch „nur“ 150 kW/204 PS Systemleistung. Dafür – und das dürfte für viele entscheidend sein – liegt die Normreichweite mit 80 Kilometern eine ganze Ecke höher.
Sowohl Golf GTE als auch Golf eHybrid gelangen in den Genuss der vollen Innovationsprämie für Plug-in-Hybride (7110 Euro brutto) und des steuerlichen 0,5-Prozent-"Dienstwagenprivilegs".
Wer auf die externe Lademöglichkeit verzichten kann, bekommt den Golf in dreifacher Ausfertigung auch als Mildhybrid. Die e-TSI-Modelle arbeiten mit einem 48-Volt-Bordnetz und nutzen einen integrierten Riemen-Starter-Generator (RSG). Dieser kleine Elektromotor unterstützt den Verbrenner beim Anfahren und Beschleunigen, außerdem ermöglicht er das "Segeln" mit kurzzeitig abgeschaltetem Motor. Bereits erhältlich sind der 1.0 eTSI (81 kW/110 PS, ab 26.972 Euro) und der 1.5 eTSI (110 kW/150 PS, ab 29.687 Euro), ein eTSI mit 96 kW/131 PS folgt etwas später. Alle Varianten werden serienmäßig mit 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe ausgeliefert.
Bleibt noch ein bisschen
Ganz hat der ID.3 dem e-Golf übrigens noch nicht das Lebenslicht ausgeblasen: Weil die großzügige Innovationsprämie die Nachfrage nach Elektroautos steigen lässt, wird der rein elektrische Golf nun doch bis zum Jahresende in Dresden weitergebaut.
Ulla Ellmer
VW Golf GTE und Golf eHybrid in Kürze:
Wann sie kommen: Sind bereits bestellbar.
Wen sie ins Visier nehmen: Unter anderem Mercedes A250e, Kia XCeed/Sportswagon PHEV oder die kommenden Seat Leon eHybrid und Skoda Octavia iV.
Was sie leisten: 1,4-TSI-Vierzylinderbenziner mit 110 kW/150 PS, Elektromotor mit 80 kW/110 PS, Systemleistung 204 PS (eHybrid) und 245 PS (GTE).
Was sie kosten: Ab 39.781 Euro (eHybrid) und 41.667 Euro (GTE).