28. Juni 1970: Sandstrand bald vor der Haustür
28.6.2020, 07:00 UhrNeben sanft abfallenden breiten Uferstreifen (Strandfläche zwölf Hektar) aus hellgelbem bis rötlichem Sand werden große Liege-und Spielwiesen im angrenzenden Tal des Röthenbachs genügend Platz bieten für viele tausend Badelustige und Erholungssuchende. Schließlich soll das künftige Badegebiet des Birkensees weiter den Charakter eines Erholungszentrums dadurch erhalten, daß in unmittelbarer Nähe des Sees eine Raststätte oder ein Motel entstehen kann. Neben dem dafür vorgesehenen Platz stehen ausreichend große Flächen für Park- und Campingplätze zur Verfügung.
Dinge, die im wasserarmen Nürnberger Raum fast zu schön klingen, um wahr zu sein. Der Badesee, einen Kilometer lang und 240 Meter breit, würde denn auch mit seinem zwei bis acht Meter tiefen klaren Wasser entsprechend große Anziehungskraft nicht nur auf die Stadt, sondern sicherlich auf große Teile Mittelfrankens ausüben.
Noch allerdings ist es zu schön und nicht wahr: wo sich einmal die weite grünliche Wasserfläche dehnen soll, zeigt sich jetzt das Bild einer riesigen Baustelle. Lastwagen schaffen unermüdlich den aufgelagerten feinen Sand fort. Planierraupen bohren sich in den darunter liegenden Keuperboden und lassen ganz allmählich ahnen, wie es hier bald aussehen kann.
Seit zwölf Jahren baut das Forstamt Nürnberg-Ost nun schon im Gebiet zwischen dem Autobahn-Kreuz und dem Röthenbach diluviale Sande ab – und bevor dem Traum vom Birkensee nachgehangen werden konnte, mußte festgestellt werden, ob die geologischen Voraussetzungen überhaupt gegeben waren.
Sie waren es: unter der bis zu 20 Meter mächtigen Sandüberlagerung stieß man auf eine wassertragende Keuperschicht. Positive Ergebnisse brachten auch die Untersuchungen, ob die künftige Wasserfläche durch einen Zufluß aus dem Röthenbach gespeist werden kann: in Höhe der Petersbrücke könnte der Röthenbach in den See eingeleitet werden. Voraussetzung dafür ist allerdings die Gewähr, daß oberhalb des Birkensees keine Industrieabwässer mehr in den Fluß gelangen. Reinigungsstufen – eventuell in Form von Teichen – sollen dann dafür sorgen, daß das Röthenbachwasser den See nicht verunreinigt.
Die Voraussetzung dafür, daß der Fluß den künstlichen See auch wieder verlassen kann, ist bereits dadurch geschaffen worden, daß das Erdreich im nördlichen Teil acht Meter tief ausgehoben wurde. Somit kann der Röthenbach von hier aus unterirdisch zurück in sein altes Bett fließen.
Nachdem die erforderlichen Untersuchungen positiv verlaufen waren, wurde der Sandabbau langfristig so geplant, daß die Wasserfläche ohne erhebliche Aufwendungen entstehen kann. So sind bisher rund 1,6 Millionen Kubikmeter Sand abgefahren und aus der darunter liegenden Keuperschicht schon 320.000 Kubikmeter abgetragen: insgesamt also fast 2 Millionen Kubikmeter.
Dagegen machen sich die noch verbleibenden 600.000 Kubikmeter gering aus – aber in ihnen steckt die größte Schwierigkeit, an ihnen kann das ganze schöne Projekt noch scheitern oder zumindest stark verzögert werden: hier handelt es sich nämlich um den Keuperboden, wie er überall im mittelfränkischen Raum vorkommt und wie ihn eigentlich niemand so recht haben will. Jedenfalls nicht in den Mengen, die es hier auszuheben gilt.
Bisher kein Abschluß
Oberforstmeister Dr. Dr. Georg Eisenhut, Leiter des Forstamtes Nürnberg-Ost, steht in Verbindung mit einer Großfirma, die für ein riesiges Projekt vermutlich Erdreich in solchen Mengen gebrauchen kann, aber zu einem Abschluß ist er bislang nicht gekommen. Findet sich keine Großfirma, geht der Plan vom See möglicherweise baden: dann kostet der Aushub nämlich nicht wenig Geld – und das wird die Forstverwaltung für diesen Zweck bestimmt nicht hergeben. Zumal sie wegen des beabsichtigten Erholungsgebietes schon auf die Nutzung eines mächtigen Sandrückens verzichtet, der den See vom Röthenbachgrund trennt und einen Abbauwert von rund 2,8 Millionen Mark darstellt.
Stadt und Landkreis Nürnberg sind zwar grundsätzlich an dem Projekt interessiert, jedoch ist über finanzielle Beteiligung konkret noch nicht gesprochen worden. Im erwähnten ungünstigen Fall aber wird es bei den umliegenden Gemeinden stehen, ob der Birkensee eine Sandgrube bleibt. Geklärt ist inzwischen eine andere Schwierigkeit: bislang haben Röthenbach, Schwaig und Rückersdorf ihren MülI in die Sandgrube gefahren. Rund 100.000 Kubikmeter Unrat lagern nun dort und müssen wieder abtransportiert werden. In Verhandlungen mit den Gemeinden ist erreicht worden, daß sie ihren Müll künftig woanders abkippen.
Und wenn alles gut geht und sich ein Liebhaber für die 600.000 Kubikmeter Keuperboden finden dann sind die Freibäder in Stadt und Land bald die längste Zeit überfüllt gewesen. Dann kann vielleicht noch 1971, sicher aber im darauffolgenden Jahr gebadet werden: in einem von jungen Birken umstandenen See, der einer der schönsten in Bayern sein dürfte.
DER KOMMENTAR:
Einmalige Chance
Ein Forstmann sieht das Projekt vor seinem geistigen Auge bereits verwirklicht. Wenn es – was sehr zu wünschen ist – auch die Nürnberger sehen, wird der Mann im grünen Rock (Dr. Eisenhut) sicher als Förster vom Silbersee seinen Namen weghaben. Und es wird nicht spöttisch, sondern anerkennend gemeint sein: unermüdlich arbeitet der Leiter des Forstamtes Nürnberg-Ost daran, den Traum von einem der schönsten Erholungsgebiete in ganz Bayern zu verwirklichen.
Doch mit des Geschickes Mächten – läßt sich schlecht träumen. An einem einzigen Problem noch hängt der Plan in der Luft – und er fällt in bereits vorhandenes Wasser, wenn kein Interessent für 600 000 Kubikmeter Erdmaterial gefunden wird.
Was dann? Das läßt sich an den Fingern abzählen: der Staatsforst will im Hinblick auf das Erholungsgebiet einen Sandrücken im Wert von fast drei Millionen DM unangetastet lassen – und er wird ihn so bald abbauen lassen, wie Stadt und Landkreis Nürnberg finanziell kein ausreichendes Interesse an dem Projekt bekunden. Dann bliebe die jetzige Sandgrube eine solche und die Nürnberger müßten in den Freibädern weiter Sardinen spielen.
Noch sind die Bemühungen von Dr. Eisenhut nicht im Sande verlaufen. Sollte er aber erfolglos bleiben, ist es höchste Zeit für die Stadt, gemeinsam mit dem Landkreis auf Mittel und Wege zu sinnen und energisch den Fehlschlag des Projektes zu verhindern.
Egal, wie teuer der Erdaushub dann werden sollte: die Chance, ein solches Erholungsgebiet von überregionalem Reiz mit relativ geringem Kostenaufwand zu schaffen, erhalten die Stadt und der Landkreis wohl nie mehr.